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Patrick Thomas: BMS setzt auf innovative Strukturen

05.08.2011 -

Patrick Thomas: BMS setzt auf innovative Strukturen

Bayer Materialscience (BMS) ist ein führender Hersteller von hochwertigen Werkstoffen und innovativen Systemlösungen. Der Leitgedanke „ VisionWorks“ von BMS soll eine Brücke zwischen Wissenschaft (Science) und Material (Werkstoff) schaffen. Nur beide zusammen ergeben eine solide Basis für Erfolg. Im Vorfeld der K2007 sprach KunstStoffTrends mit Herrn Patrick Thomas, Vorstandsvorsitzender von Bayer Materialscience.

CHEManager: Die Rückintegration der Standardkunststoffe in Unternehmen mit Zugang zu den Rohstoffen ist zum wichtigsten Weg der Absicherung der Renditen geworden, die Verkaufsankündigung für das (Poly)Styrolgeschäft der BASF ist jüngster Schritt dieser Entwicklung. Gewährleistet das Portfolio von Bayer Materialscience per se eine angemessene und nachhaltige Rendite?

Patrick Thomas: Bayer Materialscience überprüft kontinuierlich sein Portfolio und seine Prozesse, um größtmögliche Effizienz und damit eine angemessene Rendite zu gewährleisten. Die Polyurethan- und Polycarbonatchemie bilden die Säulen unseres Geschäfts. Im Interesse einer zuverlässigen und reibungslosen Herstellung halten wir auch weiterhin an einer rückwärts integrierten Produktion fest, und das weltweit. Zurzeit verstärken wir unsere Kundenorientierung durch Vorwärtsintegration. Kleine, hoch spezialisierte und weitgehend unabhängige Geschäftseinheiten profitieren einerseits vom großen Knowhow innerhalb von BMS und der gesamten Bayer-Gruppe, andererseits bleiben sie besonders flexibel bei geschäftlichen Entscheidungen. Ein Beispiel dafür ist Lyttron Technology, die Elektrolumineszenz-Folien sowie weitere Produkte für funktionale Oberflächen entwickelt. Diese Aktivitäten sind neu, allerdings hervorgegangen aus dem traditionellen Kerngeschäft. Ein weiteres Beispiel für kundenorientierte Geschäftsmodelle ist das globale Netzwerk an Systemhäusern, das unsere Business Unit Polyurethanes unter dem Namen Baysystems zurzeit noch erweitert. Unter dieser Marke bündeln wir seit dem 1. März 2007 unser gesamtes weltweites Polyurethan- Systemgeschäft. Die Systemhäuser bieten gebrauchsfertige Polyurethan-Systeme unter anderem für die Herstellung von Wärmedämm-Schaumstoffen für die Kühlkette, die Gebäudeisolierung und den Heißwasser-Transport, aber auch Polyurethan-Systeme für viele Spezialanwendungen in der Automobil-, Schuh- und Sportartikelindustrie an. Die Systemhäuser stellen eine Vorwärtsintegration mit dem Ziel einer noch flexibleren und individuelleren Kundenbetreuung dar.

CHEManager: Wie sehen Sie den Verkauf der Kunststoff-Sparte von GE an Sabic? Erwarten Sie verstärkten Technologie-Wettbewerb bei Polycarbonat?

Patrick Thomas: Wir erwarten durch die Akquisition keinen relevanten negativen Effekt auf die Versorgung von BMS mit Rohstoffen. Was den Technologie- Wettbewerb zwischen beiden Unternehmen betrifft, so sind wir davon überzeugt, dass wir auch mit unseren Produktionsverfahren Anspruch auf die Technologieführerschaft haben. Die europäische Kunststoff- industrie wird ihre führende Position im globalen Markt nur halten können, wenn es ihr gelingt, die Technologieführerschaft zu bewahren.

CHEManager: Wo liegen zurzeit die Entwicklungsschwerpunkte von Bayer Materialscience in diesem Wettbewerb?

Patrick Thomas: Bayer Materialscience strebt bei seinen geschäftlichen Schwerpunkten die Technologieführerschaft an, mit dem Ziel, die Kostenführerschaft zu erwerben, denn letztere wird mittel- und langfristig über den wirtschaftlichen Erfolg in einem zunehmend von preiswerteren Anbietern dominierten Wettbewerb entscheiden. Dabei geht es uns einerseits um die Entwicklung innovativer Produkte und Anwendungen, mit denen wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden und von BMS sicherstellen wollen, zum anderen um die Einführung hoch effizienter Prozesstechnologien, die eine deutliche Einsparung des Energie- und Lösungsmittelverbrauchs und damit von Betriebskosten ermöglichen sowie – durch entsprechend kleinere Dimensionierung von Bauteilen – die Investitionskosten senken. Ein aktuelles Beispiel ist die Gasphasenphosgenierung bei der Produktion von Toluylen- Diisocyanat (TDI), bei der sich gegenüber dem herkömmlichen Verfahren der Lösungsmittelverbrauch um 80 % und damit der Energieeinsatz um 40–60 % senken lassen. Weitere Beispiele sind das Chlorrecycling mittels Sauerstoff-Verzehrkathodentechnologie sowie das adiabatische Verfahren zur Produktion von Anilin.

