VCI will Deutschland zum Innovationsweltmeister machen
05.12.2016 -
Deutschland zählt zu den führenden Chemieforschungsnationen nach den USA, China und Japan. Die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie hat 2015 weiter an ihrer Innovationsfähigkeit gearbeitet und 4 % mehr in ihre Forschung und Entwicklung (F&E) investiert als im Vorjahr. Im vergangenen Jahr kletterten die F&E-Etats der Chemie- und Pharmaunternehmen auf insgesamt rund 10,5 Mrd. EUR. Das entspricht über 5 % des Branchenumsatzes.
Damit habe die Branche zwar eine gute Ausgangslage geschaffen, dennoch werde es für den Standort Deutschland immer schwieriger, seinen Innovationsvorsprung zu halten, kommentierte Thomas Wessel, Vorsitzender des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im Verband der Chemischen Industrie (VCI) die Entwicklung auf der diesjährigen Forschungspressekonferenz Mitte November. „Für unsere Branche sind Innovationen in ganz besonderem Maße der Fortschrittsmotor, um wettbewerbsfähig zu bleiben“ meinte Wessel.
Forschungsstandort Deutschland unter Wettbewerbsdruck
Die Chemie- und Pharmabranche in Deutschland ist forschungsintensiver und innovationsorientierter als andere Industriezweige des verarbeitenden Gewerbes. Bis zum Jahr 2030 prognostiziert der VCI gar einen Anstieg der F&E-Ausgaben auf rund 16,5 Mrd. EUR. Die globale Konkurrenz setze die deutschen Unternehmen jedoch einem massiven Druck aus. Wessel warnte: „Der Wettbewerbsdruck wird weiter an Schärfe zunehmen, und zwar nicht nur auf die Unternehmen, sondern auch auf die Standorte.“
China und andere Schwellenländer investieren massiv in F&E. Bis zum Jahr 2030 rechnet der VCI damit, dass China einen Anteil an von 15 % an der globalen Chemieforschung erreichen wird. 2000 lag dieser Anteil erst bei knapp 2%. Auch Industrienationen wie die USA, Japan oder Südkorea forcieren ihre Innovationsprozesse. Der VCI geht zwar davon aus, dass Deutschland seine Position als viertgrößter Chemieforschungsstandort halten könne, allerdings müsse die Branche ihren eingeschlagenen Weg der Innovationsorientierung beibehalten.
Deutschland soll Innovationsweltmeister werden
Die Ausweitung der Forschungsinvestitionen allein werde nicht ausreichen, um neue Produkte, Technologien und Verfahren erfolgreich auf den Markt zu bringen. Auch die Unternehmen werden ihre Innovationsstrategien anpassen müssen und z.B. Freiräume für die Forscher schaffen sowie mehr Mut und Geduld aufbringen, um Neues auszuprobieren. Auch wenn Deutschland gesamtwirtschaftlich betrachtet heute zu den führenden Forschungsnationen zählt, ist laut Wessel „noch Luft nach oben“.
Die stark wettbewerbsorientierten Voraussetzungen für F&E in anderen Ländern machen es nach Auffassung Wessels notwendig, dass sich Deutschland das ehrgeizige Ziel setzt, Innovationsweltmeister zu werden. „Unser ressourcenarmes Land ist ganz besonders auf technischen Fortschritt angewiesen. Nur mit neuen Produkten und Verfahren kann Deutschland im internationalen Wettbewerb punkten, Arbeitsplätze schaffen und seinen Wohlstand langfristig erhalten“, begründet der Ausschussvorsitzende diesen Anspruch.
Dies setze attraktive Rahmenbedingungen voraus, die Innovationen erleichtern und den Standort Deutschland stärken. Hierzu hat der VCI einen 12-Punkte-Plan zur Steigerung der Innovationskraft entwickelt. Als wichtige Handlungsfelder wurden darin identifiziert: Forschungsförderung fokussieren und intensivieren, regulative Barrieren abbauen, Kultur und Talente fördern sowie Kooperationen vereinfachen.
12-Punkte-Plan zur Steigerung der Innovationskraft
„Um den Forschungsstandort zu stärken, Wachstum zu stimulieren und die Innovationskraft der Unternehmen zu erhalten, sind mehr Innovationsanreize in Deutschland gefragt, vor allem besteht dringender Reformbedarf in der deutschen Forschungsförderung“, so Wessel. Konkret schlägt der VCI eine steuerliche Forschungsförderung zusätzlich zur Projektförderung vor. Die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten und 27 von 34 OECD-Staaten nutzten dieses Instrument erfolgreich. Und selbst China gewährt verschiedene steuerliche F&E-Anreize für Unternehmen. „Deutschland hat hier einen deutlichen Standortnachteil“, betonte der VCI-Experte.
Der Verband regt deshalb an: Ein forschendes Unternehmen sollte 10 % Prozent seiner eigen finanzierten F&E-Aufwendungen von seiner Steuerschuld abziehen dürfen (Tax Credit). Bei Verlusten sollte es eine entsprechende Steuergutschrift ausgezahlt bekommen. Ein erster Schritt zur Beseitigung dieses deutschen Standortnachteils könnte die steuerliche Förderung von Forschungspersonal sein. Darüber hinaus sollte es einen Innovationscheck geben, um die Folgen neuer und existierender Gesetze auf die Innovationsfähigkeit der Unternehmen abzuschätzen.
„Im internationalen Vergleich sind die Zulassungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland zu komplex und dauern zu lange. Leider spielt es für den Gesetzgeber zurzeit keine Rolle, wie sich Regulierungen auf Innovation und Technologien auswirken“, erläuterte Wessel den Vorschlag.
Auch das Zusammenspiel zwischen Industrie und Hochschulen sei häufig noch zu starr und bürokratisch. Hier könnten beide Seiten pragmatisch handeln, indem sie vorhandene Musterverträge durchgehend nutzen.
Darüber hinaus enthält der 12-Punkte-Plan des Chemieverbands Empfehlungen für einen besseren Transfer von Technologien in den Markt. Der Vorsitzende des Forschungsausschusses dazu: „Deutschland muss seine Gründerszene stärken, indem das Steuerrecht für Investoren optimiert und steuerrechtliche Hemmnisse für mehr Wagniskapital abgebaut werden.“ Er appellierte an die Bundesregierung, das vereinbarte Wagniskapitalgesetz endlich auf den Weg zu bringen.
Weiter bemängelte Wessel: „In Deutschland werden Fortschritt und Innovation häufig angstgetrieben diskutiert.“ Um mehr Akzeptanz für neue Technologien und Produkte zu erreichen, befürworte er, schon in der Schule frühzeitig den Nutzen von technischem Fortschritt zu vermitteln. Hierzu empfiehlt der VCI-12-Punkte-Plan: durchgehenden MINT-Unterricht bis zum Abitur sowie die Weiterentwicklung der Didaktik und eine kontinuierliche Fortbildung der Lehrer. Auch Themen wie die Digitalisierung und Industrie 4.0 müssten sowohl in der Schule als auch in der Aus- und Weiterbildung aufgegriffen werden.
Wessel machte deutlich, dass Politik und Unternehmen gleichermaßen gefordert seien, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen. „Wir dürfen uns auf den Lorbeeren der Vergangenheit nicht ausruhen, dürfen uns nicht nur mit dem Durchschnitt vergleichen. Ziel muss sein, besser zu sein als unser stärkster Wettbewerber.“ (mr)
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