Anlagenbau & Prozesstechnik

Substitution von chemischen Bioziden

Effizientere und nachhaltigere Wasserbehandlung für Kühlsysteme

29.04.2024 - Auch für industrielle Kühlsysteme steigen die Betriebskosten und werden die Regularien strenger. Nachhaltige Innovationen in der Wasserbehandlung von Verdunstungskühlanlagen sind gefragt. Durch eine 100-prozentige Substitution von chemischen Bioziden auf natürliche Mikroorganismen können Industrieunternehmen ökonomische und ökologische Vorteile nutzen

Mikroverunreinigungen wie Industriechemikalien, Reinigungsmittel oder Tenside finden sich immer häufiger in gelöster Form als Wasserschadstoffe in der aquatischen Umwelt wieder. Deshalb stehen bspw. Kläranlagen vor der großen Herausforderung, diese Mikroschadstoffe durch geeignete Verfahren effizient zu entfernen, um den Anforderungen von Natur und Gesellschaft sowie der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) gerecht zu werden. Erschwert wird diese Aufgabe dadurch, dass die von der Industrie eingesetzten Chemikalien eine lange Halbwertszeit haben. Diese beträgt bei einigen Bioziden z.B. über ein Jahr. Dadurch werden die Wasserqualität sowie die Biodiversität nachhaltig beeinträchtigt und geschädigt.

Auch wenn die Reinigungsleistung von Kläranlagen generell gut ist, gibt es aktuell keine praxistaugliche sowie zugleich wirtschaftliche Methode, um anthropogene Spurenstoffe wie Biozide in ausreichendem Maße für die spätere Trinkwassergewinnung zu entfernen. Die Folge: Eine weitergehende Entfernung von Spurenstoffen auf Kläranlagen durch eine vierte Reinigungsstufe wird gefordert und öffentlich diskutiert. Eine herausfordernde Aufgabe, die sich technologisch mittels Ozonisierung, Oxidationsverfahren sowie über einen kombinierten Einsatz von Umkehrosmose und Nanofiltration nur teilweise realisieren lässt. Diese Verfahren sind zudem nicht nur sehr aufwendig in der Prozessführung, sondern meist auch mit sehr hohen Kosten für die Kläranlagen verbunden.

Neues Verfahren einfach implementierbar

Gerade bei so komplexen Aufgaben wie der Sicherung der Trinkwasserqualität und Biodiversität gilt der Grundsatz: „Vorbeugen ist besser als heilen“. Dieses Gebot der Stunde lässt sich mit den folgenden drei Regeln erreichen: Erstens gilt es, den Einsatz von Umweltschadstoffen jeglicher Art in industriellen Prozessen künftig stärker zu vermeiden und durch umweltverträgliche Alternativen zu ersetzen. Zweitens sollte das bestehende Minimierungsgebot für den Einsatz von Bioziden angewendet und konsequenter durchgesetzt werden. Und drittens gilt es, erdölbasierte Inhibitoren durch ökologische Substitute auf Basis nachwachsender Rohstoffe, die vollständig biologisch abbaubar sind, zu substituieren.

Das Unternehmen Blue Activity geht in der industriellen Wasserbehandlung mit einem innovativen und nachhaltigen Ansatz einen neuen Weg. Das Cleantech-Start-up substituiert Biozide durch natürliche Mikroorganismen und Phosphate durch biologisch abbaubare Inhibitoren auf Biopolymerbasis, wodurch Einträge von nur sehr aufwendig zu eliminierenden Mikroschadstoffen zukünftig komplett vermieden werden.
Die neue, natürliche Wasserbehandlung ist für Betreiber von Verdunstungskühlanlagen gemäß 42. BImSchV im laufenden Betrieb einfach zu implementieren.

Den Industrieunternehmen steht dafür ein „Rundum-sorglos-Paket“ zur Verfügung: Zum einen gehören dazu die als Betriebsmittel eingesetzten natürlichen Mikroorganismen. Zum anderen ein Online-Monitoring inklusive Biofilm und Scaling-/Ablagerungs-Sensorik, Online-Korrosions- sowie Füllstandsmessung. Das Online-Monitoring ermöglicht eine 24/7-Überwachung und visualisiert alle relevanten KPIs in Echtzeit über ein Dashboard. So lässt sich die Fahrweise leicht optimieren und im Bedarfsfall auch schnell eingreifen. Das Angebot rundet ein bedarfsgerechter Vor-Ort-Service durch kompetente Mitarbeiter ab.

Bei den Service­besuchen wird außerdem ein Legio­nellen-Schnelltest durchgeführt, um die mikrobiellen Parameter und die Hygienesicherheit zu überprüfen. Der Schnelltest ermöglicht es direkt vor Ort, eine Indikation bezüglich der im Kühlwasser vorhandenen Legionellen (Serogruppen 1, 2 – 14) zu geben. Das reproduzierbare Ergebnis liegt bereits nach 25 Minuten vor.

Große Einsparungen bei verbesserter Wasserqualität

Unter der Devise: „Mit der Natur statt gegen die Natur“ lässt sich die spätere Wasserqualität nachhaltig verbessern. Darüber hinaus kann der Ergänzungswasserbedarf bei einer 100-prozentigen Substitution klassischer Biozide durch die Mikroorganismen auf natürlicher Basis deutlich verringert werden.

