Produktion von nachhaltigem Flugbenzin mit dem Alcohol-to-Jet-Verfahren
Anlage für SAF auf Methanolbasis im JANGADA-Projekt
Die kommerzielle Luftfahrt ist in den vergangenen Jahren deutlich CO2-effizienter geworden. So haben die Mitglieder des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) nach eigenen Angaben den Kraftstoffverbrauch pro Personenkilometer zwischen 1990 und 2019 um 43 % gesenkt[1], bspw. durch das Verringern des spezifischen Energiebedarfs der Flugzeuge. Zum Erreichen der vollständigen Emissionsneutralität führt jedoch kein Weg an nachhaltigen Energiequellen vorbei.
Eine nachhaltige Luftfahrt braucht nachhaltige Kraftstoffe
In vielen Bereichen des Verkehrs – insbesondere im Personentransport auf der Straße – scheint die Elektrifizierung nicht nur die nachhaltigste, sondern auch energieeffizienteste Antriebsart zu sein. In der Luftfahrt dagegen sind batterieelektrische Antriebe keine Alternative. Selbst Lithium-Ionen-Akkus, also jene Stromspeicher mit der höchsten Energiedichte, sind um ein Vielfaches zu schwer, als dass ein damit ausgestattetes Mittelstreckenflugzeug auch nur abheben könnte. Einzig auf Kurzstrecken wie München–Berlin oder Washington–New York erscheinen Batterieflugzeuge mit maximal zehn Passagieren als realistisches Zukunftsszenario.
Wasserstoffflugzeuge nicht vor 2035
Mit Airbus und Embraer sehen zwei Flugzeughersteller Wasserstoff als möglichen Kraftstoff für Brennstoffzellen oder Gasturbinen. Der große Vorteil von Wasserstoff ist die gravimetrische Energiedichte: Ein Kilogramm enthält etwa dreimal so viel Energie wie die gleiche Menge Kerosin. Allerdings benötigt Wasserstoff selbst in verflüssigter Form rund viermal so viel Platz wie Kerosin mit der gleichen Menge Energie. Hinzu kommt, dass Wasserstoff in zylindrischen Hochdrucktanks tiefgekühlt aufbewahrt und zur Nutzung zurückvergast werden muss. Die dafür nötigen Anlagen nehmen nicht nur zusätzlichen Platz weg, sie mindern auch die Gewichtsvorteile.
Die Ad-hoc-Lösung: Sustainable Aviation Fuel
Bei Boeing sehen Experten deshalb die Lösung zum emissionsarmen Fliegen in nachhaltigem Flugbenzin. Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF, kann aus Biomasse im weitesten Sinne sowie durch Synthese unter Einsatz erneuerbarer Energien hergestellt werden. Dies ist zwar energieaufwendiger als die Wasserstoffgewinnung. Dafür ist SAF schon heute verfügbar und als nachhaltiger Brennstoff für Turboprop- und Strahltriebwerke einsetzbar. Die gängigsten Arten sind für eine Beimischungsquote von bis zu 50 % zugelassen. Nach geringfügigen Modifikationen an den Maschinen sind sogar 100 % SAF möglich.[2] Somit können auch ältere Bestandsflugzeuge in Betrieb bleiben und schon heute mit reduzierten Emissionen geflogen werden. Wasserstoffflugzeuge sollen dagegen frühestens Mitte des kommenden Jahrzehnts marktfähig sein.
Die Nachfrage nach SAF wird steigen
Bisher liegt der weltweite SAF-Anteil am verbrauchten Flugbenzin unter einem Promille. Einzelne Staaten verpflichten Kerosinanbieter und Fluggesellschaften zu Beimischungsquoten. Auf französischen Flughäfen etwa müssen Flugzeuge bereits heute 1 % SAF tanken.[3] Die Europäische Union sieht ab 2025 eine Beimischungspflicht von 2 % vor, die bis 2050 auf 70 % steigen soll.[4] Allein durch die EU-Beimischungsquote werde der Bedarf bis 2030 auf 2,4 Mio. t steigen, prognostiziert die EASA. 2040 würden demnach EU-weit 46 Mio. t nachhaltiges Flugbenzin benötigt.[5]
PtX-Verfahren gewinnen an Bedeutung
Derzeit wird SAF fast ausschließlich nach dem HEFA-Verfahren (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids) aus Altfetten gewonnen. Doch der Rohstoff, der hauptsächlich aus Gastronomie und Lebensmittelindustrie stammt, kann langfristig wohl nur etwa 10 % des SAF-Bedarfs decken.
