Infraserv Höchst nutzt Digitalisierung für Anlagenbetrieb
Serviceunternehmen setzt Sensoren zur investigativen Instandhaltung ein
Die Digitalisierung bietet die Chance, Anlagen und Prozesse effizienter, wirtschaftlicher und nachhaltiger zu gestalten. Der Standortbetreiber Infraserv Höchst setzt vielfältige digitale Technologien ein, um den Betrieb und die Instandhaltung von Industrieanlagen zu optimieren.
Statt präventiver Wartung und Instandhaltung in festen Zeitintervallen nutzt Infraserv Höchst Prozesstechnik (IPT) Sensoren zur investigativen Instandhaltung, um die Effizienz von Anlagen zu erhöhen und ungeplante Ausfälle sowie Folgekosten zu vermeiden. Im Industriepark Höchst erfassen etwa 450 Sensoren an neuralgischen Punkten von Geräten und Anlagen laufend die Betriebs- und Zustandsdaten und leiten diese zur Auswertung weiter.
„Wir geben unseren Kunden die Möglichkeit, Daten zu generieren, die es heute noch nicht gibt“, erläutert Dirk-Harald Bestehorn, Leiter Asset Management Engineering. „Die Sensoren reagieren empfindlich auf minimale Abweichungen, die wir sonst gar nicht wahrnehmen würden. So können Anomalien und Trends frühzeitig erkannt werden.“ Falls die Sensorik einen Instandsetzungsbedarf anzeigt, können die Kunden auf das Dienstleistungsportfolio der IPT zurückgreifen. Dadurch arbeiten Anlagenbetreiber nicht nur effizienter, sondern sparen auch Ressourcen ein.
Die Kunden entscheiden, wie viel Unterstützung sie bekommen möchten – von der Infrastruktur, Datenerhebung und -speicherung sowie Visualisierungsmöglichkeiten über Messaging- und Reporting-Services bis zu Datenanalyse und Optimierung der Anlagen. Das Tochterunternehmen von Infraserv Höchst setzt auf ein herstellerübergreifendes Sensor-Netzwerk und stattet jede beliebige Anlagenkonfiguration mit den für den Anwendungsfall benötigten Sensoren aus. Eingesetzt werden die Sensoren z. B. in den Bereichen Schwingung und Temperatur, Füllstand sowie Luftfeuchte und Temperatur. Zur Früherkennung von Schäden an rotierenden Maschinen wie Turbinen, Lüfter, Gebläse oder Pumpen eignet sich insbesondere die Messung von Schwingungen. Auch im Bereich Kälte-Kühlung-Wasser werden Schwingungssensoren zur Überwachung der Maschinen genutzt. Das kontinuierliche Monitoring ermöglicht Rückschlüsse auf Verschleiß und bevorstehende Ausfälle von Komponenten, indem alle Anomalien im Betrieb erkannt, ausgewertet und auf Basis der Gerätehistorie klassifiziert werden.
Die Sensordaten werden an den jeweiligen Betrieb übermittelt und können über das im Industriepark Höchst installierte drahtlose LoRaWAN (Long Range Wide Area Network, Niedrigenergie-Weitverkehrsnetzwerk) kilometerweit gesendet werden. Dieses Datennetzwerk gewährleistet auch in gut abgeschirmten Arealen eine zuverlässige, sichere und verschlüsselte Verbindung. Um die gesammelten Daten sicher zu verwalten, verwendet der Dienstleister eine eigene Cloud-Plattform. Zusätzliche Datenquellen und Prozessleitsysteme der Kunden können bei Bedarf angebunden werden. Das ermöglicht eine weitergehende Analyse der Daten zur Optimierung der Anlagenbetriebsweise und -verfügbarkeit mithilfe der Data Scientists und Spezialisten.
Energieoptimale Steuerung mit digitalem Zwilling
„Wir nutzen die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens, um versteckte Muster in Daten zu finden, die sich der menschlichen Wahrnehmung entziehen und Mehrwerte generieren können“, erklärt Frank Mollard, Leiter Data Science & Data Engineering. Mithilfe statistischer Methoden und mathematischer Algorithmen wird an dieser Stelle das volle Potenzial der gewonnenen Daten ausgeschöpft.
