Anlagenbau & Prozesstechnik

Ressourceneffizienz durch Digitalisierung in Chemieanlagen

Wie kann der Verbrauch von Energie und Material bei der Herstellung chemischer Produkte weiter gesenkt werden?

15.06.2022 - Wie kann der Verbrauch von Energie und Material bei der Herstellung chemischer Produkte weiter gesenkt werden? Einsparpotenziale lassen sich entlang des gesamten Herstellungsprozesses durch den Einsatz von Digitalisierungstechnologien identifizieren und umsetzen.

Wie kann der Verbrauch von Energie und Material bei der Herstellung chemischer Produkte weiter gesenkt werden? Einsparpotenziale lassen sich entlang des gesamten Herstellungsprozesses durch den Einsatz von Digitalisierungstechnologien identifizieren und umsetzen. Ziele können eine bessere Prozessstabilität oder vorausschauende Wartung sein. 

Die Herstellung von Chemikalien und anderen Produkten der chemischen Industrie ist sehr material- und energieintensiv. So ist das Potenzial zur Steigerung der Ressourceneffizienz in der Produktion sehr hoch. Seit je her wurden die stoffwandelnden Prozesse der chemischen Industrie mit dem Ziel optimiert, Material- und Energiekosten zu reduzieren. Positiver Nebeneffekt: Eingesetzte Energie- und Materialmengen wurden dabei in großen Mengen eingespart. Um weiteres Verbesserungspotenzial bestehender und zukünftiger Prozesse und Verfahren zu nutzen, bietet sich die Anwendung von Digitalisierungstechnologien an.
Energie und Material kann durch den Einsatz von Digitalisierungstechnologien entlang des gesamten Produktionsprozesses eingespart werden: Von der Entwicklung, der Planung und Optimierung von Produktionsverfahren über den Produktionsbetrieb bis hin zum Unterhalt der Infrastruktur. Die Ziele bei der Optimierung von Herstellungsverfahren durch den Einsatz digitaler Technologien sind unterschiedlich: So soll bspw. die Prozessstabilität erhöht werden, um möglichst wenig Ausschuss zu produzieren und Prozesse am optimalen Betriebspunkt zu fahren. Oder es ist eine vorausschauende Wartung gewünscht, um Ausfälle von Infrastrukturanlagen und -maschinen zu reduzieren. Im Folgenden werden einige Ansatzpunkte zur Steigerung der Ressourceneffizienz durch digitale Technologien vorgestellt.

Intelligentes Engineering und Prozess-/Anlagenverbesserung
Beim Planen, Auslegen und Inbetriebnehmen (Engineering) von Prozessen und Anlagen haben sich Ingenieure von Anfang an moderner digitaler Hilfsmittel wie Simulationsprogramme und Modellierungssoftware bedient, sobald diese verfügbar waren. Im Zuge der industriellen Digitalisierung der letzten Jahre hat die Anzahl dieser digitalen Hilfsmittel sowie ihre Funktionalitäten erheblich zugenommen. Werden diese eingesetzt, erhöhen sich die Anlagenstabilität und -sicherheit deutlich, was zu einer Steigerung der Energie- und Materialeffizienz führt. 
Ein digitaler Zwilling der Anlage ermöglicht bspw. bereits während der Planungsphase alle Prozessabläufe sowie sämtliche zum Einsatz kommenden Apparate und Maschinen auszuwählen und zu simulieren. Prozesse lassen sich so gestalten, dass Energie- und Materialverbrauch bzgl. der eingesetzten Anlagenkomponenten sowie während der Betriebsphase minimiert werden. Ein weiteres Beispiel ist die virtuelle Inbetriebnahme: Anhand eines Simulationsmodells wird die projektierte Anlage inklusive des Automatisierungssystems vor der eigentlichen Anlageninbetriebnahme getestet. Fehler werden bereits im Vorfeld identifiziert, Anlagenausfälle und Fehlchargen während des Hochfahrens der Anlage dadurch reduziert.
In der prozessorientierten Industrie gehören regelmäßige Prozess- und Anlagenverbesserungen zum Produktionsalltag. Im Zuge der industriellen Digitalisierung wurden bestehende Hilfsmittel für eine Optimierung deutlich verbessert und leistungsfähiger bzw. es wurden gänzlich neue Hilfsmittel entwickelt, bspw. können Prozessverbesserungen durch den Einsatz von Systemen basierend auf künstlicher Intelligenz (KI) wie Maschine Learning noch zielgenauer mit einer höheren Einsparung an Energie- und Materialmenge erzielt werden. Grundlage hierfür ist, eine solide Datengrundlage zu erfassen und bereitzustellen. 