CHEManager: Auf welche neuen Entwicklun-­ gen bei Produkten und Ser-­ vices dürfen wir für die K2007 gespannt sein?

Patrick Thomas: Auf der K 2007 präsentiert sich BMS auf einem mehr als 1.000 m2 großen Stand unter dem Motto „VisionWorks – Today and Tomorrow“ mit einem breiten Spektrum an Innovationen für die Automobil- und Elektro-/Elektronikindustrie, die Baubranche, den Sport- und Freizeitbereich, die Holzund Möbelindustrie, Medizintechnik, Schuhindustrie und viele weitere Branchen. Die Exponate sind entsprechend ihrer Marktreife auf zwei große Standbereiche verteilt. Im Bereich „Today“ finden sich Entwicklungen, die sich in der Phase der Markteinführung befinden oder bereits in Serie hergestellt werden, im Bereich „Tomorrow“ werden Ideen und Konzepte präsentiert, die noch in der Entwicklung sind, aber Potential für künftige Geschäfte bieten. Mit der Übertragung unserer Anteile am Joint Venture-Unternehmen Exatec an Sabic IP entscheiden wir uns für eine eigenständige Weiterentwicklung des Geschäfts mit der Automobilverscheibung auf Basis von Polycarbonat. Wir sehen darin auch weiterhin einen sehr attraktiven Zukunftsmarkt. Nach dem in Kürze erfolgenden Vollzug der Transaktion bietet BMS allen Kunden neben dem maßgeschneiderten Kunststoff Makrolon auch die Weiterentwicklung von Technologien für das Polycarbonat- Glazing an. Durch intelligente Kombination eines hochwertigen viskoelastischen Schaumstoffs aus dem Bayfit Programm mit dem einfach zu applizierenden, weichmacherfreien und dennoch hochelastischen Polyurethan-Sprühelastomer Baytec Reaktiv ergeben sich Memory-Schaumstoffe, die die guten Eigenschaften eines viskoelastischen Produkts mit einer besonders stabilen und wasserfesten Oberfläche vereinen. Das Spektrum möglicher Anwendungen reicht von Matratzen und Kopfkissen bis hin zu Möbeln für das eigene Heim, das Büro und öffentliche Einrichtungen. Beim jüngsten America’s Cup der Segler waren erstmals Segellatten aus dem thermoplastischen Polyurethan Desmopan mit am Start. Der Clou dabei ist, dass die Segler über den Luftdruck in den aufblasbaren Latten die Form ihrer Focksegel gezielt regulieren können. Kohlenstoff-Nanoröhrchen gelten als einer der Hoffnungsträger der Materialwissenschaften. BMS ist mit Baytubes einer der weltweit führenden Hersteller und hat jetzt eine Kooperation mit FutureCarbon begonnen, die aus Baytubes und Graphitmaterialien wässrige Nano- Dispersionen mit Hilfe eines neuen, zum Patent angemeldeten Dispergierverfahrens herstellen will. Daneben bietet FutureCarbon auch Konzentrate von Kohlenstoff- Nanomaterialien in Wachsen, Epoxid- und Cyanatester- Harzen sowie Pech an, außerdem metallbeschichtete Kohlenstoff-Nanowerkstoffe und Nano-Masterbatches für Thermoplaste. Die Lyttron Technology, ein Start-up-Unternehmen von BMS, wird seine leuchtenden, dreidimensional formbaren Folien vorstellen, die flächiges Licht bieten, ohne Wärme zu entwickeln, und dies in Kombination mit größter Designfreiheit. Neben der Entwicklung vieler innovativer Lösungen nimmt BMS seine Responsible Care Verantwortung sehr ernst und bekennt sich unter anderem zum Klimaschutz, wie die folgenden Beispiele zeigen. Unter den marktgängigen Werkstoffen zur Wärmedämmung ist Polyurethan-Hartschaum derjenige mit der höchsten Dämmleistung. Kein Wunder, dass das Material in großen Mengen in der Kühlkette, aber auch in Gebäuden eingesetzt wird, um Energie einzusparen. Für die Herstellung von Dachmodulen für Pkws wird zunehmend das transparente Polycarbonat Makrolon anstelle von Sicherheitsglas verwendet. Hier wirkt sich das geringere Gewicht positiv auf den Treibstoffverbrauch aus und leistet damit ebenfalls einen Beitrag zum Klimaschutz. Mit etwa 10 % der Gesamtauf-­ wendungen des Konzerns sind die F & E-­Investitionen von BMS relativ bescheiden.

