Anlagenbau & Prozesstechnik

Vernetzte Industrie: Es klafft eine Lücke!

Indu-Sol Studie zeigt: Das Bewusstsein für Veränderung ist da, Handlungsbereitschaft weniger

12.11.2018 -

Ethernetbasierte Echtzeit-Protokolle wie Profinet finden in der industriellen Automatisierung immer häufiger Anwendung. Schätzungen zufolge erreichte das Industrial Ethernet im Jahr 2017 erstmals mehr Marktanteile als die klassischen Feldbusse (z.B. Profibus, Interbus, ASi, CAN). Verfechter dieser und der Folgetechnologien sprechen bereits von einem Siegeszug, denn plötzlich sind hürdenfreie Kommunikationswege von der Maschinenebene über die Hallenebene bis hin in die Cloud deutlich einfacher zu realisieren als bisher – ganz im Sinne von Industrie 4.0.

Doch inwieweit ist dieser Prozess bereits tatsächlich Realität? Ein Indiz dafür liefert eine aktuelle Umfrage zum Kontrast zwischen dem Idealbild „Industrie 4.0-Welt“ und den aktuellen Netzwerken produzierender Unternehmen in der Realität, die Indu-Sol unter Planern, Konstrukteuren, Installateuren und Maintenance-Verantwortlichen der Fertigungsautomatisierung (Stand der Daten: Oktober 2018) ausgeführt hat: Nahezu alle Befragten beobachten bzw. erwarten eine zunehmende Komplexität industrieller Netzwerke, eine steigende Anzahl vernetzter Geräte und – damit einhergehend – auch mehr Einflussmöglichkeiten auf das Netzwerk sowie massiv ansteigendes Datenaufkommen.

Jedoch gibt nur ein vergleichsweise kleiner Teil desselben Panels an, den steigenden Anteil azyklischer Netzlast bei der Planung auch zu berücksichtigen (weniger als 50 %), geschweige denn zu dokumentieren (weniger als 25 %) oder zu überwachen. Es klafft also ganz offensichtlich eine Lücke zwischen der Wahrnehmung der steigenden Vernetzung im Industrie 4.0-Bereich und dem Nachziehen der Realität in produzierenden Unternehmen.

Qualifizierung des eigenen Personals oder Zusammenarbeit mit Dienstleistern?

Eine weitere Konsequenz aus dem Technologiewandel betrifft die Personal-Zusammenstellung: Für praktisch alle produzierende Unternehmen gehört heute mindestens ein IT-Administrator wie selbstverständlich zur Grundausstattung. An die Stelle eines Administrators für Automatisierungsnetzwerke (Operational Technology, OT) wird jedoch bisher kaum gedacht. Dabei zeigen die Ergebnisse des ersten Umfrage-Charts deutlich, dass OT-Netzwerke stetig komplexer werden. Parallel zu den eigentlichen Instandhaltungsaufgaben ist das von der unternehmenseigenen Maintenance-Abteilung immer weniger händelbar bzw. wird immer unwirtschaftlicher, weil es immer mehr Zeit beansprucht.

Dazu ein Praxis-Beispiel: Mit der Topologie-Software Proscan Active V2 wurden die in einem OT-Netzwerk verbundenen Geräte einschließlich ihrer Hard- und Softwarestände erfasst. Es zeigte sich sofort, dass in dem Netzwerk gleiche Geräte mit jedoch unterschiedlichen Hard- bzw. Softwarestände eingesetzt sind. Hier besteht die Gefahr, dass die Geräte in Bezug auf die Kommunikation untereinander nicht kompatibel sind.

Dies zeigt exemplarisch, dass das Instandhaltungspersonal im laufenden Betrieb typischerweise keine Zeit für die Netzwerkpflege hat. Da eine reibungslose Kommunikation jedoch eine wichtige Grundlage für eine kontinuierliche Produktion ist, bedarf es fester Verantwortlicher, die sich ausschließlich um den Betrieb und die Wartung von OT-Netzwerken kümmern.

Für die Führungskräfte in den Unternehmen stellt sich also die Frage: Das eigene Personal nachqualifizieren oder einen externen Dienstleister hinzuziehen? Laut der eingangs erwähnten Umfrage kann sich immerhin fast jeder Zweite vorstellen, bei der Netzwerk-Planung auf externes Know-how zurückzugreifen. Wenn es in die Praxis der Installation, Ab- und Inbetriebnahme geht, steigt der Bedarf sogar auf knapp 70 % – sehr wahrscheinlich, um wenigstens im Auslieferungszustand optimale Voraussetzungen für einen stabilen und sicheren Betrieb der Maschinen und Anlagen sicherzustellen. Geht es dann an den laufenden Betrieb, ist die Skepsis der Umfrageteilnehmer in Bezug auf externe Unterstützung jedoch noch deutlich zu spüren.

