Strategie & Management

Regulierte Innovationsprozesse

Statements von BASF, Clariant, Connect Chemicals, Evonik, Henkel, Lanxess, Merck, Symrise und Wacker

19.03.2018 -

Die Trends auf dem Kosmetikmarkt werden, wie Sie bereits auf den vorangehenden Seiten lesen konnten, von den Bedürfnissen der Konsumenten geprägt. Heute stehen Produkte im Vordergrund, die die Individualität der Anwender unterstreichen und deren Bedürfnissen angepasst sind – und diese können weltweit sehr unterschiedlich sein. Auch das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten hat in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit an Aufmerksamkeit gewonnen.  All dies müssen die Hersteller und Lieferanten von Inhaltsstoffen und Produkten berücksichtigen; Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten müssen darauf ausgerichtet sein. Allerdings machen es Gesetze wie REACh oder die EU-Kosmetikverordnung den Unternehmen dabei nicht leicht, innovative Inhaltsstoffe und Produkte auf den Markt zu bringen, die der Nachfrage der Konsumenten gerecht werden. Birgit Megges bat mehrere Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind, mit einem Statement einen Eindruck zu geben, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen. Die Antworten finden Sie zusammengefasst auf dieser Seite.

Engagement in interdisziplinären Partnerschaften

„Die Limitierungen, insbesondere bei der Zulassung neuer Stoffe, sind spürbar und die Verfahren oft langwierig. Wir nutzen in dieser Situation unsere Stärken und konzentrieren uns vermehrt auf die Entwicklung von innovativen Formulierungen, sensorischen Erlebnissen und die Verbesserung der Performance. Dabei geben Verbrauchertrends und Bedürfnisse klar vor, welche Claims wir bedienen und belegen müssen, zum Beispiel durch neue kosmetische Actives. Neue Themenfelder wie Digitalisierung und Personalisierung eröffnen uns gleichzeitig ein weites Feld der Möglichkeiten für neue Entwicklungen. Dies wird unserer Branche weitere Dynamik verleihen und fordert die Ausprägung neuer Kompetenzen. Um dies zu erreichen, engagieren wir uns in interdisziplinären Partnerschaften. Dennoch bleibt die Entwicklung neuer Inhaltsstoffe eines unserer Standbeine. So kamen vier von fünf in den letzten Jahren neu zugelassenen UV-Filtern von der BASF.“

Xavier Susterac, Leiter des Personal Care Geschäftes der BASF in Europa

Gezielter Einsatz computergestützter Toxikologie

„Clariant strebt seit jeher für seine Produkte ein Höchstmaß an Sicherheit an: Bereits während der Konzeptualisierung und Entwicklung wird ein Produkt intern toxikologisch bewertet. Sowohl bei der Bewertung neuer Stoffe als auch bei der Erstellung notwendiger Registrierdossiers steht klar das Thema Tierschutz auf der Agenda: Es wird gezielt „Computational Toxicology“ genutzt, um basierend auf strukturellen Ähnlichkeiten und vorhandenen Daten vergleichbare Wirkmechanismen von Chemikalien früh vorhersagen zu können. Dies erlaubt das schnellere Erforschen und Entwickeln von sicheren chemischen Produkten, hilft häufig Tierversuche zu vermeiden, entlastet die Forschungslabore durch eine bessere Nutzung der Kapazitäten und ermöglicht,  Anregungen und Hinweise zu Produktverbesserungen zu bekommen. Damit wird die Sicherheit für Mensch und Umwelt bei sachgemäßer Verwendung und die Rechtskonformität von Anfang an gewährleistet und Raum für Innovation gegeben.“

Erika Kunz, Head of Global Registration and Evaluation of Chemicals, Global Product Stewardship, Group Sustainability & Regulatory Affairs, Clariant

Gefahr für Innovationen finanzschwacher Unternehmen

„Die steigenden rechtlichen Anforderungen auf europäischer Ebene für die Vermarktung von Chemikalien haben nicht nur Auswirkungen innerhalb der chemischen Industrie – auch nachgegliederte Anwender spüren bereits jetzt  die Auswirkungen: Zum einen reduziert sich die Anzahl der Lieferanten, weil nicht alle Unternehmen die finanziellen Möglichkeiten haben, ihre Produkte unter REACh, BPR oder Anforderungen der Kosmetikverordnung  zu registrieren. Unproblematisch  sind großvolumige Produkte, mit einer breiten Anwendung, denn diese werden oft von vielen Firmen registriert.  Problematisch sind eher kleinvolumige Produkte die in einem Mengenband von 1-10 mt in der kosmetischen Industrie eingesetzt werden. Eine  Registrierung unter REACh kann dann nämlich in Einzelfällen für dieses Mengenband mehrere hunderttausend Euro veranschlagen. Das ist eine Summe, die nicht schnell refinanzierbar und für KMUs oftmals nicht ohne Weiteres zu finanzieren ist.

