Open Innovation bei Büfa
Das mittelständische Chemieunternehmen Büfa ist offen für Neues und setzt auf die Zusammenarbeit mit Start-ups
Heute beschäftigt die Gruppe über 550 Mitarbeiter in den Geschäftsfeldern Chemicals, Cleaning und Composites und erzielt einen Umsatz von rund 255 Mio. EUR. Wie gelingt dem Unternehmen der Spagat zwischen Tradition und Zukunft? Mit welcher Strategie und welchen Innovationen will es auch künftig wettbewerbsfähig bleiben? Andrea Gruß befragte dazu Geschäftsführer Felix Thalmann.
Herr Thalmann, welche Bedeutung hat Innovation für ein mittelständisches Chemieunternehmen?
F. Thalmann: Innovation ist die Grundlage für nachhaltiges, organisches Wachstum und damit die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Sie ist ein zentrales Thema im Mittelstand und zugleich der Schlüssel zur Differenzierung von großen Konzernen, deren klare Vorteile in den Economies of Scale liegen. Mittelständische Unternehmen können ihre Wettbewerbsfähigkeit durch innovative Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen erhöhen.
Hierbei bietet ihnen das Zusammenspiel von Digitalisierung, Denken in Stoffkreisläufen und anderen Nachhaltigkeitsthemen ein großes Potenzial für Innovationen.
Sind es diese Themen, die Büfa mit dem Claim „Neue Chemie“ adressieren will?
F. Thalmann: „Neue Chemie“ ist ein großes Versprechen. Der Begriff löst Diskussionen aus, aber genau das wollen wir. Wir haben den Claim gemäß unserer Unternehmensgrundsätze entwickelt, die wir immer weiter verdichtet haben. Zum einen möchten wir der Öffentlichkeit transparent sagen, was wir tun: Wir sind ein traditionelles Chemieunternehmen, das 1883 in Oldenburg gegründet wurde. Auf der anderen Seite wollen wir Kunden vermitteln, dass wir mit unseren chemischen Produkten und Dienstleistungen am Puls der Zeit sind und uns an Nachhaltigkeitsprinzipien orientieren.
Wie entstehen Innovationen bei Büfa?
F. Thalmann: Wir betreiben eine eigene Forschung und Entwicklung. Das Wenigste wird von uns aber alleine entwickelt. Meist kommt der Input vom Kunden, der mit seinen Bedürfnissen an uns herantritt. Zudem pflegen wir den Kontakt zu Lieferanten, vernetzen uns mit Universitäten und arbeiten zusammen mit Start-ups.
Der offene Ansatz der Innovation, Open Innovation, ist die Chance für den Mittelstand. Früher hatten vor allem große Konzerne Forschungs- und Entwicklungsabteilungen mit hervorragender Expertise. Heute, in der Zeit der Digitalisierung, ist Wissen überall verfügbar. Wir können auf die Expertisen der Wissenschaft aus der ganzen Welt zugreifen, auch als mittelständisches Unternehmen, wenn wir nur offen genug agieren.
Ist ein erfolgreicher Open-Innovation-Prozess eine Frage der Unternehmensgröße?
F. Thalmann: Er ist eher eine Frage der Unternehmenskultur. Für kleinere Unternehmen ist es jedoch einfacher, die eigene Kultur zu verändern. Je größer die Organisation ist, desto größer ihr Beharrungsvermögen und desto höher der Kraftaufwand, um etwas zu ändern.
Welche Kultur fördert Innovation?
F. Thalmann: Voraussetzung ist eine offene Unternehmenskultur. Auch mittelständische Unternehmen müssen erkennen: Die Zeit, etwas für sich zu behalten und Wissen zu schützen, ist vorbei. Wir brauchen eine Kultur des Zuhörens insbesondere bei der Zusammenarbeit mit dem Kunden, aber auch eine Kultur der Eigenverantwortung, Partizipation und des Vertrauens innerhalb des Unternehmens. Und uns muss bewusst sein: Wenn wir innovieren, dann führen nicht alle Innovationen zum Erfolg. Wir machen Fehler. Mit diesen müssen wir konstruktiv umgehen.
Büfa gehört zu den ersten mittelständischen Unternehmen, die sich über den High-Tech Gründerfonds (HTGF) für die Finanzierung von Start-ups engagieren. Welches Ziel verfolgen Sie dabei?
F. Thalmann: Als mittelständisches Unternehmen können wir kein eigenes Trendscouting aufsetzen. Der HTGF ist der größte Frühphasenfonds. Er sieht sofort, wenn sich Technologietrends entwickeln. Deshalb haben wir uns im Mai 2017 am dritten High-Tech Gründerfonds beteiligt und dafür 3 Mio. EUR investiert.
Als Investor des Fonds gehören wir zum Investment-Komitee und entscheiden mit, in welches Start-up investiert wird. Wir können uns auf Netzwerktreffen mit anderen Investoren austauschen oder auf dem Family Day oder der Partnering Konferenz Kontakt zu Start-ups knüpfen.
