Anlagenbau & Prozesstechnik

Einsatz von Gummi-Stahl-Dichtungen in der Gasinfrastruktur

Wasserstoff zuverlässig abdichten

28.08.2024 - Dauerhafte, technische und kalkulierbare Sicherheit sind bei Planung, Auslegung und Nachhaltigkeit mit beliebigen Konzentrationen an Wasserstoff in Erdgas bis zu reinen Wasserstoffprozessen bei Dichtungsanwendungen Voraussetzung. Bei Elastomerwerkstoffen mit Wasserstoffkontakt sind niedrige Glastemperaturen und starke Verbindung zwischen Elastomer und Stahleinlage wesentliche Aspekte, die zur Sicherheit beitragen.

Der Einsatz von Gummi-Stahl-Dichtungen aus dem elastomeren Synthesekunststoff Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (NBR) ist für Erdgas seit vielen Jahren gängige Praxis und Standard für Auslegungsdrücke DP bis 10 bar. Hierfür wird der klassische Temperaturbereich angegeben mit -15 °C bis +60 °C. Der Einsatz von Gummidichtungen mit metallischer Einlage für Auslegungsdrücke DP über 10 bar bis 40 bar ist zulässig bei erfolgtem Nachweis über das Kriechverhalten, die Ausblassicherheit, die Maximal- und Mindestflächenpressung sowie das Alterungsverhalten nach DIN 28090-2/DIN EN 13555 (© DIN 30690-1:2019-05).

Anhand der ermittelten Dichtungskoeffizienten (in Anlehnung an DIN EN 13555:2021-04) kann die Festigkeitsberechnung der Flanschverbindung (DIN EN 1591:2009) für die Klinger-Gummi-Stahl-Dichtung KGS GII/NBR erfolgen. Die einschlägigen aktuellen Daten sind auf der Internet-Plattform www.gasketdata.org jederzeit verfügbar.

Besonderheiten bei dem Einsatz in wasserstoffhaltigen Prozessen

Wasserstoff gilt unter den zuvor genannten Betriebs-, Druck- und Temperaturbedingungen als chemisch sehr inerte Substanz. Physikalisch gesehen hat dieser aufgrund seines sehr kleinen kinetischen Moleküldurchmessers (ca. 2,3 bis 2,9 [mA]) jedoch einen sehr hohen Diffusionsdruck. Dies bedeutet, dass es zu einer intensiven Interaktion von Wasserstoff und allen wasserstoffberührten Werkstoffen kommt. In Bezug auf Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (NBR) bedeutet dies, dass man dauerhaft einer Versprödung des Elastomers durch einen hohen Gehalt an Acrylnitril (ACN) in der Gummimischung selbst, entgegenwirken muss. Dabei ist zu beachten, dass die gummielastischen Eigenschaften erhalten bleiben. Insbesondere geht es darum, die Glastemperatur von NBR möglichst niedrig zu halten, um den Einsatz bei tiefen Temperaturen (bis zu -30 °C) zu ermöglichen.

Des Weiteren ist bei der Herstellung von Gummi-Stahl-Dichtungen darauf Wert zu legen, dass sich während des Herstellungsprozesses keine Hohlräume in dem elastomeren Formkörper selbst bilden können. Hier besteht ansonsten die Gefahr der schnellen Gasdruckentlastung (Rapid Gas Decompression).

Ebenso muss der Verbund zwischen dem Elastomer und der Stahleinlage besonders stark ausgeprägt sein. Gummi und Stahl sind geschlossenporige Werkstoffe, welche keine chemische Verbindung miteinander eingehen und nur aufeinander formschlüssig abbinden. Damit sich die Anhaftung des Elastomers deutlich verbessert, wird die Stahleinlage vorher einer Oberflächenbehandlung unterzogen, sprich: geprimert. Dies bewirkt, dass die Anhangskraft von Gummi auf den Primer – Adhäsion – größer ist, als die Zusammenhangskraft – Kohäsion – des Gummis selbst. Selbst nach einer starken Formarbeit der Stahl­einlage in der Gummi-Stahl-Dichtung kommt es nicht zu einem Abscheren des elastomeren Formkörpers oder zu einer Blasenbildung zwischen Elastomer und Stahleinlage. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Kohäsion des Primers und die Adhäsion dessen an die Stahleinlage immer größer sind, als die Kohä­sion des Elastomers selbst.

Durch die sorgfältige Auswahl an Werkstoffen sowie einer präzisen Fertigung unter sehr hohem Druck mit bis zu 300 bar, wurde mit der Klinger KGS GII eine Gummi-Stahl-Dichtung mit alleinstehenden Merkmalen geschaffen. Nach Prüfung und Auswertung durch den TÜV Süd, wurde die Gummi-Stahl-Dichtung KGS GII als besonders hochwertige Dichtung anerkannt. Bescheinigt wird für die Qualität NBR, innerhalb der chemischen und physikalischen Beständigkeit des elastomeren Synthesekunststoffes, der uneingeschränkte Einsatz für Wasserstoff, Einhaltung der Leckagegrenzen gemäß TA-Luft nach Auslagerung für 1.500 Stunden (VDI 2440: 2000-11, L0,01 DIN EN 13555:2014-07) im Sinne der technischen Dichtheit, sowie Ausblassicherheit Klasse C (TRwS Ausblassicherheit, Qs min: 4 MPa bei 100 bar). Zudem ist durch den ausgewogen hohen Acrylnitrilgehalt (ACN) eine dauerhafte Beständigkeit gegenüber Wasserstoff gegeben.