Zudem sehen sich Anbieter dieser Inhaltstoffe oft nicht in der Lage, einen langfristigen und bindenden Liefervertrag mit diesen kleinen Firmen einzugehen. Das führt dazu, dass eventuell interessante Innovationen für die kosmetische Industrie aufgrund  finanzieller Unwägbarkeiten nicht umgesetzt werden. Leider scheint dieser Trend vorgeschrieben zu sein: Die Entwicklung geht dahin, dass große und finanzstarke Unternehmen die Richtung in der kosmetischen Industrie bestimmen werden. Kleine und innovative, aber finanziell limitierte Firmen dürften das Risiko für Neuerungen scheuen. Dies ist bestimmt nicht die Absicht von REACh, aber ein ernstzunehmendes Risiko für die kosmetische Industrie.“

Basar Karaca, Gründer und Managing Director, Connect Chemicals

Konstruktive Begleitung von Meinungsbildungsprozessen

„Unsere Forschung- und Entwicklungsarbeit in der Kosmetik ist die Basis für unser zukünftiges Portfolio. Das Forschungsteam unseres Unternehmensbereichs arbeitet dabei stetig daran, Produkte und Prozesse weiter zu optimieren, um noch besser die Bedürfnisse unserer Kunden und Verbraucher auf der ganzen Welt erfüllen zu können.  In der Tat sind wir dabei auf gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen angewiesen, die Innovationsprozesse innerhalb der Unternehmen positiv beeinflussen können. Aus diesem Grund engagieren wir uns zum Beispiel seit Langem aktiv in der europäischen Verbandsarbeit, um öffentliche als auch politische Meinungsbildungsprozesse proaktiv und konstruktiv zu begleiten und zu unterstützen. Ein Beispiel ist hier die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen. Seit über dreißig Jahren beschäftigen wir uns mit der Entwicklung und insbesondere Anerkennung von Alternativmethoden. Neben der kontinuierlichen Forschung setzen wir uns dafür ein, dass die derzeit sehr langwierige Anerkennung von alternativen Testmethoden durch den Gesetzgeber beschleunigt wird. So sind wir als Henkel Gründungsmitglied der seit 2005 bestehenden europäischen Partnerschaft für Alternativen zu Tierversuchen zwischen der Europäischen Kommission, Industrieverbänden und einzelnen Unternehmen aus sieben Branchen. Ziel der Partnerschaft ist, die Entwicklung, Validierung und Umsetzung von Alternativen zu Tierversuchen weltweit voranzutreiben.“

Thomas Förster, Leiter Forschung und Entwicklung, Henkel Beauty Care

Unsicherheiten wirken sich negativ auf innovative Produkte aus

„Sowohl die REACh-Regulierung als auch die europäische Kosmetikverordnung dienen dem Verbraucherschutz. Damit sind es zweifelsfrei wichtige und sinnvolle Maßnahmen, die zu begrüßen sind. Kritisch sind Fälle, in denen sich Verordnungen widersprechen. Die daraus resultierenden Unsicherheiten haben sich in der Vergangenheit negativ auf die Entwicklung innovativer Produkte ausgewirkt.

Die Zulassung von Neuprodukten ist dann besonders unkompliziert, wenn es sich um natürliche Inhaltsstoffe handelt. Darin sehen wir einen Grund in der stark ansteigenden Nachfrage in diesem Segment. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass auch Naturextrakte toxikologisch kritische Eigenschaften zeigen können.“

Michael Bader, Leiter Personal Care/Flavour & Fragrances, Lanxess Distribution

Dialog mit Zulassungsbehörden in aller Welt

„Eine zunehmende Regulierung ist für Merck kein Hindernis für Innovation. Im Gegenteil, beides zielt darauf ab, den Nutzen beziehungsweise Schutz der Verbraucher zu verbessern.

Aufgrund der hohen regulativen Anforderungen im Kosmetikbereich haben wir verschiedene Maßnahmen umgesetzt, um einen erfolgreichen Innovationsprozess sicherzustellen. Wir binden die Compliance-Kollegen bereits sehr frühzeitig ein. Diese begleiten ein Produkt von der Idee zur Markteinführung. Hierfür haben wir stark in Bereichen wie regulative Compliance, Produktsicherheit und Nachhaltigkeit investiert.

