Rinspeed implementiert neue Technologien und Werkstofflösungen in den Automobilbau
13.10.2015 -
Die Vision des autonomen Fahrens wird schon bald zur Realität werden und die Beziehung des Menschen zum Automobil grundlegend verwandeln. Während in den Forschungszentren der Automobilindustrie noch an technischen Lösungen gearbeitet wird, sind Vordenker wie die Schweizer Ideenfabrik Rinspeed bereits dabei sich konkrete Gedanken zu machen, wie der automatisierte Individualverkehr das Auto und das System Mensch-Maschine verändern wird.
Seit 1991 präsentiert Rinspeed jährlich neue Kreationen, die auch die Leistungsfähigkeit moderner Chemiewerkstoffe im Automobilbau demonstrieren. In Kooperation mit zahlreichen Industrieunternehmen (Foto unten links, aktuelle Partner) treibt Firmengründer und CEO Frank M. Rinderknecht den technologischen Fortschritt auf dem Gebiet der Mobilität stetig voran. „Mischbauweisen und der Einsatz leichter Materialien werden eine immer größere Rolle spielen und die Wiederverwertung aller verbauten oder verwendeten Materialien ist ein Muss!“, so der Autovisionär gegenüber CHEManager.
Chemie im Auto
Hightech-Werkstoffe aus der Chemieforschung haben ihren Siegeszug im Automobilbau nicht erst seit dem Beginn der Entwicklung von neuen Antriebskonzepten wie der E-Mobilität angetreten und sind vor allem im Karosseriebau zur Gewichtsersparnis und Realisierung neuer Konstruktionsmöglichkeiten für den Markterfolg solcher Fahrzeuge entscheidend. Seit langem schon verrichten Chemikalien ihre wertvollen Dienste im Verborgenen, z.B. in Reifen, Airbags, Lacken oder Schmierstoffen, und tragen so zu mehr Sicherheit, Kraftstoffeffizienz und Umweltverträglichkeit von Autos bei. Nun halten immer mehr Technologien in Automobilen Einzug, für die Substanzen und Materialien aus Chemielaboren als „Enabler“ wirken, sei es in Flüssigkristall-Displays oder in LED-Beleuchtungssystemen.
Roboterarm mit Lenkrad
Aber auch andere Technologien, die man nicht in Fahrzeugen vermuten würde, sind inzwischen im Automobil angekommen. Bestes Beispiel ist die neueste Schöpfung von Rinspeed: das im Frühjahr auf dem Genfer Autosalon 2015 vorgestellte elektrisch angetriebene, selbstfahrende Konzeptfahrzeug „Budii“. In dem transurbanen Sports Utility Vehicle (SUV) – so die von den Schweizern erdachte Gattungsbezeichnung –ist das Lenkrad an einem aus der Fertigungsindustrie bekannten Roboterarm befestigt (Foto unten rechts). Wollen die Insassen auf einer kurvenreichen Landstraße oder im Gelände einfach Spaß haben, dann übergibt der Roboterarm ganz nach Wunsch dem Fahrer oder dem Beifahrer das Lenkrad und damit das Kommando.
Die sensitive 7-Achs-Einheit des Augsburger Anlagen- und Systemtechnikentwicklers Kuka dient aber nicht nur als Lenksäule. Sie ermöglicht theoretisch unendlich viele Einstellmöglichkeiten: Beim automatisierten Fahren im täglichen Pendlerverkehr verstaut sie beispielsweise das Volant raumsparend in der Mitte oder sie dient als Ablagetisch oder zuvorkommender Butler. Möglich macht dies die multiredundante „Steer-by-Wire"-Technologie von Paravan.
Autonomes Fahren
Für Rinspeed ist der Roboterarm im „Budii“ Sinnbild und Denkanstoß zugleich. Frank M. Rinderknecht formuliert es so - und bezieht sich dabei auf eine gemeinsame Studie mit dem Beratungsunternehmen Ernst & Young: „Beim selbstfahrenden Auto geht es in den kommenden zwei Dekaden um mehr als die Lösung technischer Probleme und juristischer Fragen. Wir müssen die Beziehung zwischen Mensch und Maschine neu definieren, aber auch Fragen um Verantwortung, Toleranzen und Erwartungshaltungen in den Raum stellen.“
Autonomes Fahren eröffne zweifellos die Chance den Verkehr menschenfreundlicher zu gestalten und die Zahl der Verkehrsunfälle weltweit zu senken. „Aber auch die beste Technik wird nicht perfekt sein, obgleich sie fehlerfreier als der Mensch agieren wird. Das werden wir akzeptieren müssen“, findet der Chef der Schweizer Automobil-Denkschmiede. „Künftig wird das Auto dasselbe tun wie wir: Es wird täglich dazulernen und dadurch die komplexen Anforderungen des modernen Individualverkehrs immer besser meistern.“ Dazu wird „Budii“ Informationen aus seiner Umwelt und die eigenen „Erfahrungen“ sowie die anderer Fahrzeuge entlang seiner Route berücksichtigen. Das Langzeitresultat ist ein kognitiver und intuitiver Autopilot.
