Anlagenbau & Prozesstechnik

Technische Dichtheit von Elektrolyseuren

Bestimmung der Wasserstoffleckage von Flanschverbindungen

06.02.2024 - Für Anlagen aus Elektrolyseuren mit entsprechender Verrohrungen und weiterer Komponenten müssen Dichtheitsnachweise erbracht werden. Nach der aktuellen TA-Luft wird der Nachweis rechnerisch mit Helium vorgelegt. Untersuchungen zeigen Abweichungen der Dichtheit bei Wasserstoff als Prüfmedium. Zertifizierte Dichtungsmaterialien können jedoch die Dichtheit von Flanschverbindungen für beide Gase sicherstellen.

Die Energiewende in Deutschland forciert den Bau von Anlagen zur Wasserstofferzeugung. Wasserstoff kann als Energiespeicher Schwankungen in der emissionsfreien Energieerzeugung ausgleichen oder als Ausgangsstoff für weitere Prozesse verwendet werden. Das Herzstück dieser Anlagen ist immer der Elektrolyseur, der den erzeugten Wasserstoff über eine Verrohrung zu den anderen Bestandteilen der Anlage führt. Die Errichter der Anlagen stehen in aller Regel vor der Herausforderung, einen Dichtheitsnachweis oder einen Nachweis über die Leckage für die Anlage vorzulegen.

Definition „Technische Dichtheit“

Eine Flanschverbindung nach DIN EN 1092 gilt nach aktuellem Stand der Technik als (dauerhaft) technisch dicht, wenn ein rechnerischer Nachweis nach EN 1591-1 bzw. Finite-Elemente-Analyse (FEM) für eine Leckageklasse L0,01 erbracht werden kann (TA-Luft Ausgabe 18. August 2021, VDI 2290 Ausgabe Juni 2012). Dies gilt grundsätzlich auch für H2-Anwendungen. Die für die Flanschberechnung zugrunde liegenden Dichtungskennwerte werden aber normalerweise nach DIN EN 13555 mit Helium ermittelt. Helium ist nach Wasserstoff das chemische Element mit der zweitgeringsten Dichte und kommt hinsichtlich der Größe dem Wasserstoff am nächsten. Aufgrund der unterschiedlichen Werte für Gasviskosität und Gasdichte bei annähernd gleichen kinetischen Durchmessern, sind jedoch im Einzelfall andere Leckageraten zu erwarten.
Ein allgemein gültiger Umrechnungsfaktor im Vergleich zu Helium lässt sich nach heutigem Wissensstand nicht angeben, da dieser Faktor von vielen weiteren Parametern abhängt, wie z.B. den Strömungsverhältnissen, Permeations- und Adsorptionsvorgänge im Dichtungswerkstoff etc.

Bestimmung der Dichtheit für Wasserstoffanwendungen

Welche Möglichkeiten stehen unter diesen Bedingungen für einen Nachweis an Flanschen gemäß DIN EN 1092-1 bis -4 zur Verfügung?

Option 1: Der typbasierte Bauteilversuch zur Bestimmung der Leckagerate einer Flanschverbindung.
Für die Prüfsituation wird die erreichbare Flächenpressung des schwächsten Flansches der PN-Reihe angenommen. Diese Flächenpressung Qmin(LBauteilversuch) dient dazu, in einem Laborversuch unter Verwendung eines Massenspektrometers mit dem Prüfmedium H2 unter Anlagendruck nachzuweisen, dass die Kombination aus Flansch, Dichtung und Schrauben unter den gegebenen Prozessbedingungen die geforderte Dichtheitsklasse einhält. Diese Dichtheitsklassen können entweder gemäß DIN 3535-6 L0,1 mit der spezifischen Leckagerate ≤ 0,1 [mg/s/m] bzw. TA-Luft L0,01 mit der spezifischen Leckagerate ≤ 0,01 [mg/s/m] oder höher vergl. DIN EN 13555 Tabelle 1 – Dichtheitsklassen sein.

Tabelle kinetischer Durchmesser von Molekülen und Edelgasen  © www.arnold-chemie.de
Tabelle kinetischer Durchmesser von Molekülen und Edelgasen © www.arnold-chemie.de

 

Zuvor muss eine Temperaturauslagerung bis zur maximalen Prozesstemperatur erfolgen, um die Relaxation des Systems zu simulieren. Basierend auf diesem Nachweis ist eine Drehmomenttabelle zu entwickeln, die für alle weiteren Nennweiten der PN-Reihe eine Montageflächenpressung ­Qmin(LDrehmomenttabelle) garantiert, für die gilt: Qmin(LBauteilversuch) ≤ Qmin(LDrehmomenttabelle).