 

© www.gasketdata.org
Datenauszug/Leckage­verhalten (in Anlehnung an DIN EN 13555:2014-07) © www.gasketdata.org

 

Einfachheit der Handhabung und sicheren Montage

Eine Dichtung muss im Wesentlichen zwei potenzielle Möglichkeiten einer Leckage schließen:

  • Diffusion durch die Dichtung selbst
    Hierbei ist es sehr wichtig, eventuell vorhandene Poren oder Kanäle im Dichtungswerkstoff durch adäquate Vorspannung zwischen zwei Flanschblättern zu verschließen. Da es sich bei dem entsprechend beschriebenen Elastomer (NBR) um ein geschlossenporiges und um einen, nach der Fertigung von Klinger, porenfreien Dichtwerkstoff handelt, wird einer Diffusion bereits im nicht vorgespanntem Zustand maximal entgegengewirkt.
  • Diffusion zwischen den Phasen­grenzen der Dichtung und den Oberflächen der Flanschdichtleisten einer Flanschverbindung
    Hierbei ist es notwendig, dass bei adä­quater Vorspannung der Dichtung, sich ein effektiver und hohlraumfreier Formschluss ergibt.
    Der definierte Arbeitsbereich einer Dichtung beginnt mit der minimalen Vorspannung einer Dichtung, ab der eine Dichtheit unter Bezugnahme der zuvor ge­nannten Punkte nachweislich eintritt und endet mit der maximalen Vorspannung dieser, bevor die Dichtung zerstört wird.

Idealerweise hat eine Dichtung einen breiten Arbeitsbereich, was die Handhabung und Montage deutlich vereinfacht, d.h. es ist eine niedrige minimale Vorspannung zur Abdichtung notwendig und eine hohe maximale Vorspannung möglich, z.B. beim Einsatz von hochfesten Schraubengüten (8.8, 25CrMo4, etc.). Für die Gummi-Stahl-Dichtung KGS GII von Klinger in dem elastomeren Synthesekunststoff Acryl-Nitril-Butadien Kautschuk (NBR) ergibt sich ein für Gummi-Stahl-Dichtungen bislang unerreichter Arbeitsbereich von 0,5 MPa bis 40 MPa (QSmin(L) bis QSmax). Hierzu können auf Wunsch auch detaillierte Anzugsdrehmomente als minimale und maximale Daten für verschiedene Schraubengüten und metrische Abmessungen (DIN EN 1514-1: 1997-08) bis zu einem Betriebsdruck von 40 bar (MOP – Maximum Operating Pressure 40 bar) zur Verfügung gestellt werden.

Eine Sonderversion als Klinger Gummi-­Stahl-Dichtung KGS GII HP ist auch für PN 63 und PN 100 (Abmessungen gem. DIN EN 1514- 4) mit Betriebsdrücken von bis zu 63 bar und 100 bar verfügbar. Die Montagebedingungen können nach Abklärung zur Verfügung gestellt werden.

 

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Schematischer Aufbau einer Gummi-­Stahl-Dichtung KGS GII. © Klinger Germany

 

Erkenntnis zu Gummi-Stahl-Dichtungen KGS GII/NBR

Die vielfältigen Prüfungen und Testreihen haben ergeben, dass eine dauerhafte und sichere technische Dichtheit mit der Gummi-­Stahl-Dichtung KGS GII/NBR mit einfacher Handhabung und Montage erzielt wird. Für die Berechnung der Flanschverbindung in Wasserstoff- und/oder wasserstoffhaltigen Prozessen können die ermittelten Dichtungskoeffizienten in Anlehnung nach der DIN EN 13555 (Prüfmittel Helium, He) zur Anwendung kommen.

Zusammenfassung

Die sehr gute chemische Beständigkeit sowie der große Druck- und Temperatureinsatzbereich eröffnen den Klinger-Dichtungsmaterialien Einsatzmöglichkeiten in wasserstofferzeugenden Anlagen sowie auch in angrenzenden Bereichen, in denen bspw. mit Ammoniak, Methyl­alkohol oder mit Benzyltoluol gearbeitet wird. Das gut definierte und vielfältig aufgestellte Portfolio des Anbieters ermöglicht die Auswahl des am besten geeigneten Dichtungswerkstoffes für die spezifischen Betriebsparameter. Dies erlaubt dem Anwender Standardisierungen über viele Bereiche hinweg mit kostengünstigen­, ­vielfach erprobten und daher äußerst zuverlässigen Dichtungslösungen einzuführen.

 

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Die Eigenschaften der Gummi-Stahl-Dichtung KGS GII erlauben einen Einsatz in Wasserstoffanwendungen.
© Klinger Germany

 


Autor: Robert Steffens, Geschäftsbereichsleiter ­Elasto­mere (Hbv.), Klinger Germany

Quellen:
TA-Luft Ausgabe 18. August 2021,
VDI 2290 Ausgabe Juni 2012
www.arnold-chemie.de
DIN 3535-6, DIN EN 13555:2021

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