Der Rest wird wohl mittels verschiedener Power-to-X-Verfahren (PtX) bereitgestellt. Dazu gehören sowohl die Fischer-Tropsch-Synthese (FT), bei der Kerosin aus Syngas, bestehend aus H2 und CO, hergestellt wird, als auch das Alcohol-to-Jet-Verfahren (AtJ). Dabei werden entweder biogene oder nachhaltig synthetisierte Alkohole mit Kohlenwasserstoffen verbunden, die dann hydriert und zu Kerosin weiterverarbeitet werden.[6]
Das Produkt aus dem AtJ-Verfahren ist ein sogenanntes low-carbon fuel, also ein Kraftstoff mit geringerem Kohlenstoffanteil als vergleichbare Erdölkraftstoffe. Hingegen können PtX-Produkte, dem Delegated Act der EU nach dann auch als renewable fuel of non-biological origin (RFNBO) gelabelt werden. Die EASA prognostiziert, dass bereits 2030 jeweils rund 35 % des SAF in Europa durch HEFA- und AtJ- sowie 13 % durch FT-Verfahren erzeugt werden könnte und der Rest importiert werden müsse. Der Internationale Luftfahrtverband (IATA) geht davon aus, dass 2050 rund 65 % der Emissionen durch den Einsatz von SAF reduziert werden können.[7]
Innovatives Verfahren: Methanol-to-Jet
Mit dem Projekt Jangada plant Hy2gen eine AtJ-Anlage, in der SAF aus nachhaltigem Methanol hergestellt werden soll. Bisher ist nur SAF aus Ethanol und Isobutanol zugelassen, SAF auf Methanol-Basis soll sehr bald folgen. Multinationale Großkonzerne wie ExxonMobil[8] und BASF[9] arbeiten immerhin bereits an dieser Technologie. Ein Vorteil des einwertigen Methanols ist, dass es sich energieeffizienter zu Flugbenzin weiterverarbeiten lässt als mehrwertige Alkohole. Zum anderen kann Methanol als bestehende Plattformchemikalie[10] sektorenübergreifend weitere Anwendungsgebiete erschließen. Damit kann es auch als Energieträger zum Transport von Wasserstoff aus Großelektrolyseuren in Regionen mit ausreichender Wind- und Sonnenenergie dienen. Gegenüber FT-Verfahren gelten AtJ-Verfahren als energieeffizienter. Zudem lassen sich flüssige Alkohole besser transportieren als Synthesegas.
Kombinierter Standort in der Lausitz
Der Bau der Anlage auf dem Green Areal Lausitz (GRAL) in Jänschwalde auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Cottbus-Drewitz soll 2024 starten. Ab 2027 beginnt dann die Wasserstoffproduktion, die sukzessive auf eine Kapazität von bis zu 75 MW Elektrolyseur-Leistung ausgebaut werden soll. Ab 2028 sollen dann jährlich bis zu 32.000 t SAF produziert werden.
Das besondere an Jangada ist die Kombination von Elementen, die eine optimale Auslastung des Elektrolyseurs sicherstellen soll. Primäre Stromlieferanten sind die zahlreichen Windenergieanlagen in der Lausitz. Flauten können teilweise mit Strom aus einem nahe gelegenen Batteriespeicher überbrückt werden. Nicht zuletzt kann Methan aus einer Biokohleanlage, die Totholz vergast, eine Gasturbine antreiben, die den Strombedarf des Elektrolyseurs zu 33 % decken kann. Der Wasserstoff aus dem Elektrolyseur wird dann zusammen mit aus der Luft abgeschiedenem CO2 zunächst zu Methanol, dann weiter zu SAF synthetisiert. Um die SAF-Anlage dauerhaft vollständig auszulasten, kann bei Bedarf nachhaltiges Methanol hinzugekauft werden.
Das Jangada-Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag zur effizienten Nutzung der nachhaltigen Ressource Wind sowie zum Strukturwandel in der Lausitz und kann die Flughäfen der nahe gelegenen Bundeshauptstadt Berlin mit nachhaltigem Flugbenzin versorgen.
Autor: Matthias Lisson, Country Manager D-A-CH, Hy2gen
Referenzen
[1] https://www.bdl.aero/de/publikation/klimaschutzreport/
[2] https://aireg.de/wp-content/uploads/2022/01aireg-studie-non-drop-in-kraftstoffe-im-luftverkehr-2022-01-19.pdf
[3] https://www.spglobal.com/commodityinsights/en/market-insights/latest-news/oil/061623-france-to-invest-eur300-millionyear-in-clean-aviation-over-2024-30
[4] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_2389
[5] https://www.easa.europa.eu/eco/eaer/topics/sustainable-aviation-fuels/current-landscape-future-saf-industry
[6] https://www.nzz.ch/mobilitaet/luftfahrt/synthetisches-flugbenzin-abheben-mit-kerosin-aus-windstrom-ld.1520098
[7] https://www.iata.org/en/programs/environment/sustainable-aviation-fuels/
[8] https://www.exxonmobilchemical.com/en/resources/library/library-detail/101116/exxonmobil_sustainable_aviation_fuel_production_en
[9] https://320grad.de/2023/01/26/grosskonzerne-
wollen-saf-aus-gruenem-methanol-herstellen/
[10] https://www.vdi-nachrichten.com/technik/mobilitaet/sustainable-aviation-fuels-mit-diesem-kraftstoff-wollen-lufthansa-und-co-in-zukunft-fliegen
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