Wo arbeitet Büfa mit Start-ups zusammen?
F. Thalmann: Wir arbeiten derzeit mit fünf bis sechs Start-ups zusammen, zum Beispiel mit Multibind. Sie sind als verlängerter Arm unseres Labors tätig und entwickeln und prüfen für uns Produkte im Reinigungs- und Hygienebereich. Mit dem Start-up Flowtify hatten wir eine Kooperation im Hygienemanagement; mit Nfon kooperieren wir bei der Voice-over-IP-Telefonie, mit Userlane bei Softwareschulungen und mit Servotec im Composite-Bereich. Manchmal sind wir Kunde der Start-ups, in anderen Fällen Kooperationspartner oder wir haben das Ziel, direkt zu investieren.
Die Zusammenarbeit mit Start-ups gibt uns die Möglichkeit, Produkte und Dienstleistungen zu testen, die nicht zu unserem traditionellen Geschäftsfeld zählen. Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv, wenn auch die Kooperationen nicht immer erfolgreich sind. Das ist inhärent bei den Start-ups. Auch die Gründer wissen nicht zu 100 %, ob ihr Unternehmen Erfolg haben wird.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Hürden im Mittelstand für eine Zusammenarbeit mit Start-ups?
F. Thalmann: Eine Kooperation mit einem Start-up erfordert Investitionen. Sie erfordert Ressourcen. Und sie erfordert Zeit. Zudem ist sie immer mit einem Risiko verbunden. Ein Unternehmen muss die Finanzkraft und den Willen haben, Ressourcen dafür zu verwenden. Darüber hinaus bedarf es, wie bereits beschrieben, einer offenen Kultur. Denn Start-ups denken und funktionieren anders. Das ist erfrischend, aber manchmal völlig unterschiedlich zum Denken in einem traditionellen Unternehmen.
Büfa kooperiert nicht nur mit Start-ups, sondern ist auch selbst zum Gründer geworden. Wie kam es dazu?
F. Thalmann: Wir sind davon überzeugt: Alles, was digitalisierbar ist, wird irgendwann digitalisiert werden. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Wertschöpfungskette auf mögliche Risiken durch die Digitalisierung analysiert. In unserem Fall sehen wir ein Risiko im Chemikalienhandelsbereich. Aktuell verdienen wir dort durch guten Einkauf und Verkauf. Wenn sich allerdings auf einer Plattform Produzenten und Kunden direkt vernetzen, wäre unsere Dienstleitung zum Teil überholt. Ähnlich wie das in anderen Branchen durch Airbnb oder Uber bereits geschehen ist, könnte sich zum Beispiel eine Plattform wie Alibaba auch in Europa im Chemiehandel betätigen. Deshalb haben wir mit Chembid selbst ein Start-up gegründet, das eine weltweite Plattform für den gewerblichen Ein- und Verkauf von Chemikalien und Dienstleistungen betreibt.
Mit welchem Erfolg?
F. Thalmann: Bislang sind es 30 Marktbegleiter, Produzenten und Chemiehändler, die auf dem Marktplatz mitbieten. Aber wir haben Chembid darüber hinaus zu einer globalen Suchmaschine für Chemikalien und Dienstleistungen erweitert, die heute auf über 1,8 Millionen Produkte von rund 59.000 Anbietern aus 172 Ländern zugreift. Damit haben wir uns selbst den Wettbewerb ins Haus geholt.
In Europa ist die Anzahl der Chembid-Nutzer noch beschränkt, aber in Asien wird die Plattform rege genutzt. Das freut uns, denn wir können viel von der Nutzung dort lernen. Die Anbieter dort sind in der Vermarktung von Chemikalien über das Internet und was die Transparenz von Preisen angeht schon deutlich weiter. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der europäische Chemikalienmarkt auch schrittweise digitalisiert wird. Wenn das geschieht, sind wir bereits am Markt präsent.
Wo sehen Sie weitere Chancen oder Risiken der Digitalisierung für Ihr Unternehmen?
F. Thalmann: Neben der Veränderung des Geschäftsmodells im Chemiehandelsbereich, sehe ich auch große Chancen für uns in der Dienstleistungserweiterung. Wir könnten zum Beispiel nicht nur Hygieneprodukte, sondern auch ein Hygienemanagement mittels einer Software anbieten, über den ein Lebensmittelbetrieb seinen Verbrauch und seine Hygienewerte verwalten kann. Im Bereich unseres Composite-Geschäfts könnten sich Chancen und Anwendungsfelder durch den 3D-Druck ergeben.
Die Digitalisierung wird Branchengrenzen verwischen. Es besteht die Gefahr, dass Organisationen oder große Plattformen in den Markt drängen und uns als Chemieproduzent der Kundenkontakt abhandenkommt. Chemieunternehmen sollten daher dafür sorgen, dass sie die Nähe zum Kunden nicht verlieren.
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