Anlagenbau & Prozesstechnik

Strömungsunterschiede beim ersten Kontakt von Partikeln und Filtermittel

Potenziale am Anfang der Filtration

04.06.2018 -

Die genaue Bestimmung des Filtermittelwiderstandes trägt dazu bei, Investitionskosten zu sparen. Um den Widerstand weiter zu reduzieren, wird das Partikelverhalten zu Beginn der Kuchenfiltrationuntersucht.

Eigentlich war die Kuchenfiltration in der Theorie hinreichend beschrieben. Doch zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeigte sich, dass ein Aspekt in der Forschung lange Zeit unberücksichtigt blieb: Der Anteil des Filtermittelwiderstands am Gesamtwiderstand des Kuchenfilters am Ende eines Filterzyklus wurde bis dahin häufig kaum erfasst und erfahrungsgemäß mit 5–10 % angenommen. Vor allem bei leicht zu filtrierenden Stoffen, die in der Gegenwart immer häufiger zum Einsatz kommen, stoßen Anlagenhersteller mit der bisher bestehenden Theorie an ihre Grenzen. Für die Optimierung, Simulation und Auslegung insbesondere von Hochleistungs-Filtern, die hohe Filtratmengen zu bewältigen haben, erweist sich der Filtermittelwiderstand als wichtiger Prozessparameter. Denn gerade bei hohen spezifischen Durchsätzen kann der bisher vernachlässigte Filtermittelwiderstand durchaus eine relevante Größenordnung – bis zu 50 % des Gesamt­widerstandes – annehmen.

Genaue Daten für lange Verfügbarkeit
Über sämtliche kritischen Prozessparameter sind jedoch genaue Angaben zwingend erforderlich. Die Kuchenfiltration ist in der Roh- und Mineralstoffaufbereitung sowie der Chemie- und Pharmaindustrie ein häufig genutztes Verfahren. Sowohl der abgetrennte Feststoff als auch die Flüssigkeit können meist direkt weiterverarbeitet werden. Anwender fordern zunehmend effizientere Filteranlagen, was einen einwandfreien Betrieb vom ersten bis zum letzten Filterzyklus sowie lange Verfügbarkeit miteinschließt. Das erfordert einen insgesamt geringen Filterkuchenwiderstand.
Weiterhin soll die Anfahrphase des Filters bis zur konstanten Leistung kurz, der Filter einfach zu reinigen und Ersatzteile gut zu montieren sein. Gleichzeitig gewährleisten Anlagenhersteller die Maschinenfunktion auf Grundlage des fremdgefertigten Filtermittels. Um konkurrenzfähiges Material anzubieten, benötigen daher auch die Filtermittelkonstrukteure verlässliche Daten.

Bestimmung des Widerstandssprunges zu Beginn der Kuchenfiltration
Dem Filtermittel kommt in der ersten Phase der Kuchenfiltration entscheidende Bedeutung zu. Die Kuchenfiltration stellt ein mechanisches Verfahren der Fest-Flüssig-Trennung dar. Dabei wird der in der Suspension enthaltene Feststoff durch das Filtermittel zurückgehalten und an dessen Oberfläche abgelagert. Der sich dann bildende Filterkuchen wirkt als Sperrschicht für jedes neue Suspensionselement. Für den ersten Aufbau des Filterkuchens und damit für die Partikelrückhaltung ist das Filtermittel ausschlaggebend.
Um den Filtermittelwiderstand genauer zu untersuchen, interessiert besonders die Anfangsphase der Filtration: Fließt reine Flüssigkeit durch den Filter, setzt das Filtermittel der Strömung einen bestimmten Widerstand entgegen. Beim Übergang des Durchflusses feststofffreier Flüssigkeit hin zum Durchfluss einer partikelbehafteten Suspension kommt es zu einem Widerstandssprung. Dieser Sprung betrifft die Wechselwirkungen zwischen Filtermittel, Flüssigkeit und Feststoffen.
Den konkreten Anlass, diesen Widerstandssprung und damit den Filtermittelwiderstand zu erforschen, gab die betriebliche Praxis: Das Unternehmen BHS-Sonthofen hatte bei der Anpassung eines Druckdrehfilters an einen höheren Filterdurchsatz Anfang der 2000er Jahre festgestellt, dass der Anteil des Filtermittel­widerstands am Gesamtwiderstand des Filter­kuchens deutlich mehr als 10 % betragen muss. Damit war eine Lücke in der Filtrationstheorie entdeckt.