CHEManager: Genügt das auch in Zukunft für eine offen-­ sive F & E-Strategie?

Patrick Thomas: Innovationen spielen bei BMS eine sehr wichtige Rolle, nicht nur, wenn es darum geht, die Technologieführerschaft zu erlangen. Entsprechend groß sind unsere Investitionen in die Forschung und Entwicklung, die sich im vergangenen Jahr auf rund 340 Mio. € beliefen, inkl. kundennahe Entwicklungen. Das entspricht etwa drei Prozent des Jahresumsatzes und stellt damit einen Spitzenwert im Vergleich zu anderen Polymerunternehmen dar. Bei führenden Unternehmen der pharmazeutischen Industrie wie Bayer Healthcare sind die Aufwendungen zur Erforschung neuer Medikamente im Allgemeinen wesentlich höher als vergleichbare Budgets in der Kunststoff erzeugenden Industrie. Dies hängt mit dem wesentlich größeren Risiko bei der Entwicklung von Blockbustern und der deutlich längeren Zeitspanne bis zur Markteinführung von Medikamenten zusammen. Ein direkter Vergleich der F&E-Ausgaben von BMS mit denjenigen der andern Teilkonzerne wäre deshalb irreführend.

CHEManager: Mit wesentlichen Beiträgen zur Entwicklung und Einführung der Compact Disc und ihrer Fol-­ geprodukte hat Bayer Polycar-­ bonat zum führenden Werkstoff der modernen Informations-­ technik machen können. Wird Makrolon diesen Platz behaupten können?

Patrick Thomas: Die Audio-CD feiert in diesem Jahr ihr 25jähriges Bestehen, und Bayer war von Anfang an mit seinem High- Tech-Kunststoff Makrolon an vorderster Front dabei. Elf Jahre nach Markteinführung der DVD im Jahr 1996 sind nun die High-Definition DVD und Blu-ray Disc bis zur Marktreife entwickelt. Abhängig von der Zahl der Informationsschichten könnten damit in der Zukunft Speicherkapazitäten von bis zu 100 Gigabyte realisiert werden. Doch der Bedarf an Speicherplatz steigt weiter. Das Stichwort für die darauf folgende Generation könnte near field recording heißen. Die neue Technologie könnte schließlich zu einem Speichervolumen über 100 Gigabyte führen. Polyurethane bestreiten mehr als die Hälfte Ihres Geschäfts-­ volumens. Sie sind Führer im globalen PUR-Markt. Im Mittel-­ punkt dieses Geschäfts stehen die Rohstoffe, welche sich mit umfangreichem Know-how ver-­ arbeitet und kombiniert in einem weiten Spektrum vielfältiger Endprodukte wieder finden. Schlüssel Ihrer Marktstellung ist die eigene Technologieent-­ wicklung und die Übertragung des Wissens an Ihre Kunden. Serviceleistung und Austausch mit den Kunden ist gefragt!

CHEManager: Wie gelingt es Ihnen in einem globalen Markt, dessen Schwerpunkt sich nach Asien verlagert hat, die auch dort notwendige enge Partnerschaft mit den Kunden zu erreichen und zu bewahren?

Patrick Thomas: Es gehört zu den Kernaspekten unseres Polyurethan- Systemgeschäfts, eng mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten – und das weltweit. Unsere BU Polyurethanes baut im Rahmen einer Vorwärtsintegration ein umfangreiches globales Netzwerk an PURSystemhäusern auf. Jüngste Beispiele sind Einrichtungen in Indien, Tschechien, Russland und Thailand. Die Häuser bieten in ihren Regionen jeweils kundenspezifische Produktprogramme an und beschleunigen durch Zusammenarbeit die Markteinführung von PUR-Innovationen. Damit sind sie sowohl bei der Entwicklung und Betreuung als auch geografisch sehr nah an den Kunden und ermöglichen einen schnellen und flexiblen Technologietransfer innerhalb des weltweiten Systemgeschäft- Netzwerks und von diesem direkt zum Polyurethan-Verarbeiter. Baysystems ist seit dem 1. März 2007 die Dachmarke für unser weltweites Polyurethan-Systemgeschäft, zu dem auch die bisherigen Produktmarken in diesem Segment gehören.

CHEManager: Wo liegen nach Ihrer Sicht neue, viel versprechende Potentiale für innovative Systemlösungen mit Polyurethanen?