Intelligente Instandhaltung der Anlage
Eine Produktionsanlage und die angegliederten Infrastrukturelemente instand zu halten, trägt wesentlich zur Verlängerung der Anlagenlebensdauer bei. Dabei sind die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) und situative Instandhaltung entscheidende Elemente für die Steigerung der Ressourceneffizienz. Denn wird die Anlage bedarfsgerecht instandgesetzt, kann der Ausfall eines Elements und der in der Regel einhergehende Energie- und Materialverlust verhindert werden. Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung wurden diverse Hilfsmittel wie Sensoren und Software für eine vorausschauende intelligente Anlageninstandhaltung entwickelt. 
So werden bspw. durch eine Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) von Maschinen und Anlagen anhand von Sensoren Messdaten erhoben, die direkt oder indirekt Aussagen über den aktuellen Zustand geben können. Dadurch werden folgende Vorteile, die zur Steigerung der Ressourceneffizienz beitragen, erzielt: Überwachung von Betriebszuständen sowie eine optimale Ausnutzung der Anlagenleistungsfähigkeit und der gesamten technischen Lebensdauer der zugehörigen Apparate, Maschinen und Bauteile.
Mittels der Daten aus dem Condition Monitoring und durch Anwendung von Methoden der Predictive Maintenance können Ausfallwahrscheinlichkeiten für ein bestimmtes Bauteil (z. B. eine Pumpe) berechnet werden. Dadurch werden Fehlchargen durch spontane Ausfälle von Apparaten und Maschinen vermieden – somit die Prozesssicherheit gesteigert und Stillstandzeiten minimiert.

Smarte Produktionsinfrastruktur
Eine digitalisierte Infrastruktur enthält bspw. Steuer- und Regelungssysteme, die sehr zielgenau eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Energie- und Stoffströmen ermöglichen. Darüber hinaus lassen sich durch digitalisierte Prozesse Daten sammeln und verarbeiten, um daraus einen optimierten Betriebsablauf abzuleiten. Eine smarte Produktionsinfrastruktur ist ein großer Hebel, um Energie- und Materialmengen in der chemischen Produktion zu reduzieren. Zum Beispiel lassen sich durch smarte Ventile (Ventile mit zusätzlichen Sensoren und Schnittstellen) ohne großen Aufwand Daten zu Prozessparametern (z. B. Temperatur) sammeln, mit denen zeitnah Rückschlüsse auf den Prozesszustand möglich sind.

Unterstützung für mehr Ressourceneffizienz
Kostenlose Instrumente zur Unterstützung der Entwicklung und Optimierung von chemischen Produktionsverfahren stellt das VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) online zur Verfügung: Das Arbeitsmittel „Ressourceneffiziente Chemieanlage 4.0“ enthält Digitalisierungstechnologien und Anwendungsbeispiele zur Steigerung der Ressourceneffizienz in der Produktion. Das Tool ist unter www.ressource-deutschland.de/chemieanlage abrufbar. Des Weiteren können Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Innovationsradar der VDI ZRE Webseite www.ressource-deutschland.de/instrumente/innovationsradar für einen Einblick in weitere Entwicklungen recherchiert werden. Diese Angebote erstellt das VDI ZRE im Auftrag des Bundesumweltministeriums.

Katja Saulich, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH (VDI ZRE), Berlin

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