Nachhaltigkeit als Wachstumstreiber
Mit neuen Produkten und Prozessen will CHT die chemische Wertschöpfungskette nachhaltiger machen
Die CHT-Gruppe entwickelt und produziert Spezialchemikalien und Silikonelastomere für vielfältige industrielle Prozesse. Die Chemikalien verbessern bspw. die Funktionalität von Textilien, Baustoffen, Farben, Lacken, Papier, Leder sowie von Reinigungs- und Pflegeprodukten, und die Silikone werden in der Medizintechnik und Elektronikindustrie eingesetzt. Von der Konzernzentrale in Tübingen werden 25 operative Gesellschaften weltweit koordiniert. Damit auch das Engagement des Unternehmens für Nachhaltigkeit global wirken kann, hat die CHT-Gruppe zum 1. Oktober 2021 die neue Position des Chief Sustainability Officer (CSO) geschaffen, die von Annegret Vester bekleidet wird. CHEManager befragte sie zu Ihrer Strategie und Ihren Zielen.
CHEManager: Frau Vester, Sie haben schon vor Ihrer Ernennung zur CSO die Transformation der CHT zu einem heute klar auf Nachhaltigkeit fokussierten Chemieunternehmen begleitet. Wie haben die Anfänge des Nachhaltigkeitsmanagements ausgesehen?
Annegret Vester: Die CHT hat vor knapp 10 Jahren erkannt, dass das Thema Nachhaltigkeit eine hohe Relevanz für die Ausrichtung des Unternehmens haben wird. Eingestiegen sind wir damals mit einer Analyse, der Bestimmung des Status Quo und der Festlegung der für CHT wichtigen Nachhaltigkeitsthemen. Dies haben wir – unterstützt von der Initiative Chemie3 – mittels eines Nachhaltigkeitschecks gemacht. 2015 haben wir dann bereits Nachhaltigkeitsziele in die Unternehmensstrategie aufgenommen und über die Unternehmensvision, der bevorzugte Partner und die führende Referenz für nachhaltige chemische Lösungen in unseren Märkten weltweit zu sein, fest verankert.
Unser Fokus hat sich sehr stark darauf gerichtet, die Kunden mit nachhaltigen Produkten und Lösungen zu beliefern, als Arbeitgeber und Geschäftspartner einen Beitrag zum sozialen Fortschritt der Gesellschaft zu leisten und durch nachhaltiges Handeln ökonomische, ökologische und personelle Risiken zu minimieren.
Das Nachhaltigkeitsmanagement wurde von Anfang an über das Sustainability Steering Committee im Unternehmen gesteuert. Durch die Besetzung mit dem CEO, Frank Naumann, und dem CTO, Bernhard Hettich, ist klar ersichtlich: Nachhaltigkeit ist in der CHT Chefsache. Diese Tatsache fordert – aber noch mehr hat es unser Nachhaltigkeitsmanagement unterstützt. Ich bin ein Gründungsmitglied und war auch vor meiner Ernennung zum CSO Mitglied des Lenkungskreises.
„Nachhaltigkeit ist in der CHT Chefsache.“
Im Rahmen der „Strategie 2025“ hat sich CHT Nachhaltigkeitsschwerpunkte gesetzt. Welche sind das?
A. Vester: Nach wie vor ist es für uns von höchster Wichtigkeit, nachhaltige chemische Lösungen und Produkte anzubieten, die unseren Kunden und der gesamten Supply Chain helfen, nachhaltiger zu werden. Dazu gehören auch Anforderungen wie die Kreislauffähigkeit. Der nächste große Aufgabenschwerpunkt befasst sich mit dem Klimaschutz. Wir sind seit 2020 Partner der Chemistry4Climate-Plattform des VCI und haben uns Ende 2021 mit der Unterzeichnung der Science-Based-Targets-Erklärung zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens und der Klimaneutralität bis 2045 verpflichtet. Ein weiterer Schwerpunkt kommt mit der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes ab 2024 auf uns zu, und wir werden die folgenden Monate dazu nutzen, um uns entsprechend vorzubereiten.
Was werden Ihre Aufgaben in der neuen Position sein, worauf werden Sie Ihren Fokus richten?
A. Vester: Die Aufgaben meines Teams sind umfangreich, da wir in den nächsten Monaten anhand der weltweit ermittelten internen Daten die erste Klimabilanz für die CHT-Gruppe erstellen werden. Basierend auf dieser Bilanz werden wir ambitionierte, aber zugleich auch realistische Ziele für die CO2-Reduktion der CHT-Gruppe erarbeiten und im Sustainability Steering Committee definieren. Auch beim Klimaschutz richten wir unseren Blick nicht nur auf das eigene Unternehmen, sondern werden entlang der Lieferkette weiterhin an Lösungen arbeiten, die unsere Kunden bei ihren Klimaschutzzielen unterstützen. Darüber hinaus haben wir uns nicht nur vorgenommen, unsere Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern, sondern wir lassen dies jährlich durch eine EcoVadis-Zertifizierung überprüfen.
