Schwellenländer als Chance
Viele Armaturenhersteller investieren weltweit
Die einen fürchten die Schwellenländer, die anderen setzen auf sie: Die Konkurrenz durch Unternehmen aus den wirtschaftlich aufblühenden Staaten nimmt rapide zu, gleichzeitig gibt es dort aber auch ein starkes Bedürfnis nach Anlagen und Maschinen aus den westlichen Industrieländern, um den Aufschwung zu ermöglichen. Fest steht: Der Erfolg hat die Schwellenländer in den vergangenen Jahren verwöhnt, selbst wenn andere Staaten schwächelten. Letztlich eine Chance in unsicheren Zeiten für die exportierenden Industriearmaturenhersteller.
Das enorme Potential der Schwellenländer verdeutlichen diese Eckdaten: 40 % der Weltbevölkerung leben dort, ihr Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt liegt aber nur bei etwa 20 % – Tendenz steigend. Ein teilweise schlummernder, aber potenziell gigantischer Markt.
Rasante Entwicklung der BRICS-Staaten
Ein Blick auf den Weltenergie-Bericht von BP unterstreicht die rasante Entwicklung der sogenannten BRICS-Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Sie machen den Löwenanteil des weltweit um 2,5 % gestiegenen Energieverbrauchs im vergangenen Jahr aus. In China, Indien und Brasilien kletterte er um 5,3 %. Davon entfielen beispielsweise auf China 71 % des Mehrverbrauchs. Wachstum benötigt eben Energie.
Auch die weltweite Produktion untermauert die Entwicklung: Von 15 auf 25 % stieg dabei der Anteil der Schwellenländer zwischen 1995 und 2010. Für das weitere Wachstum benötigen diese Staaten Unterstützung. Die Industrienationen könnten den Heißhunger auf steigenden Wohlstand stillen helfen. Ein wertvoller Ausgleich dafür, dass viele europäische Länder und die USA wirtschaftlich stagnieren oder gar auf eine Rezession zusteuern.
Wichtige Beziehungsnetzwerke
Im Fokus der Industriearmaturenhersteller steht China. Das Reich der Mitte gehört – gemeinsam mit Russland und den USA – zu den Top-3-Absatzmärkten der deutschen Industriearmaturenhersteller. Das deutsche Armaturen-Exportvolumen nach China belief sich im ersten Halbjahr 2012 auf 192 Mio. €. Also: Ab in die Mitte!
Für KSB zum Beispiel ist China einer der bedeutendsten strategischen Märkte. Der Armaturen- und Pumpenhersteller besitzt im Reich der Mitte fünf Produktionswerke, sieben Vertriebsniederlassungen und vier Vertretungen. In China arbeiten mehr als 1.300 Beschäftigte für KSB.
Jüngst eröffnete KSB in Changzhou eine neue Fertigungsstätte für Absperrventile und -schieber. Auf 45.000 m2 Fläche entstanden Fertigungshallen sowie ein Logistik- und Lagerzentrum für Armaturen für verschiedenste Anwendungsbereiche. Kein Wunder, dass die KSB-Gesellschaften in der Region Asien/Pazifik mit 29 % das stärkste Wachstum verzeichneten. „Besonders kräftig erhöhten sich die Umsätze der Gesellschaften in China und Indien, wo KSB mehrere Werke betreibt“, erklärt das Unternehmen.
Auch die französische Firma Bernard Controls hat ihr internationales Netzwerk erweitert und in der chinesischen Metropole Shanghai ein Büro eröffnet. Eingerichtet wurde ein Schulungscenter für Kunden und für Mitarbeiter, wodurch das Wissen um elektrische Antriebe gesteigert wird. Die Firma hat in China bereits mehrere Auszeichnungen für die gute Kundenbetreuung erhalten.
Die Besonderheiten des Marktes erkannte auch Bomafa. „In China und Indien sind Beziehungsnetzwerke von großer Bedeutung“, betont Geschäftsführer Friedrich Appelberg. Ohne lokale Partner, die sich mit den kulturellen Gepflogenheiten auskennen, bekomme man als Ausländer „kaum ein Bein auf den Boden“. Zu Bomafas Strategie gehört die Gründung eines 100-prozentigen Tochterunternehmens, „um die Technologie unserer Regelarmaturen zu schützen.“ Zusätzlich sei Bomafa mit einem chinesischen Partner ein Joint Venture zur Fertigung von standardisierten Komponenten eingegangen. „Wir überlegen, auch in Indien ein Joint Venture einzugehen. Bisher arbeiten wir dort mit einem lokalen Handelsvertreter und haben den Markteintritt bei den wichtigsten Energieversorgern geschafft.“
Lukratives Ölgeschäft
In Brasilien winken den Armaturenherstellern insbesondere bei der Förderung, Verarbeitung und Nutzung von Öl gute Geschäfte. Das südamerikanische Schwellenland muss allerdings eine Hürde überwinden. Zwar schlummern enorme Rohstoffschätze im Meer – allerdings in großer Tiefe, was eine ausgereifte Technik auf hohem Qualitätsstandard notwendig macht. Der Amazonas-Staat will bis 2014 über 220 Mrd. US-$ investieren.
Ohne Hilfe der hoch technologisierten Industrieländer kann der Aufschwung Brasiliens nicht genügend Fahrt aufnehmen. So sucht die schnell prosperierende Stadt Macaé im Bundesstaat Rio de Janeiro nach Partnern für die Tiefseeförderung: Armaturenhersteller sind ausdrücklich willkommen.
