Netzwerk der digitalen Zwillinge
„Facebook für Maschinen“ verändert die Produktions- und Instandhaltungswelt
Stellen Sie sich ein Getriebe, eine Pumpe oder einen Filter vor. Je nachdem, ob Sie Hersteller, Anwender oder Service-Partner dieser Dinge sind, gibt es unterschiedliche Sichten, unterschiedliche Interessen und unterschiedlichen Informationsbedarf. Als digitales Abbild in einem Internet der Dinge kann der digitale Zwilling alle diese unterschiedlichen Sichten bedienen.
Der Hersteller von Geräten möchte vermutlich mehr über die Verwendung seiner Produkte erfahren und möchte für die korrekte Verwendung die technischen Parameter bereitstellen. Idealerweise ist mit dem Gerät gleich ein Komponenten- und Ersatzteilkatalog verknüpft, so dass im Wartungsfall schnell die richtigen Original-Teile nachbestellt werden können. Davon profitiert auch der Service-Partner, der im Wartungsfall sofort sieht, welche Ersatzeile genau für dieses Gerät in der verbauten Ausstattung notwendig sind. Der Anwender möchte sich nicht in unzähligen, unterschiedlichen Hersteller-Portalen einloggen, um die Datenblätter und Wartungsanleitungen abzurufen. Ziel ist eine einzige Plattform, in der alle verwendeten Geräte zu finden sind und die Richtigkeit der Daten durch den Hersteller (as designed, as built) und den Service-Partner (as maintained) über den Lebenszyklus zentral zur Verfügung stehen. SAP stellt mit dem Asset Intelligence Network (AIN) eine geeignete Cloud-Plattform für dieses Netzwerk zur Verfügung.
Struktur des virtuellen Abbildes
Wie aber muss ein digitaler Zwilling ausgestaltet sein, damit er den unterschiedlichen Anforderungen gerecht wird? Der digitale Zwilling ist eine virtuelle Beschreibung über die Beschaffung, Funktionen und Prozesse von (realen) Dingen, die kontextsensitiv notwendig sind. Dafür bedarf es der Beschreibung der technischen Infrastruktur und des Ding-Modells über den gesamten Lebenszyklus von Design und Erstellung über Wartung und Pflege bis zum Ende des Produktlebenszyklus. Die Abbildung der technischen Infrastruktur ist notwendig, damit das Modell unabhängig verwendet werden kann. Die technische Infrastruktur lässt sich aufteilen in Prozesse, Stammdaten und Schnittstellen.
Die Prozesse beschreiben die Methoden und Verfahren wie z. B. Arbeitsanweisungen für Wartungsarbeiten. Stammdaten sind das Herz des digitalen Zwillings, sie beschreiben die genaue Beschaffenheit des Dings im Internet der Dinge. Saubere Stammdaten werden dafür sorgen, dass der digitale Zwilling hilft, Arbeitsschritte und Prozesse zu vereinfachen. Die Beschreibung der Schnittstellen ermöglicht erst die automatische Anbindung und das Netzwerken des virtuellen Zwillings in einem Verbund von Zwillingen sowie den Austausch von Daten mit dem realen Pendant.
Modellierung des Dings
Umgesetzt wird das Abbild hierarchisch strukturiert als so genanntes „Thing Model“. Dieses Modell bringt alle notwendigen Eigenschaften mit, um im Internet der Dinge Aufgaben zu übernehmen. Das Thing Model bildet zunächst die Struktur und das Modell des Originals ab. Dafür wird das Modell in unterschiedliche Schichten zerlegt, die als Vorlage für mehrere Zwillinge dienen können. Die Detailtiefe, die über den Lebenszyklus wächst, erlaubt es, bestimmte Funktionen über den digitalen Zwilling abzubilden. Also beispielsweise ist bekannt, welcher Dichtungsring in einer Pumpe verbaut ist und für welche Flüssigkeiten dieser Dichtungsring zugelassen ist – also z. B. keine Säuren. Diese Funktion hängt an dem digitalen Zwilling der physischen Pumpe und kann so dafür Sorge tragen, dass im Prozess bestimmte Funktionsparameter eingehalten werden.
Über den Betrieb können dem digitalen Zwilling dann auch Performance-Daten zugeschrieben werden. Neben beispielsweise Druck- oder Temperaturdaten bzw. die erwähnten Flüssigkeiten können und müssen auch Veränderungen am realen Produkt an der virtuellen Kopie dokumentiert werden, also bspw. wenn bei der Wartung ein Bauteil getauscht wurde, wie der erwähnte Dichtungsring, der nun für Säuren geeignet ist, so dass der virtuelle Zwilling wieder dem realen Gegenstück entspricht.
Das SAP Asset Intelligence Network als Teil des Leonardo IoT-Innovations-Portfolios bringt alle diese Dimensionen in einer cloudbasierten Netzwerkplattform zusammen. Hersteller können ihre Geräte mit den spezifischen Eigenschaften dort ablegen. Aber auch Anwender können von ihrer Seite ein Netzwerk initialisieren und ihre Hersteller- und Service-Partner einladen, ihre Produkte als digitalen Zwilling dort bereitzustellen. Das digitale Modell bleibt in jedem Fall das Gleiche, lediglich die Rechtevergabe und Sichten ändern sich. Also doch kein Facebook, sondern eine Business-Plattform, die sich an (Geschäfts-)Prozesse und Sicherheitsanforderungen von Unternehmen ideal anpassen lässt.
Anwendungsfall Instandhaltung
Wie sieht ein typischer Anwendungsfall dafür nun aus? Ein Pumpenhersteller könnte seine Pumpe gemäß den as-designed- und as-built-Daten im Netzwerk bereitstellen. Zusätzlich verknüpft er die Pumpe mit Daten wie den zugehörigen Ersatzteilen und ggfs. dem Vorgänger- und Nachfolger-Produkt. Die Dokumente hält er dort zentral auf dem neusten Stand. Außerdem nutzt der Hersteller die Plattform, um über Neuerungen (bspw. Software-Upates) proaktiv zu informieren. Der Chemiepark bindet diese Pumpe in seine Asset-Sicht ein und ergänzt den Zwilling mit Performance-Daten, die über die Sensoren gesammelt werden. Der Service-Partner wiederum bekommt eine Dienstleister-Sicht auf die Dinge. Neben regulären Wartungsintervallen können es auch vorausschauende Parameter sein, so lässt sich eventuell aus dem steigenden Stromverbrauch ablesen, dass die Pumpe bald eine Wartung benötigt, damit sie nicht ausfällt. Notwendige Ersatzteile können direkt über das Netzwerk bestellt werden, da der Hersteller bereits angegeben hat, welche Ersatzteile für diese Pumpe passend sind. Also ein Netzwerk über Hersteller, Anwender und Servicepartner mit dem digitalen Zwilling im Zentrum für eine effizientere Zusammenarbeit.