„Nach wie vor ist es für uns von höchster Wichtigkeit,
nachhaltige chemische Lösungen und Produkte anzubieten, die unseren Kunden und der gesamten Supply Chain helfen, nachhaltiger zu werden.“
Die Schaffung der CSO-Position passt zu einem Unternehmen, das Nachhaltigkeit als strategische Entscheidung für die Zukunftsfähigkeit und auch als Investition in den unternehmerischen Erfolg sieht.
Wie wird sich das in der Praxis bemerkbar machen, welche Maßnahmen planen Sie?
A. Vester: Wir möchten die Wahrnehmung von Nachhaltigkeit innerhalb der CHT, aber auch extern, sehr viel stärker positionieren. Der Umfang der Aufgaben und der Anforderung an Unternehmen hat zugenommen, und wir halten es für extrem wichtig, auf alle Facetten, die der European Green Deal mit sich bringen wird, vorbereitet zu sein. CHT wird sich in Zukunft – auch in den Verbänden beziehungsweise im Verbund mit den anderen Playern – im Markt noch stärker als bisher beim Thema Nachhaltigkeit positionieren.
So wird die Transformation der chemischen Industrie zur Klimaneutralität zum Beispiel alle Beteiligten in der Supply Chain gleichermaßen fordern, hinsichtlich Datenbeschaffung, Berichtspflicht und Reduktion der Emissionen bei gleichzeitig steigendem Bedarf an Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie und nachhaltigen Rohstoffen. Für mittelständische Unternehmen wie die CHT heißt das nicht nur, dass jetzt schon die Ressourcen geschaffen werden müssen, sondern dass wir uns einbringen müssen in die Diskussion um die Strategie und Voraussetzungen der Industrie, damit diese nicht nur auf die Bedürfnisse der Großindustrie ausgerichtet bleibt.
Mehr noch ist diese Beteiligung und Positionierung wichtig, wenn man die sich abzeichnenden Veränderungen betrachtet, die das Thema Kreislaufwirtschaft sowie die neue EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit mit sich bringen. Im Rahmen der Chemikalienstrategie sind Änderungen geplant, wie zum Beispiel Polymer REACh, die innovativen Unternehmen des deutschen Mittelstands vor große finanzielle Herausforderungen stellen werden. Darüber hinaus sind weitere Veränderungen geplant, die eine schadstofffreie Umwelt im Rahmen des EU-Green Deals gewährleisten sollen. Es steht zu befürchten, dass sich diese negativ auf die globale Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Chemieunternehmen und der nachfolgenden Industrie auswirken werden. Auch hier ist es wichtig, sich auf Verbandsebene einzubringen, wenn an einer Risikoabschätzung seitens der Industrieverbände gearbeitet wird. So beteiligen wir uns seit Beginn 2021 im laufenden CEFIC Risk Assessment „Chemical Strategy Sustainability“.
Das Aufgabenspektrum für das globale Nachhaltigkeitsmanagement in der CHT-Gruppe ist umfangreich, vielfältig und herausfordernd. Darüber hinaus wird der weitere Weg ein großes Investment von der CHT abfordern, dennoch werden wir diesen Weg mit unseren Industriepartnern und Kunden unbeirrt weitergehen.
Sie wollen die Unternehmensstrategie an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen – SDGs – ausrichten. Das klingt zunächst einmal abstrakt. Können Sie konkrete Beispiele nennen, welche Handlungsfelder Sie für CHT definiert haben?
A. Vester: Die SDGs erscheinen nur auf den ersten Blick abstrakt, wenn man sich aber tiefer damit beschäftigt, bekommt man nahezu einen Leitfaden. Eigentlich geht es darum, für das eigene Unternehmen folgende Fragestellungen zu beantworten: Welche SDGs sind relevant für uns, unser Unternehmen? Wo leisten wir bereits einen guten Beitrag? Wo sollten wir uns verbessern? Und: Welche SDGs haben Bedeutung beziehungsweise zahlen auf die Megatrends unserer Zeit ein?
Mit der Festlegung der eigenen Position, so ist unsere Erfahrung, ist die Verknüpfung mit den eigenen strategischen Zielen nicht mehr so schwer. Unsere generellen Handlungsfelder gehen in Richtung eines nachhaltigen Produktsortiments, inklusive der Befähigung von Kreislaufwirtschaft, und damit decken wir nicht nur die SDGs 8 und 12 ab, sondern auch – je nach industrieller Anwendung und Einsatz des Produktes – die SDGs 3, 6, 13, 14 und 15. Darüber hinaus haben wir uns interne, nicht-finanzielle Ziele gesetzt, die sich neben dem bereits erwähnten Klimaschutz auf die Sustainable Development Goals auswirken, so zum Beispiel die Verringerung von Arbeitsunfällen.
