Anlagenbau & Prozesstechnik

Schraubenverdichter speisen Biomethan ins Gasnetz ein

Versorgungssicherheit zählt

05.08.2020 - In der Energiewirtschaft zählt Versorgungssicherheit. Für die eingesetzten Systeme folgt daraus der hohe Anspruch an Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit.

Für die Einspeisung von Biomethan ins Erdgasnetz setzt der Energieversorger EWE Netz im Bereich der Vorverdichtung des Biomethans Aerzen Schraubenverdichter ein.

Biogas zu Biomethan aufbereiten und ins Erdgasnetz einspeisen: Dieser Weg stellt eine effektive Möglichkeit dar, den regenerativ erzeugten Energieträger speichern zu können. Im Gegensatz zur direkten Verstromung von Biogas vor Ort im Blockheizkraftwerk, ist vor der Einspeisung ins Erdgasnetz erzeugerseitig allerdings die Aufbereitung zu Biomethan notwendig. Für die Einspeisung mit speziellen Anlagen ist wiederum der örtliche Erdgasnetzbetreiber zuständig. Ein funktionaler Bereich ist hier die Vorverdichtung, für die EWE Netz Schraubenverdichter von Aerzen einsetzt. Dieser Prozess ist untergliedert in zwei Druckstufen. In der ersten Druckstufe kommen Aggregate von Aerzen zum Einsatz, für den Hochdruckbereich Kolbenverdichter von Neumann und Esser.

Gasqualität sicherstellen
Mit einem Übergabedruck von circa 100 mbar erreichen bis zu 700 Nm3 Biomethan einer Biogasaufbereitungsanlage im Landkreis Cloppenburg pro Stunde die Einspeisestation von EWE Netz. „Die Dichte an landwirtschaftlichen Betrieben ist hoch in dieser Region“, meint Christoph Benten, zuständig für Biogaseinspeiseanlagen bei EWE Netz. Der Energieversorger mit Hauptsitz in Oldenburg betreibt im Landkreis Cloppenburg weder die Biogasanlage noch die Aufbereitung. Vielmehr stellt das Unternehmen das Gasnetz und die Infrastruktur für die Einspeisung zur Verfügung. Der Energieversorger hat in dieser Konstellation die Verantwortung für die übergebene Biomethanqualitäten, die notwendige Druckanpassung sowie die Einstellung des Brennwertes für eine sichere Einspeisung von Biomethan ins Erdgasnetz. Einzuhalten sind dabei unter anderem die Richtlinien des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches). Festgelegt sind in Regelwerken unter anderem der übergebene Methangehalt, die Grenzwerte für Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff sowie der Wassertaupunkt. Bleibt das übergebene Biomethan innerhalb der Grenzwerte, wird mittels Schraubenverdichter der Druck von etwa 100 mbar auf 5 bar erhöht. Das Ortsnetz selbst wird mit einem Druck von 0,8 - 0,9 bar betrieben und versorgt die angeschlossenen Betriebe und Haushalte mit Erdgas bzw. eingespeistem Biomethan. Benten: „Der Gesetzgeber legt fest, dass wir bei der Einspeisung von Biomethan ins Erdgasnetz eine technische Verfügbarkeit der Einspeiseanlage von mindestens 96 % erreichen müssen.“ Aus diesem Grund hält EWE Netz einen Redundanzbetrieb von zwei baugleichen VMX 110 Aggregaten des niedersächsischen Maschinenbauers vor. Diese liefern jeweils eine Förderleistung von 700 Nm3 pro Stunde. „Geht eine Maschine in Störung, springt automatisch die zweite Maschine ein.“

Abgenommene Systemlösung
Verdichtung von Biomethan, Biogas sowie anderen Kohlenwasserstoff-Mischgasen: Genau dafür sind die ölgeschmierten direktangetriebenen VMX-Schraubenverdichter-Aggregate konzipiert. Die Reihe deckt in fünf Baugrößen im Dauerbetrieb Volumenströme bis 2.500 Nm3 pro Stunde ab und liefert einen Überdruck bis 16 bar. Für den Einsatz im Umfeld von Biogasanlagen sind die Aggregate entsprechend der Atex-Richtlinie 2014/34/EU sowie der Maschinenrichtlinie zertifiziert. Die VMX-Reihe erfüllt die neuesten Sicherheitsnormen der EN 1012-3 sowie das Regelwerk des DVGW für den Einsatz in Deutschland.