Die Wassereinsparungen resultieren in Verdunstungskühlanlagen (VDKA) unter anderem aus den deutlich verbesserten Wärmeübergängen im Vergleich zum Einsatz von Bioziden. Das führt insgesamt zur Erhöhung des Wirkungsgrades (Kühlleistung) der Verdunstungskühlanlage, indem Biofilme durch die Mikroorganismen kontinuierlich minimiert werden.

Infolgedessen verbessert sich die Gesamtbilanz der Verdunstungskühlanlage hinsichtlich der Energieübertragung thermodynamisch. Das dient der Einsparung von natürlichen Ressourcen sowie dem Gewässerschutz bei gleichzeitiger Verbesserung der Wasserqualität.

Weitere Wassereinsparungen lassen sich durch sinnvolle Erhöhung der Eindickungszahl in Abhängigkeit von der Eingangswasserqualität erzielen.

Durch die erfolgreiche Sub­stitution von sowohl Gefahrstoffeinträgen durch Biozide als auch durch Additive für Korrosionsschutz und Härtestabilisierung auf Erdölbasis entsteht eine zirkuläre Wassernutzung. Im Vergleich zu klassischen, marktgängigen Additiven ist die Konzentration an Phosphaten dieser neuartigen Inhibitoren um ca. 80 % reduziert. Das Ergebnis: eine deutliche Senkung der Schadstoff­frachten im Abwasser.

Somit können Industrieunternehmen den Wasserverbrauch um bis zu 52 % reduzieren und die Abwasserqualität nachhaltig verbessern. Vor dem Hintergrund der stetig steigenden Wasserknappheit ist das gleichermaßen für Mensch und Gesellschaft von großem Mehrwert.

Die effizientere und nachhaltigere Wasser­behandlung für Kühlsysteme leistet einen praktikablen, wirtschaftlichen sowie zugleich ökologischen Beitrag zum Erreichen der umwelt­politischen Heraus­forderungen unserer Zeit.

CSRD-Nachhaltigkeitskennzahlen verbessern

Der Gesetzgeber plädiert schon lange in Form der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) für einen umsichtigen und reduzierten Einsatz von Gefahrstoffeinträgen im Betrieb von Verdunstungskühlanlagen. Ein durchaus positiver Ansatz, der sich allerdings noch optimieren lässt. So wäre eine vollständige Substitution von Gefahrstoffen die deutlich bessere und nachhaltigere Lösung mit Blick auf Klimawandel und Wasserschutz.

Mit der innovativen Kühlwasserkonditionierung inklusive nachhaltiger Systemreinigung erfüllt der Betreiber nicht nur mehrere Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen („SDGs“), sondern verbessert auch nachweislich seine Umwelt- und Energiekennzahlen. Besonders für größere und börsennotierte Unternehmen, die im Rahmen der europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) diverse Kennzahlen und Daten erheben müssen, ist der Ansatz durchweg gewinnbringend. Denn die im Rahmen der CSRD neu erarbeiteten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) können sich durch diese Lösung bei den spezifischen Standards Wasser/Biodiversität (E3-4) und Klimawandel (E1) deutlich verbessern.

Durch das Konzept auf Basis von Mikrobiologie haben Industrieunternehmen somit nicht nur eine erhebliche Betriebskostenreduktion, sondern profitieren auch unmittelbar bei der Erfüllung der sehr anspruchsvollen Pflichten im Rahmen der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungen.

Nächste Aufgabe: Klärschlamm reduzieren

Darüber hinaus verbessert das neue Verfahren auch die nachgelagerten Klärprozesse. Die als Biozidsubstitut dem Wasser zugegebenen funktionellen, lebensmittelechten und gentechnisch nicht veränderten Mikroorganismen reduzieren unter anderem die Kohlenstofffracht im Abwasser. Das verbessert die Qualität des Abwassers und erleichtert die nachgelagerten Klärprozesse.

In einem weiteren Schritt arbeitet Blue Activity aktuell an einer nachhaltigen Lösung, um den Klärschlamm durch Zugabe spezieller Mikroorganismen zu reduzieren. Denn derzeit fällt allein in Deutschland Klärschlamm mit fast zwei Millionen Tonnen Trockenmasse pro Jahr an. Rund 80 % des Klärschlamms wird thermisch verwertet. Durch die Verbrennung entstehen vermeidbare CO2-Emissionen. Daher sind neue Wege gefordert, um Agrarbetrieben eine unbedenkliche Weiterverwendung des Klärschlamms – der unter anderem hohe Phosphoranteile enthält – in Form von Dünger zu ermöglichen. Denn Phosophor ist nicht nur ein begrenzt verfügbarer Rohstoff, sondern auch ein wichtiger Nährstoff für Flora und Fauna. Wenn eine zirkuläre Aufbereitung gelingen würde, müsste der Mineraldünger künftig nicht mehr importiert werden, um den steigenden Bedarf zu decken.

Autor:

Lars Havighorst,  CEO, Blue Activity © Blue Activity   Lars Havighorst, CEO, Blue Activity

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