Schlüsseltrends im Prozessmanagement
Prozessmanagement ist kein Selbstzweck mehr, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit
Prozessmanagement leistet einen wichtigen Beitrag bei der Reduzierung von Kosten, zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen und bei der Identifizierung von Einsatzmöglichkeiten für neue Technologien, wie z. B. der künstlichen Intelligenz (KI).
Angesichts steigender Energiekosten, instabiler Lieferketten, zunehmender Ressourcenknappheit und steigender regulatorischer Anforderungen sind Chemie- und Pharmaunternehmen mehr denn je gefordert, ihre Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu gestalten, um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Insbesondere mittelständisch geprägte Unternehmen mit ca. 1 bis 5 Mrd. EUR Umsatz stehen dabei zunehmend im Spannungsfeld zwischen den Vorteilen einer lokalen Ausrichtung von Prozessen und Geschäftspraktiken – geprägt durch dezentrale Entscheidungsfindung und unternehmerische Freiheit – und den Vorteilen einer stärkeren globalen Harmonisierung und Standardisierung von Prozessen sowie unterstützenden IT-Systemlandschaften. Verschärft wird dieser Konflikt, wenn Unternehmenszukäufe zwar die Marktposition stärken, aber ein klares Konzept für die Integration der Zukäufe in die bestehenden Unternehmensstrukturen fehlt.
Die organisatorischen Fähigkeiten des Prozessmanagements im Unternehmen spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Der intelligente Einsatz geeigneter Technologien (z. B. zur Prozessmodellierung und -analyse) ermöglicht es, bestehende Prozessabläufe und -varianten (Ist-Prozess) mit dem Prozessstandard (Soll-Prozess) zu vergleichen und Ursachen für Ineffizienzen und Verschwendung aufzudecken sowie zu vermeiden. Prozessmanagementkompetenzen wirken darüber hinaus als Treiber für die Zielerreichung übergeordneter Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Organisationseffizienz.
Harmonisierung, Standardisierung und kontinuierliche Optimierung von Prozessen bilden den Rahmen für eine erfolgreiche Transformation, ohne dabei notwendige lokale oder regionale Besonderheiten zu ignorieren. „Freiheit im Rahmen“ ist die Formel, mit der die Einführung und operative Akzeptanz des Prozessmanagements erreicht werden kann.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass Prozessmanagement in allen Branchen und Segmenten relevant ist. 78 % der Teilnehmenden aus dem Segment Chemie, Pharma, Rohstoffe schätzen die Bedeutung von Prozessmanagement als wichtig oder sehr wichtig ein. Im Vergleich zur Vorgängerstudie 2021 ist die Bedeutung in diesem Segment um 13 Prozentpunkte gestiegen.
Schlüsseltrends machen Nutzen von Prozessmanagement sichtbar
Auch hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen im Prozessmanagement liefert die Befragung neue Erkenntnisse. Insbesondere Schlüsseltrends aus anderen Bereichen werden auch im Prozessmanagement als wichtige Treiber gesehen, so z.B. der Einsatz von KI-Technologien: 64 % der Studienteilnehmer gehen davon aus, dass KI-Technologien bis 2027 zur Prozessoptimierung eingesetzt werden. Der Einsatz von KI ermöglicht schnellere Erkenntnisse und Vorhersagen (78 %), Effizienzsteigerungen bei der Automatisierung (76 %) und Echtzeitwarnungen bei der Prozessüberwachung (75 %).
Ein weiterer wichtiger Trend ist die Integration des Prozessmanagements in Transformationsprojekte. Dabei steht vor allem der prozess orientierte Ende-zu-Ende-Ansatz im Vordergrund. Jede zweite Einführung von Prozessmanagement ist in ein großes Transformationsprojekt eingebettet (integriertes Business Process Management (BPM)), wobei Operational-Excellence-Initiativen (18 %) an erster Stelle stehen, gefolgt von SAP S/4HANA-Projekten (16 %).
Ein weiterer erkennbarer Trend ist der Einsatz von Prozessmanagement im Kontext des Nachhaltigkeitsmanagements bzw. zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von Unternehmen.
Prozessmanagement fördert ökologische Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist in der Chemie- und Pharmaindustrie von entscheidender Bedeutung, da diese Branche aufgrund ihrer komplexen und ressourcenintensiven Produktionsprozesse besondere Anforderungen an die Minimierung von Umweltauswirkungen und die Einhaltung strenger regulatorischer Vorgaben stellt. Dazu gehören umweltfreundliche Herstellungsverfahren und die Entwicklung nachhaltiger, sicherer Produkte, um den hohen Standards der Branche gerecht zu werden. 61 % der Teilnehmenden aus der Chemie- und Pharmaindustrie halten Nachhaltigkeit für einen wichtigen Treiber zum Ausbau von Prozessmanagementfähigkeiten in ihrer Organisation.
Nachhaltigkeit kann durch Prozessmanagement dauerhaft gestärkt werden, indem die Unternehmensprozesse vom Einkauf der Rohstoffe über deren Anlieferung an die Produktionsstätte, die Herstellung der Endprodukte und deren Auslieferung an den Endkunden bis hin zur Entsorgung ganzheitlich auf ihre Umweltauswirkungen hin bewertet, angepasst und ständig überwacht werden.