Erfahrungen aus der IT nutzen – Besonderheiten vom OT beachten

Wie lässt sich diese offenkundig existierende Lücke zwischen der Erkenntnis von strukturellen Veränderungen in industriellen Netzwerken und der zaghaften Handlungsbereitschaft nun schließen? Ein einfaches Besetzen von bewährten IT-Lösungen mit OT-Begriffen, wie es derzeit punktuell versucht wird, ist sicherlich keine Lösung. Dafür haben IT und OT in Bezug auf den Betrieb und die Wartung von Netzwerken einfach zu unterschiedliche Prioritäten. In der IT liegt der Fokus zu 100% auf Integrität und Datenschutz. In der OT müssen jedoch vor allem die permanente Netzwerkverfügbarkeit und geringe Latenzen bei der Datenübertragung garantiert sein. Zwar ist das Thema Sicherheit auch hier hochprior, jedoch darf die Verfügbarkeit des Netzwerks nicht geopfert werden – seine Funktion wird vorausgesetzt und für die Prozesssteuerung zwingend benötigt.

Dennoch kann die Automatisierung in manchen Punkten von der IT lernen: Im IT-Bereich würde heute niemand mehr ein Netzwerk ohne zugehöriges Monitoring planen bzw. installieren, geschweige denn die Verantwortung dafür übernehmen. Das Nachvollziehen von Datenübertragungswegen und Informationen zur Netzauslastung gehört hier längst zum Standard-Repertoire. In ethernetbasierten OT-Netzwerken wie Profinet treten neben dem bekannten zyklischen Datenverkehr zunehmend sporadische und nicht reproduzierbare Ereignisse auf (z.B. infolge des steigenden Aufkommens von azyklischem Datenverkehr). Zwar führen diese nicht immer gleich zu einem Maschinen- oder Anlagenstillstand – sie sind jedoch sichere Anzeichen dafür, dass etwas im Netzwerk nicht stimmt. Nur eine permanente Überwachung des Datenverkehrs kann in diesen Fällen historische Daten und damit Ansatzpunkte für eine Ursachenforschung liefern, um Qualitätsminderungen im Produktionsprozess vorzubeugen oder gar sicherheitsrelevante Vorfälle zu erkennen.

Durchgängiges Infrastruktur-Konzept für Monitoring und Security 

Das Thüringer Technologieunternehmen Indu-Sol bietet dazu ein durchgängiges Konzept an. Innerhalb des OT-Netzwerks überwacht ein passiver Datensammler (sogenannter Inspektor) den logischen Datenverkehr im Netzwerk. Er ermittelt nicht nur den Netzwerkzustand und gibt verfügbarkeitsrelevante Hinweise (z.B. verspätete Telegramme oder überhöhte Netzlast), sondern verfügt zusätzlich über einige Security-Funktionen (z.B. Detektion unbekannter Teilnehmer im Netzwerk oder das Protokollieren von Programmierzugriffen auf die SPS einschließlich einer Warnung an den Betreiber in beiden Fällen).

In Sachen Infrastrukturkomponenten verfügen einige Switches der Baureihe Promesh über eine integrierte Router-Funktionalität, um die Zugriffe von außen zielgerichtet zu steuern. Außerdem leisten sie eine Netzwerkdiagnose und überwachen teilweise sogar die EMV-Belastung der Datenleitungen. Netzwerkübergreifend bündelt die zentrale Monitoring-Software Promanage NT alle erfassten Zu-stände und Diagnosemeldungen auf einem Server zum Gesamtzustand und bereitet die Informationen grafisch auf. Eine Tiefenanalyse ist jederzeit möglich, da historische Daten minutenaktuell bis 365 Tage in die Vergangenheit verfügbar bleiben.

Heute die Voraussetzungen schaffen – Morgen Industrie 4.0 nutzen

Bereits mit wenigen kleinen, aber entscheidenden Aktionen können Betreiber also bereits heute die Voraussetzungen schaffen, um sicher ins Industrie 4.0-Zeitalter zu starten. Die eingangs vorgestellten Auszüge einer aktuellen Umfrage zeigen klar, dass die Maschinen- und Anlagenlieferanten von morgen die Herausforderungen für Stabilität und Sicherheit in einer vernetzten Produktion zwar kennen, zumindest aber unsicher sind, welche Konsequenzen dieses Wissen in der Praxis haben soll. Die Folge aus Sicht des Betreibers ist im schlimmsten Fall eine vollkommen heterogene Netzwerkinfrastruktur mit zahlreichen Lieferanten. Existieren seitens des Betreibers keine Vorgaben für die Hard- und Softwareauswahl, obliegt die Auswahl dieser Standard-Komponenten zudem dem Maschinenbauer.

Der erste Schritt für Betreiber wäre also eine klare Festschreibung der eigenen Anforderungen an die Maschinen und Anlagen in einer technischen Lieferspezifikation, um eine Einheitlichkeit in der Netzwerkinfrastruktur zu schaffen und dessen Handling zu erleichtern. Dazu gehört neben Kriterien für die Hardware-Auswahl auch der Festlegung der Monitoring-Software zur Überwachung im laufenden Betrieb. Zudem ist es in einer vernetzten Produktion nicht mehr zeitgemäß, dass jeder Maschinenbauer sein eigenes Netzwerk mitbringt. Das Netzwerk wird sich in absehbarer Zeit von der Maschine lösen und es werden Datenübergangspunkte für die Einbindung von Maschinen geschaffen werden. Schaffen Sie für sich den Grundsatz: Bis zum ersten Switch im Schaltschrank der Maschine bleibt das Netzwerk in meiner Hand!

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