Untersuchung des Filtermittelwiderstands mit hochsensibler Messtechnik
Seitdem hat die Forschung beachtliche Fortschritte erzielt und den Widerstandssprung genau bestimmt. Dazu wurde eine Reihe von Experimenten an einer Labordrucknutsche – dem Taschenmessgerät von BHS-Sonthofen – durchgeführt. Als Grundlage diente die anerkannte VDI-Richtlinie 2762 „Filtrierbarkeit von Suspensionen – Bestimmung des Filter­kuchenwiderstands“. Im Fokus standen dabei der zeit- und druckabhängige Anfall der Filtratmenge einer bestimmten Suspension, Kuchenhöhe und -aufbau sowie die Haftung des Gewebes. Zumeist wurde auch die Restfeuchte des Kuchens nach der Filtration gemessen. Die Filtratflüsse entsprechen den Bedingungen, die bei industriellen Filtern auftreten.
Herauszustellen ist dabei der hohe mess­technische Aufwand, der aus mehreren Gründen geboten war. Erstens galt es, Werte für den Filtermittelwiderstand unter verschiedenen Bedingungen – wie z. B. die Variationen der Filtermittel, des Drucks oder des Feststoffgehalts in der Suspension – zu bestimmen. Dazu waren umfangreiche Messungen mit unterschiedlichen Mitteln und einem – gegenüber dem vormaligen Stand der Technik – verbesserten Versuchsaufbau notwendig. Zweitens mussten Totzeiten und Totvolumen sowie weitere mögliche Fehler­einflüsse weitestgehend ausgeschlossen werden. Deshalb wurde die Messausrüstung auf höchstmögliche Genauigkeit abgestimmt.

Kombination von Auswerteverfahren
Für die Auswertung der angefallenen Daten kam eine neue Methode zum Einsatz. Diese basiert auf zwei erprobten Verfahren, die sich mathematisch nur gering unterscheiden. Beim ersten Verfahren wird die Filtrationsdauer pro Volumen, beim zweiten die Filtrationszeitdifferenz pro Volumendifferenz ausgewertet. Beide Verfahren wurden erstmals kombiniert, um den Startzeitpunkt der Filtration realistisch zu bestimmen. Auffällig ist dabei, dass das eine Verfahren auf unterschiedliche Messungen im Abstand von einer Zehntelsekunde viel dynamischer reagiert als das andere. Durch diese Abstimmung ist der Filtermittelwiderstand mit hoher Genauigkeit bestimmbar.
Die Ergebnisse helfen bei der Auslegung kontinuierlicher Filter: Hier beträgt der Filtermittelwiderstand auch bei optimiertem Gewebe meist rund 20 % des Gesamtwiderstands am Ende eines Filterzyklus‘ – also deutlich mehr als noch vor wenigen Jahren angenommen. Der Widerstandssprung fällt je nach Filtermittel sehr hoch aus. Genauer gesagt: Bei einer gröberen Gewebestruktur des Filtermittels wird der Widerstandseinfluss noch massiver. Besonders leicht zu filtrierende Stoffe werden typischerweise auf Filtern mit großem Porendurchmesser verarbeitet. Hier wurden Spitzenwerte von bis zu 50 % des Filtermittelwiderstands am Gesamtwiderstand bei Filtern mit hoher Leistung gemessen.

Effizientere Energieleistung kontinuierlicher Filter
Insgesamt konnte die bisherige Forschung also zeigen, dass der Filtermittelwiderstand die Trennarbeit in der Kuchenfiltration wesentlich beeinflusst. Dank der verbesserten theoretischen Grundlagen ist eine Reduzierung des Filtermittelwiderstands bei der Auslegung möglich. Das führt zu einer effizienteren Energieleistung der Filter – insbesondere bei Anlagen mit hohen Durchsatzraten – und damit zu geringeren Investitions- und Betriebskosten auf Seiten der Anwender. Um den Filtermittelwiderstand in Zukunft weiter zu verringern, ist jedoch zusätzliches Wissen über die physikalischen Zusammenhänge seiner Entstehung gefragt. Diese sind Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten.

Fokus auf Strömungsdetails dank CFD
Dabei erfreuen sich die Methoden der numerischen Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics, CFD) großer Beliebtheit. Mit ihnen lassen sich die extrem schnellen, mikroskopischen Vorgänge zu Beginn der Kuchenfiltration visualisieren und so zu geringen Kosten genauer untersuchen. CFD-Berechnungen erlauben eine Vorstellung davon, welche Strömungswechsel beim ersten Kontakt von Partikeln und Filtermittel stattfinden. Dabei stellt sich die Frage nach ähnlichen Vorgängen in anderen Filtrationsverfahren. Sowohl die Querstrom- als auch die Tiefenfiltration sind hier vergleichbar. Vor allem die bei letzterer im Gewebe beo­bachteten Vorgänge weisen Ähnlichkeiten zum Beginn der Kuchenfiltration auf.
Bei den CFD-Berechnungen stoßen herkömmliche Rechenmodelle unterdessen an ihre Grenzen. Neue Modelle sind für die komplexe Analyse dieser Vorgänge erforderlich. Zudem ist die Gültigkeit computergestützter Simulationen begrenzt. Daher dürfte der physikalische Hintergrund des Filtermittelwiderstands kaum allein über diese Verfahren vollständig zu verstehen sein. Aufgezeigte Ähnlichkeiten zu anderen Filtrationsverfahren weisen auf Alternativen zu CFD hin.
Da Unternehmen den erforderlichen Forschungsumfang kaum alleine meistern werden, sind nun vor allem wissenschaftliche Institute gefragt. Nach wie vor fehlt es an Wissen darüber, wie und warum sich in den ersten Momenten der Kuchenfiltration Partikel an das Gewebe des Filtermittels anlagern. Entsprechende Kenntnisse könnten in Zukunft dazu beitragen, den Widerstandssprung weiter zu reduzieren und der langfristigen Verunreinigung des Filtergewebes, deren Ursache ungeklärt bleibt, entgegenzuwirken.

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BHS-Sonthofen GmbH

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