Den brasilianischen Offshore-Markt für sich entdeckt hat Schuf Fetterolf. Um ihn besser bedienen zu können, hat das Unternehmen „entschieden, eine zweite Produktionsstätte in Brasilien zu eröffnen“, sagt CEO Roderick Stanley. Sie liegt in Nähe zu den Offshore-Ölfeldern nordöstlich von Brasilien. „Viele Kunden erwarten, dass es eine ortsnahe Unterstützung durch den Hersteller gibt.“ So arbeitet SchuF Fetterolf bereits mit Petrobas zusammen.
Handelsbarrieren überwinden
Allerdings gilt es, für Brasilien Handelsbarrieren zu überwinden. Das Land „ist außenwirtschaftlich noch recht abgeschottet“, berichtet Friedrich Appelberg von Bomafa. „Zum Teil werden Importzölle und Steuern von über 50 % auf Armaturen erhoben, um die einheimische Industrie zu schützen.“ Auch sei die Sprache ein wichtiger Faktor. „Wichtige Ausschreibungen bei nationalen Energieversorgern erfolgen zumeist nur auf Portugiesisch.“
Darauf hat sich Bomafa strategisch eingestellt. In Brasilien will das Unternehmen die Zusammenarbeit – insbesondere auch in der Produktion – mit einem lokalen Partner ausbauen. Appelberg: „Damit überwinden wir einerseits kulturelle Barrieren und andererseits können wir unsere Armaturen zu attraktiven Bedingungen anbieten.“
Also: Unternehmen sollten sich nicht von auftauchenden Hürden abschrecken lassen. Das wünscht sich auch Petrobas. Mit einer von der Außenhandelskammer in Rio de Janeiro organisierten „Petrobas-Roadshow“ wollte das Unternehmen in Hamburg die Potentiale und rechtlichen Rahmenbedingungen des brasilianischen Marktes bekannt machen. Deutsche Firmen und Hochschulen sollten hiermit für Partnerschaften gewonnen und für Ansiedlungen interessiert werden. Geplant ist, dass Ende 2012 eine hochrangige Petrobas-Delegation nochmals Deutschland besucht.
Auch große Konzerne aus Deutschland planen Anlagen am Zuckerhut. Evonik errichtet eine Fabrik, um Inhaltsstoffe für die Kosmetik- und Konsumgüterindustrie zu produzieren. Akzo Nobel investiert 80 Mio. € in den Bau einer neuen Chemical-Island-Zellstoffanlage. Wiederum eine günstige Chance für deutsche Armaturenhersteller, mit ihren hochwertigen Komponenten in Südamerika Fuß zu fassen.
El Dorado für Öl und Gas
Ein El Dorado an Öl und vor allem Erdgas ist Russland. Zahlreiche Industrieanlagen stammen allerdings noch aus der Sowjetunion. Einige müssen modernisiert werden, andere durch neue ersetzt werden. Ein Fall gerade auch für die deutschen Armaturenhersteller, wie die vergangenen Jahre zeigen. Die Nachfrage nimmt seit 2002 zweistellig zu, berichtet die Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation in Deutschland (HIK). Obwohl es in Russland eine recht starke Armaturenindustrie gebe, werde ein großer Teil der Nachfrage durch Importe gedeckt. Zu den wichtigsten Lieferanten gehörten dabei traditionell Hersteller aus Deutschland, so die HIK Russland.
Das schlägt sich in den Angaben des Statistischen Bundesamtes nieder: Bei den Exporten nach Russland gibt es jährlich zweistellige Wachstumsraten. Im ersten Halbjahr 2012 waren es im Vergleich zum Vorjahr 26 % – Mitte dieses Jahres liegt damit das Volumen bei 109 Mio. €. Damit gehöre Russland zu den drei wichtigsten Zielländern für den Export von Armaturen, bilanziert der deutsche Fachverband Armaturen im VDMA.
Die VAG-Gruppe hat in Russland bereits vor vier Jahren die Gesellschaft VAG-Armaturen Rus gegründet. Das Unternehmen zog auch fernab der Öl- und Gasindustrie interessante und lukrative Aufträge an Land. So liefert VAG etwa Absperrschieber für das Arzamas Watersupply System im Förderationskreis Wolga. Ein wichtiger Beitrag zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in der Industriestadt Arzamas.
Ein weiteres Beispiel: Für die Archangelsk Pulp and Paper Mill lieferte Metso einen Biomasse-Dampfkessel mit einer Kapazität von 60 MW – im ersten Quartal 2014 geht die Anlage ans Netz.
Erfahrungsaustausch in Indien
Auch Indien steht bei den Armaturenherstellern auf der Landkarte der wichtigen Abnehmer: Samson India eröffnete eine Produktionsstätte in Ranjangaon im Bundesstaat Maharashtra. Etwa 3,5 Mio. € wurden auf dem 18.000 m2 großen Gelände investiert, um den schnell wachsenden indischen Markt optimal zu bedienen. Gefertigt werden etwa Stellventile und -regler sowie Differenzdruckmesser. Im Fokus steht hier die chemische und petrochemische Industrie.
Aber es gilt für Indien, noch Vieles in Erfahrung zu bringen: Was bietet der Markt, worauf ist zu achten? Diese und andere Fragen beschäftigte das „Management Meeting“ für Tochtergesellschaften deutscher Industrie- und Gebäudearmaturenhersteller im indischen Pune. Organisiert vom VDMA Liaison Office, soll eine regelmäßige Austauschplattform für Armaturenhersteller in Indien etabliert werden.