Eine fachgerechte und qualitätskontrollierte Montage mit entsprechender Dokumentation ist Voraussetzung für einen solchen Nachweis. Diese Vorgehensweise stellt für den Anlagenbauer und Betreiber einen Mehraufwand dar und wird daher sehr wahrscheinlich nicht sehr oft zum Nachweis herangezogen werden.

Option 2: Individuelle Messung am Flansch in der Anlage unter Betriebsbedingungen.
Diese Variante repräsentiert wohl die aufwändigste Vorgehensweise, da hier mittels der Spülgasmethode die entstehenden Leckagen unter Betriebsbedingungen gemessen werden. Dafür ist es erforderlich, die zu messenden Flansche einzuhausen. Auch diese Methode stellt für den Anlagenbauer und Betreiber einen erheblichen Mehraufwand dar.

Option 3: Berechnung nach EN 1591-1 als der gebräuchlichste Weg zum Nachweis.
Bei der Auslegung der Anlagen muss ein Festigkeitsnachweis des Flanschsystems erbracht werden. Es ist sinnvoll, den Dichtklassennachweis über eine Berechnung gemäß EN 1591-1 bzw. Finite-Elemente-Analyse (FEM) für eine Leckageklasse LN zu nutzen, da beide Methoden gemäß VDI 2290 sowohl die Festigkeit der Flanschverbindung als auch die Dichtheit nachweisen. Maßgebend für die Berechnung und den Nachweis der Dichtheit in Bezug auf die Leckageklasse L sind die Kennwerte der Dichtung, wie Mindest­flächenpressung im Montagezustand Qmin(L) und die Mindestflächenpressung im Betriebszustand QSmin(L) in Abhängigkeit von der Anfangsflächenpressung QA.

 

Leckagekurven KlingerSIL C-4430
Leckagekurven KlingerSIL C-4430  © Klinger

 

Akkreditierter Nachweis mit Prüfmedium Wasserstoff

Die Dichtungskennwerte gemäß EN 13555 standen bisher ausschließlich aus Messungen mit Helium zur Verfügung. Es war jedoch keineswegs sicher, ob diese Kennwerte auf Wasserstoff übertragbar sind. Daher entschied sich die Klinger Dichtungstechnik dazu, für mehrere ausgewählte Faser- und PTFE-Materialien aus dem Produktsortiment Versuche gemäß DIN EN 13555 unter Verwendung des Prüfmediums Wasserstoff durchführen zu lassen, abweichend vom empfohlenen Prüfmedium Helium. Diese Versuche nahm das akkreditierte unabhängige Prüfinstitut AMTEC Messtechnischer Service vor. Ziel der Untersuchungen war eine seriöse Gegenüberstellung beider Messungen, da diese Werte für die Dichtheit und Festigkeit und damit für die Sicherheit der Flanschverbindung relevant sind.

In vielen Fällen zeigte sich eine weitgehende Übereinstimmung der Kurven wie im Beispiel des KlingerSIL C-4430.

Es existieren aber auch Messwerte, die zeigen, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Messungen bestehen können, wie am Beispiel des Klinger top-chem 2003 zu erkennen ist. Im konkreten Fall liegt die Wasserstoff­leckagekurve circa eine Zehnerpotenz unter der des Heliums.
Mit den erzielten Messergebnissen kann der Dichtungshersteller sowohl mit heliumbasierten als auch mit wasserstoffbasierten Dichtungskennwerten eine Berechnung nach EN 1591-1 für die Druckstufen 10 bar und 40 bar durchführen und damit die Leckageklasse in Verbindung mit der Flanschfestigkeit exakt nachweisen. Mit allen getesteten Dichtungswerkstoffen ist es möglich, die Anforderungen der TA-Luft und damit auch der DIN 3535-6 einzuhalten.

 

Leckagekurven Klinger top-chem 2003 © Klinger
Leckagekurven Klinger top-chem 2003 © Klinger

 

Aufgrund der sehr guten chemischen Beständigkeit sowie der große Druck- und Temperatureinsatzbereich sind die Dichtungsmaterialien von Klinger nicht nur für Wasserstoff erzeugenden Anlagen geeignet, sondern auch für angrenzende Bereichen, in denen bspw. mit Ammoniak, Methylalkohol, oder mit Benzyltoluol gearbeitet wird. Dies eröffnet dem Anwender die Möglichkeit zur Standardisierung über viele Bereiche hinweg mit kostengünstigen, vielfach erprobten und daher äußerst zuverlässigen Dichtungslösungen.

Autor: Stefan Keck, Produktmanager Dichtungen (Hbv.) Dichtungstechnik, Klinger Germany

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