Die Intensivierung der weltweiten Arbeitsschutzmaßnahmen bzw. durch Schulung und einheitliche Standards beim Arbeitsschutz sorgen nicht nur für Good Health and Wellbeing – SDG 3, sondern unterstützen auch Wirtschaftlichkeit und Profit des Unternehmens – SDG 8
Nehmen wir ein zweites, internes Strategieziel: „Reduktion der spezifischen Wasser- und Energieverbräuche um 10% bis 2025 in allen Produktionsstandorten“. Dieses Ziel hat nach unserem unternehmerischen Empfinden eine klare Auswirkung auf die SDGs Clean Water – SDG 6, Decent Work & Economic Growth – SDG 8, Responsible Production – SDG 12 – und Climate Protection – SDG 13.
Der Ratschlag an dieser Stelle könnte sein, nicht zu versuchen, einen großen „weltverändernden Beitrag“ zu leisten und deshalb eventuell gar nicht erst zu beginnen, sondern es kommt auf den individuellen Ansatz an und auf die Schritte, die man tut, egal wie klein und unbedeutend sie uns auch vorkommen mögen!
Für Ihr operatives Geschäft spielen die SDGs im Bereich Ökologie eine zentrale Rolle. CHT will zur führenden Referenz bei nachhaltigen chemischen Lösungen werden. Haben Sie Beispiele für einzelne Anwendungen?
A. Vester: Beispiele gibt es in allen unseren Geschäftsfeldern und den von ihnen bedienten Industrien. Nehmen wir die Textilindustrie, die aktuell in Teilen der Welt als umweltkritisch angesehen wird, da sie für hohe CO2-Emissionen und Abwassermengen verantwortlich ist. Für die CHT-Gruppe gehören Textilchemikalien zum Traditionsgeschäft, deshalb unternehmen wir auch seit Jahrzehnten gemeinsam mit unseren Kunden Anstrengungen, um Textilprozesse nachhaltiger und umweltverträglicher zu gestalten. So haben wir schon vor Jahren ein nachhaltiges Färbeverfahren für zellulosische Fasern auf den Markt gebracht, das es Textilveredlern ermöglicht, bis zu 20 % Energie und 37 % Wasser im Prozess einzusparen. Die zum Konzept gehörenden Farbstoffe haben eine sehr hohe Faseraffinität, und auch das Paket an Prozesshilfsmitteln wurde eigens entwickelt.
Ein weiteres Beispiel für eine nachhaltige chemische Lösung für die Textilindustrie ist das erste biologisch abbaubare und Cradle2Cradle-zertifizierte Textildrucksystem CHT Ecoprint. Ein namhafter deutschen Discounter ist vor einigen Jahren mit der Idee an uns herangetreten. Man wollte biologisch abbaubare Textilien vermarkten und benötigte dafür auch die entsprechenden Chemikalien. Gemäß den Vorgaben der Environmental Protection Encouragement Agency, EPEA, wurde ein solches Drucksystem realisiert, und mittlerweile hat der Discounter entsprechende Textilien in das Sortiment aufgenommen.
Aber solche Beispiele gibt es auch in anderen Industriesegmenten. CHT-Kunden in der Papierindustrie haben 2020 mit einem auf einer speziellen Enzymformulierung basierenden Verfahren zusammen den Stromverbrauch einer deutschen Kleinstadt eingespart. Insgesamt wurde mit dieser Enzymtechnologie über 13.100 MWh Strom eingespart, was einer Versorgung von circa 4.370 Haushalten entspricht. Darüber hinaus ermöglicht das Verfahren erstmalig die Verarbeitung von schneller wachsenden Kurzfasern.
Für die genannten Beispiele waren und sind Investitionen in Forschung & Entwicklung nötig. Wie wettbewerbsfähig sind innovative, nachhaltige Produkte im Vergleich zu konventionellen?
A. Vester: Innovationen haben ihren Preis, und hier liegt das Dilemma: Da noch nicht alle Konsumenten, aber auch nicht alle Player innerhalb der Lieferkette bereit sind, für nachhaltige Produkte und Lösungen einen höheren Preis zu bezahlen, lassen sich solche innovativen Prozesse nur langsam implementieren.
Was tun Sie, um die Akzeptanz voranzutreiben?
A. Vester: Als wichtig erscheint aus unserer Sicht die Schaffung von weltweit vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen, die unter anderem durch die Schaffung beziehungsweise Akzeptanz von einheitlichen Standards vorangetrieben werden könnten. Die CHT-Gruppe ist eines der Gründungsmitglieder von „Sustainable Chemistry for the Textile Industry“ – SCTI, einer Allianz der sieben führenden Textilchemieunternehmen. Ziel der SCTI ist es, zu erreichen, dass die globale Textilindustrie nachhaltiger wird.
Das Interview mit Annegret Vester führten Birgit Megges und Michael Reubold.
ZUR PERSON
Annegret Vester ist seit Oktober 2021 Chief Sustainability Officer (CSO) von CHT Germany. Die promovierte Chemikerin (Universität Stuttgart) ist seit 2001 beim Tübinger Chemieunternehmen tätig, zunächst als Leiterin des weltweiten Marketing und seit 2019 als Verantwortliche für den Bereich Strategy & New Business Development. In diesen Funktionen begleitete sie bereits die Transformation von CHT zu einem auf Nachhaltigkeit fokussierten Chemieunternehmen.
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