Ein Erfolgsbeispiel für Data Science ist die energieoptimale Steuerung eines Rückkühlwerks im IP Höchst mit Unterstützung eines digitalen Zwillings. Ein Jahr lang wurden Daten der eingesetzten Pumpen gewonnen und analysiert. Dabei zeigte sich: Die Pumpensteuerung konnte bislang nicht auf eine energieoptimierte Fahrweise ausgerichtet werden. Energieeinsparpotenziale ergeben sich durch eine alternative, effizientere Fahrweise des Rückkühlwerks, bei der der Bedarf an Wasser mit niedrigerer Leistung gedeckt werden kann. Reduzierter Verschleiß und Energieverbrauch lassen sich bei günstiger Drehzahl der umrichtergesteuerten Pumpe sowie rechtzeitigem Umschalten erzielen.
Frank Mollard hat mit seinem Team in enger Zusammenarbeit mit den Kollegen und Meistern vor Ort die möglichen Pumpenkombinationen analysiert und die Anlage als digitalen Zwilling nachgebaut. „Mit der Lösung mathematischer Gleichungs- und Ungleichungssysteme konnten wir ermitteln, welche Pumpenkombination für einen gegebenen Bedarf ideal ist, um möglichst stromsparend und pumpenschonend zu agieren. Mit der Anpassung der Pumpensteuerung können wir pro Jahr mehr als 400 MWh bei diesem Rückkühlwerk einsparen – ein voller Erfolg“, sagt Mollard.
Digitale Unterstützungsprozesse im Arbeitsalltag
Neben enormen Einsparpotenzialen können digitale Unterstützungsprozesse auch den Arbeitsalltag in der Instandhaltung erleichtern. Das zeigt z. B. die elektronische Arbeitsfreigabe (eAF). Mit der eAF wurde ein standardisierter, papierloser und systemgestützter Prozess zur Abwicklung von Arbeitsgenehmigungen etabliert. „Im Hinblick auf Arbeitssicherheit und Digitalisierung bringt die eAF viele Verbesserungen mit sich: Konkret bietet das System jederzeit und überall Transparenz über den Status aller Arbeitsfreigaben“, erläutert Francesco Puglisi, im Service-Center IT für Instandhaltung zuständig. Eine automatische Kollisionsprüfung warnt vor Konflikten bei der Zusammenarbeit in den Anlagen. Die Nutzung des LOTO-Verfahrens, das verhindert, dass Maschinen und Anlagen etwa während der Durchführung von Instandhaltungsarbeiten wieder eingeschaltet werden, wird ebenfalls vom System unterstützt. Somit sorgt die eAF für einen höheren Sicherheitsstandard der Mitarbeiter bei effektiver Arbeitsweise.
Es gibt einen klar strukturierten Ablauf des Freigabeprozesses, der Lücken in der Dokumentation verhindert und allen Prozessbeteiligten Orientierung und Absicherung bei der Durchführung bietet. Die Nutzung von Vorlagen und Mustern, Parallelisierung von Arbeitsschritten und die Einsparung von Weg- und Wartezeiten durch einen digitalen Freigabe-Workflow sorgen für eine große Zeit- und Aufwandsersparnis. Alle durchgeführten Maßnahmen werden direkt vor Ort auf mobilen Geräten erfasst, damit reduzieren sich auch mögliche Fehlerquellen. Die systemseitige Verarbeitung ermöglicht außerdem eine schnelle Auswertung zur Identifizierung von Optimierungspotenzial sowie das einfache Auffinden von Arbeitsgenehmigungen für Gutachten und Audits. „Den komplizierten Freigabeprozess konnten wir benutzerfreundlich gestalten, für die Betriebe ist das hochmoderne, webbasierte System eine enorme Erleichterung im Arbeitsalltag“, resümiert Puglisi. (op)
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