Patrick Thomas: Ein wichtiger Schwerpunkt ist und bleibt die Automobilindustrie. Sowohl im Innenraum als auch in der Karosserie sind individuelle Lösungen mit hoher Designfreiheit gefragt. Weitere aktuelle Themen sind zum Beispiel Wärmedämmlösungen für die Kühlkette und den Baubereich, die Beschichtung von Walzen für Papierproduktion und Bergbau, Vergussmassen für die Elektro- und Elektronikindustrie, leistungsfähige medizintechnische Produkte, leichtgewichtige Sohlen für Sicherheitsschuhe, viskoelastische Schaumstoffe mit elastischer Sprühhaut sowie Sandwichelemente für Skier und Snowboards. Auch der Bereich: „Coatings, Adhesives and Sealants“, CAS, lebt von und wächst mit Sys-­ temlösungen.

CHEManager: Welches sind sei-­ ne wichtigsten Innovationen in jüngerer Zeit, insbesondere im Hinblick auf ihr Potential für die zukünftige Geschäftsentwicklung?

Patrick Thomas: Unser Polyurethan- Rohstoffprogramm für die Herstellung von Lacken, Klebund Dichtstoffen ist sehr breit gefächert und baut auf vier Schlüsseltechnologien mit starkem Wachstumspotential auf: Polyisocyanate, Prepolymere, Dispersionen und Harze für UV-strahlenhärtende Systeme. Entsprechend den Anforderungen der Märkte bieten wir weltweit maßgeschneiderte Produkte und Serviceleistungen an, mit dem Ziel, gemeinsam mit unseren Kunden Wert zu schaffen. Darüber hinaus hat Bayer Materialscience eine Gesellschaft mit dem Namen Viverso gegründet, die als 100-% ige Tochter mit einem neuen Geschäftsmodell auf Basis schlanker und einfacher Prozesse die weitere Vermarktung konventioneller Harze ab dem 1. Januar 2008 übernimmt. Neben den bekannten Produkten fokussieren wir uns auf die Erschließung neuer Geschäftsfelder und haben ein unternehmerisches Umfeld für deren Entwicklung geschaffen. Neben der Fortführung der Entwicklung von Beschichtungen mit geringerem Gehalt an Lösemitteln reicht das Spektrum von selbstheilenden Lacken über tiefziehfähige, mit Dual-Cure-Lacken beschichteten Polycarbonatfolien bis hin zu holografischen Datenträgern und Nano-Hybridbeschichtungen. Weitere Schwerpunkte sind medizinische Beschichtungen, Kosmetik, Papier, Druck und Druckfarben. Darüber hinaus arbeiten wir an der Entwicklung von Beschichtungen und Oberflächen mit weiteren Funktionalitäten, wie z. B. Sensorik, Photochromie, Elektrolumineszenz, Photovoltaik und medizinische Anwendungen.

CHEManager: Thermoplastische Polyurethane, TPU, haben Sie in einer eigen-­ ständigen Geschäftseinheit zu-­ sammengefasst, deren Volumen noch vergleichsweise klein ist. Auch bei diesen prägen Techno-­ logieentwicklung, innovative Systemlösungen für neue An-­ wendungen das Wachstum. Wo liegen die wesentlichen Wachs-­ tumsfelder? Können Sie den all-­ gemeinen Trend nutzen Elasto-­ mere durch thermoplastische Elastomere (TPE) zu ersetzen?

Patrick Thomas: Geografisch sind Greater China sowie die Region Asien-Pazifik der stärkste Wachstumsmarkt für TPU. Mit der im Juli abgeschlossenen Akquisition des taiwanesischen Anbieters Ure-Tech sind wir zum weltweit größten Anbieter von TPU-Granulaten und Folien geworden und wollen am Marktwachstum überdurchschnittlich partizipieren. Mit der geplanten Verlegung unseres TPU-Headquarters nach Hong Kong wollen wir der großen Bedeutung dieser Region für unser TPUGeschäft Rechnung tragen. In Asien liegt ein besonderer Schwerpunkt auf Sport- und Freizeitartikeln sowie dem Einsatz von TPU-Folien. Weltweit dominieren Anwendungen in der Automobilindustrie, der Medizintechnik und weiteren, zum Teil hoch technisierten Branchen. Unsere hohe Innovationskraft ermöglicht die kontinuierliche Entwicklung neuer Anwendungen, z. B. den Einsatz von lichtechtem TPU zur Oberflächenveredelung im Automobilinnenraum. Wir verfügen über ein globales Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk und – auch dank der Akquisition von Ure-Tech – in allen Regionen über erfahrene Mitarbeiter. Diese können gemeinsam mit unseren Kunden vor Ort individuell und schnell Lösungen für verschiedenste Anwendungen erarbeiten und dabei das vielseitige Eigenschaftsprofil von TPU auch dazu nutzen, Elastomere und andere TPE zu substituieren.