Fakten schaffen durch Prozessleistungsmessung
Prozessmanagement ist dann erfolgreich, wenn durch datengestützte Prozessanalyse und -optimierung der Nutzen messbar wird und Prozesse durchgängig und nachhaltig im Sinne der Unternehmensziele gesteuert werden. Dabei kann Process Mining als Methode zur Messung der Prozessleistung in Kombination mit definierten Key Performance Indicators (KPIs) eingesetzt werden. Denn Process Mining ist nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ein Fenster in die Zukunft der Prozessoptimierung, das Unternehmen dabei unterstützt, die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und die Performance ihrer Geschäftsprozesse kontinuierlich zu verbessern.
Als wichtigste Ziele für den Einsatz von Process-Mining-Lösungen nennen die Befragten eine Verbesserung der Prozessqualität (36 %), Kosteneinsparungspotenziale (33 %) und Prozessautomatisierungspotenziale (32 %). Durch die gewonnene Prozesstransparenz ist es möglich, die richtigen Maßnahmen abzuleiten und die realisierbaren Potenziale bei der Umsetzung nachhaltig zu messen.
Die Studie zeigt auch, dass die operative Nutzung von Process Mining in den letzten drei Jahren um elf Prozentpunkte gestiegen ist. Dennoch setzt derzeit nur jedes fünfte Unternehmen Process Mining operativ ein (20 %). Gründe hierfür sind die fehlende Verankerung des Einsatzes von Process Mining durch klare Prozessrollen, eine Governance-Struktur und ein Reporting. Process Mining bietet ein großes Potenzial, Prozessabläufe effizient zu verschlanken. Um den Herausforderungen in der Umsetzung zu begegnen, sind eine begleitende Prozessstrategie und das Commitment der betroffenen Fachbereiche notwendig.
Nachhaltiges Prozessmanagement führt zum Unternehmenserfolg
Der Nutzen von Prozessmanagement lässt sich qualitativ und quantitativ anhand verschiedener Schlüsseltrends aufzeigen. Um den Nutzen für den eigenen Unternehmenserfolg gewinnbringend zu realisieren, ist es notwendig, die Fähigkeiten für ein nachhaltiges Prozessmanagement zu entwickeln und die einzelnen Komponenten zielgerichtet einzusetzen.
Dabei sollten Unternehmen die folgenden sechs Schritte beachten:
- BPM-Vision, strategische Prozessziele und Fokus auf wertschöpfende Anwendungsfälle definieren
- Stärkung der Prozessmanagementfähigkeiten der Organisation und Mobilisierung durch Onboarding, Training und Incentives
- Messung der Prozessleistung etablieren und Wertbeitrag des Prozessmanagements sichtbar machen
- Förderung des Kulturwandels verbunden mit einer neuen Arbeitsweise hin zu ergebnisorientierter Prozessverbesserung
- Nutzung der Vorteile künstlicher Intelligenz und Optimierung der Arbeitsbelastung der Prozessrollen
- Optimierung der eigenen Prozesse durch die Anwendung von Nachhaltigkeitsprinzipien, um Ressourcen zu schonen
Durch die Implementierung eines nachhaltigen Prozessmanagements und der damit verbundenen Strukturen fungieren diese als Treiber für zukünftige Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsprogramme.
Die komplette „Prozessmanagement & Analytik Studie 2024“ mit den detaillierten Ergebnissen unter dem Namen „Prozessexzellenz durch Kompetenzaufbau und digitale Werkzeuge“ kann hier heruntergeladen werden.
Autoren:
Jan Bernstorf, Director, BearingPoint GmbH, Frankfurt
Tiffany Engling, Managerin, BearingPoint GmbH, Düsseldorf
„Prozessmanagementkompetenzen wirken als Treiber für die Zielerreichung übergeordneter Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Organisationseffizienz.“
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Zur Person
Jan Bernstorf ist seit 2001 bei BearingPoint tätig und derzeit Director. Der Volkswirt leitet das BPM-Team im Chemie- & Pharmasegment und hat eine Vielzahl international ausgeprägter Projekte zur Einführung und Weiterentwicklung von Prozessmanagementstrukturen sowie Operational-Excellence-Methoden begleitet. Von 2013 bis 2017 war er als stellvertretender Geschäftsführer am Aufbau des China-Geschäfts in Schanghai beteiligt.
„78 % der Teilnehmenden aus dem Segment Chemie, Pharma, Rohstoffe schätzen die Bedeutung von Prozessmanagement als wichtig oder sehr wichtig ein.“
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Zur Person
Tiffany Engling studierte Wirtschaftschemie (M.Sc.) und ist seit 2018 bei BearingPoint tätig. Sie ist derzeit Managerin und spezialisiert auf die Umsetzung von Business Process Management mit Fokus auf Process Mining für Unternehmen der Chemie- & Pharmabranche. Dabei leitet sie Projekte im Rahmen von Operational-Excellence-Initiativen als auch großangelegten Digitalisierungsprogrammen.