Als global agierendes Unternehmen ist es für uns mitunter herausfordernd, dass diese Vorgaben nicht immer für alle Wettbewerber gelten, insbesondere in weniger regulierten Märkten. Wir führen deshalb mit den Zulassungsbehörden in aller Welt einen konstruktiven Dialog und arbeiten aktiv daran, dass weltweit die gleichen hohen Standards eingehalten werden. Denn der Kunde muss auch zukünftig bei Innovationen und Verbraucherschutz im Mittelpunkt stehen.“

Karl-Christian Gallert, Leiter Marketing & Vertrieb Kosmetik, Merck

 

Kosteneffiziente Umsetzung neuer Gesetze

„Symrise steht allen neuen Gesetzgebungen positiv gegenüber, die dem Verbraucherschutz dienen. Dementsprechend frühzeitig hat sich Symrise den Herausforderungen von REACh oder der EU-Kosmetikverordnung gestellt und Strategien entwickelt, diese so umzusetzen, dass die Auswirkung auf Produkteigenschaften gering bleibt. Gleichzeitig wird auch eine Chance in diesen Entwicklungen gesehen, da sich Produkte mit einem hohen Sicherheitsniveau besser vermarkten lassen und so Produktionsstandorte in der EU gestärkt werden.

Symrise hat ein Team von Spezialisten aus dem regulatorischen und toxikologischen Umfeld, das sich mit der Umsetzung neuer Gesetzgebungen weltweit beschäftigt. Zusätzlich werden globale IT-Systeme genutzt, um alle Änderungen automatisiert nachzuverfolgen. Durch diese teilweise selbstentwickelten Systeme wird es ermöglicht, neue Gesetzgebungen kosteneffizient umzusetzen.“

Claus Oliver Schmidt, Senior Vice President Global Operations, Symrise

Ein stabiles regulatorisches Umfeld ist wichtig

„Die Chemikalienregistrierung unter REACh verursacht hohe Registrierungskosten und einen erheblichen Mehraufwand, der nur mit zusätzlichem Personal zu bewältigen ist. Derzeit arbeiten wir intensiv an den Registrierungen der dritten Phase, um unsere REACh-Pflichten bis Ende Mai fristgerecht zu erfüllen. Wichtig ist, dass dieser Prozess nicht durch neue inhaltliche oder formale Anforderungen erschwert wird und in einem stabilen regulatorischen Umfeld stattfindet. Eine weitere Herausforderung für uns ist der Umstand, dass mittlerweile eine Vielzahl von branchenabhängigen Verordnungen existieren, die teilweise auch regional unterschiedlich sind. Da unsere Produkte als Rohstoffe weltweit in ganz verschiedenen Industrien und Anwendungen eingesetzt werden, müssen wir bei der Zulassung oft mehrere Regularien gleichzeitig berücksichtigen. Das macht es für uns nicht einfacher, maßgeschneiderte innovative Produkte zügig auf den Markt zu bringen.“

Dr. Jutta Matreux, Leiterin Corporate Services and Sustainability, Wacker Chemie

Geschickte Kombinationen und Modifikationen

„Es ist eindeutig schwieriger und aufwändiger geworden, innovative Inhaltsstoffe für Kosmetika auf den Markt zu bringen. Die hohen Sicherheitsanforderungen haben das Spektrum an einsetzbaren Rohstoffen und Prozessen spürbar verringert. Innovation muss heute andere Wege gehen, als nur neue Moleküle zu synthetisieren. Ein Weg besteht darin, geschickt zu kombinieren und zu modifizieren. Ein anderer heißt Nachhaltigkeit, und zwar über die gesamte Supply Chain. Hier zahlen sich unsere breite Technologiebasis und jahrzehntelange Erfahrung mit biobasierten Prozessen und natürlichen Rohstoffen aus. So gelingt es uns nach wie vor, der Kosmetikindustrie neue, an Konsumententrends orientierte Inhaltsstoffe anzubieten und sogar deren Leistungsfähigkeit weiter nach oben zu treiben. Alleine zur nächsten In-Cosmetics haben wir fünf solche Innovationen im Gepäck. Und der schöne Nebeneffekt: Solche Produkte machen alle zufriedener – die Kollegen, die Kunden und die Endverbraucher.“

Dr. Tammo Boinowitz, Leiter des Geschäftsgebiets Personal Care, Evonik Nutrition & Care