Eingebaut sind die Schraubenverdichter in der Einspeiseanlage im Landkreis Cloppenburg in einem kompakten Betongebäude, das direkt neben der Biogasaufbereitung der Biogasanlagen platziert ist. Konzipiert ist die Einheit als anschlussfertiges System, das sich entsprechend schnell in Betrieb nehmen lässt. „Vorteile der kompakten Modulbauweise sind der schnelle und unkompliziert Aufbau vor Ort und die Möglichkeit, die Anlage für den Umzug an einen anderen Standort auch relativ einfach wieder abbauen zu können“, sagt Benten. Die beiden Schraubenverdichter hat Aerzen als Komplettsystem geliefert.

In den Händen der Elektrotechnik Schaumburg (ELOG) lag die Engineering-Begleitung im Bereich EMSR Technik, der Schaltanlagenbau bis hin zur Inbetriebnahme sowie die Integration des Systems in eine übergeordnete Steuerungs- bzw. Leitebene. Der Energieversorger gibt für seine Standorte ein Basic-Engineering sowie die Definition der Schnittstellen für den Signalaustausch mit dem Leitsystem vor. Benten: „Uns geht es bei diesem schlüsselfertigen Anlagenbau darum, dass die eingesetzte Technik mit wenig Störungen hochverfügbar arbeitet.“

Unterschiedliche Gasqualitäten
EWE stellt mittels eichamtlicher Gasanalysen die Qualität des übergebenen Biomethans fest und verifiziert hierdurch die geforderten Grenzwerte in einer Abschaltmatrix. Erreicht das übergebene Biomethan nicht die geforderten Übergabeparameter, wird die Einspeisung ins Erdgasnetz so lange gestoppt, bis die Grenzwerte wieder eingehalten werden. Sobald Biomethan ins Erdgasnetz eingespeist wird, muss der Energieversorger den Brennwert des übergebenen Biomethans mit dem aktuellen Brennwert innerhalb des einzuspeisenden Erdgasnetzes abgleichen und das Biomethan dementsprechend anpassen. Hier unterscheiden sich zwei Arten der Anpassung (Konditionierung), welche abhängig vom örtlichen Erdgasnetz sind. Aktuell gibt es in Deutschland zwei Brennwertbänder innerhalb der Erdgasnetze. Hierbei handelt es sich um das L-Gasnetz (niederkalorischer Bereich) sowie das H-Gasnetz (hochkalorischer Bereich). Bei der Einspeisung in ein L-Gasnetz ist dem Biomethan Luft zuzumischen, um den Brennwert zu senken. Bei der Einspeisung in ein H-Gasnetz ist der Brennwert mit einer Zumischung von Flüssiggas (LPG) wiederum anzuheben. Die exakte Zudosierung von Luft oder LPG wird automatisch über Gasmischer eingestellt. Aktuell laufen in Deutschland und bei EWE Projekte zur Umstellung von L-Gasnetzen auf H-Gasnetze, da die Verfügbarkeit von L-Gas limitiert ist.

Eine weitere Unterscheidung bei der Einspeisung findet sich darin, in welches Netz eingespeist wird. Das örtliche Verteilnetz arbeitet mit maximal 1 bar, das Hochdrucknetz mit bis zu 70 bar. Solange Aufnahmekapazitäten innerhalb des örtlichen Verteilnetzes gegeben sind, speisen die Schraubenverdichter aus Aerzen ein. Kommt es zu einem Aufnahmeengpass, springt automatisch die Einspeisung ins Hochdrucknetz ein. Dann übernehmen Kolbenverdichter von Neumann und Esser die Arbeit. Die Schraubenverdichter bleiben in Betrieb und erzeugen den Vordruck für die Hochdruckverdichter. Dieser Aufbau führt dazu, dass die Kolbenverdichter aus energetischen Gründen nur dann zum Einsatz kommen, wenn das Ortsnetz nichts mehr aufnimmt und 70 bar Einspeisedruck notwendig sind.

Fazit
Mit der Einspeisung von Biomethan in das vorhandene Erdgasnetz verbessern sich die Speichermöglichkeiten von Biogas sowie die Nutzung der erzeugten Energie unabhängig vom Standort der Biogasanlage. Zudem ist eine zeitliche Entkopplung von Erzeugung und Nutzung möglich. Die Infrastruktur des Erdgasnetzes mit den zugehörigen Kavernen gilt in Deutschland mit einer Gesamtlänge von 530.000 km als gut ausgebaut. Komplette Systemlösungen bei der Verdichtung und Einspeisung des Gases machen es den Netzbetreibern einfacher, neue Standorte zu erschließen.

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