Innovative Funktionen
Das völlig neue Bedien-und Anzeigekonzept des SUV mit zahlreichen innovativen Entertainment-, Sicherheits- und Servicefunktionen basiert auf einer Plattform des Infotainment-Spezialisten Harman. Die Technologien des Rinspeed-Partners integrieren sämtliche Features des Robo-Cars und erwecken „Budii“ quasi zum Leben. Das System erkennt selbstständig die Gewohnheiten und Vorlieben des Fahrers und reduziert dadurch die notwendigen Bedienschritte auf ein Minimum. So wird das Auto zu einem lernenden, vorausschauenden Weggefährten.
Die Harman-Audiosparte steuert das Premium-Soundsystem der Marke Harman Kardon bei, so dass „Budii“ seine Passagiere mit Musik in bester HD-Qualität verwöhnt. Das HMI-Design gestaltete die Firma Luxoft, den Alu-Leichtbaurahmen für das Zentraldisplay das Unternehmen Georg Fischer Automotive. NXP sorgt mit seinen intelligenten Vernetzungstechnologien für die sichere Verbindung des Autos und der Passagiere zur Außenwelt. Dazu gehören Radar- und Vehicle-to-X-Lösungen ebenso wie das automatische Bezahlen des Parkplatzes per NFC, Handyaufladung mittels „Wireless Power Charging“, smarte Zugangslösungen und Funkschlüssel, um das Fahrzeug zu öffnen, zu starten und zu personalisieren. Darüber hinaus sorgen Solid State Lighting-Produkte für die richtige LED-Beleuchtung am Fahrzeug.
Konstruktive Details
Den elektrisch angetriebenen Hingucker auf Basis des BMW „i3“ konstruierte - einer langjährigen Tradition folgend - die eidgenössische 4erC GmbH, Esoro kümmerte sich um die technische Umsetzung und stellte „Budii“ auf sportliche 8-Doppelspeichen-Aluräder mit 19-Zoll Durchmesser von Borbet.
Zu den Leckerbissen gehört die um 100 mm höhenverstellbare Luftfederung, die auch in Zukunft lustvolle Ausflüge abseits des Alltags ermöglicht. Ein „TrackView“ genanntes um 70 cm ausfahrbares Teleskop auf dem Dach liefert dabei per Sensorfusion eine genaue 3D-Vorausschau. Es scannt mit einem Laser der Hamburger Firma Ibeo Automotive Systems und visualisiert über eine hochauflösende Kamera von Kappa Optronics die Unebenheiten des Terrains. Damit werden nicht nur Höhe und Federung entsprechend justiert, sondern es erlaubt dem Fahrer auch mögliche Hindernisse frühzeitig zu erkennen und zu umfahren, sogar autonom.
Für einen komfortablen Zugang zum Innern sorgt das innovative elektrische Türöffnungs- und -schließsystem des Technologieführers Kiekert, für Privatsphäre beim automatischen Fahren ein falt-und individuell bedruckbares Fächersystem von Zypalis.
Vordere und hintere Multifunktionspaneele des Schweizer Unternehmens Weidplas integrieren Blinker, Brems- und Rückleuchten und halten mit ambienten Lichteffekten und Kommunikationselementen Kontakt zu anderen Verkehrsteilnehmern. Die darin integrierten Lichtleiter und semi-transparenten Abdeckungen dieser Paneele bestehen aus PMMA von Evonik welche mit Sika Klebe- und Dichtungsmaterialien fixiert wurden.
Luxus-Uhr inklusive
Der Blick durch das Lenkrad trifft übrigens auf den intelligentesten Uhrenaufzieher der Welt. Durch ausgeklügelte Bewegungen zieht der Robo-Arm das Uhrwerk der Luzerner Uhrenmanufaktur Carl F. Bucherer auf sobald die hochauflösende Kappa Kamera im Innenraum erkennt, dass die auf dem Zifferblatt angezeigte Gangreserve zur Neige geht. Ja, manchmal sind sie auch ein wenig verspielt beim eidgenössischen „Think Tank“ und „Mobility Lab“ Rinspeed. (mr)
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