Logistik & Supply Chain

Nachhaltigkeit als Schlüssel für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit

Die Chemie- und Pharmaindustrie im Fokus auf dem Supply Chain CX 2024 in Berlin

11.12.2024 - Der Transformationsprozess zum nachhaltigen Wirtschaften ist ein langer Weg, der sich lohnt.

Wie steht es um die Nachhaltigkeit in der Logistik? Kommen wir mit der Dekarbonisierung voran? Welche „Best Practices“ gibt es? Antworten lieferte die „BVL Supply Chain CX“ in Berlin. Als Nachfolge-Event des Deutschen Logistik-Kongresses fand der Branchentreff der Logistiker an neuem Ort im Estrel Berlin statt – und zwar mit völlig neuem Konzept. Mehr als 2.600 Teilnehmende und über 220 Speaker auf acht Bühnen sowie eine neue Expo-Area boten diverse Netzwerkmöglichkeiten. CHEManager besuchte zwei der Fachsessions zum Thema Nachhaltigkeit.

Im Slot „Güterverkehr im Wandel“ beleuchteten Referenten von Shell, Hellmann Worldwide Logistics und Schäffler die Herausforderungen und Chancen der Dekarbonisierung von Transportketten. In der Session „Supply Chains im Wandel“ präsentierten Vertreter von VW, Bosch, Tchibo und Duvenbeck ihre Lösungsansätze.

Güterverkehr im Wandel

Stefan Doch, Geschäftsführer von ITCL, moderierte das Panel „Güterverkehr im Wandel“. Er informierte zum Stand und den Herausforderungen der Dekarbonisierung – unterstützt von Fachreferenten, die die verschiedenen Transport-Modi beleuchteten.

Jens Müller-Belau, Geschäftsführer Energiewende Deutschland bei Shell, stellte zunächst die verfügbaren alternativen Kraftstoffe und Antriebssysteme vor. Mit Renewable Diesel, Elektroantrieb, LNG und Hydrogen Refueling hat sich Shell breit aufgestellt für die Antriebswende. Müller-Belau appellierte angesichts der weitgehend ausgesetzten Förderprogramme an die Politik, die strukturellen Veränderungen weiter voranzutreiben. Er bezog sich dabei auf Instrumente wie CO2-Maut und Energiesteuer. Der Shell-Referent sprach von „guten Signalen für Kunden, die nach vorne gehen wollen“. Er gab jedoch zu bedenken, dass „es Zeit braucht, Infrastrukturen auszubauen“ und die ganzheitliche Transformation noch sehr anspruchsvoll sei.

Stefan Borggreve, Chief Digital Officer und Vorstandsmitglied von Hellmann Worldwide Logistics, präsentierte die Nachhaltigkeitsstrategie des global operierenden Logistikdienstleisters. Er betonte, dass die Transparenz der Ketten ganz entscheidend sei, denn: „Was ich nicht messen kann, kann ich nicht bewegen“. Borggreve erläuterte die klare Priorisierung der Carbon-Footprint-Maßnahmen gemäß dem „Sustainable Approch“ von Hellmann: erstens Messung der Emissionen, zweitens Vermeidung und Optimierung, drittens Reduktion der Emissionen und viertens Kompensation. Die verschiedenen Transport-Modi bieten seiner Meinung nach unterschiedliche Optimierungspotenziale in Bezug auf die Treibhausgas-Reduktion. Was Diesel-Alternativen betrifft, gebe es bei Lkw-Transporten mit Bio-LNG, Elektroantrieb und HVO mehrere Möglichkeiten, heute schon effektiv Emissionen zu senken, während er bei der Bahn die Elektrifizierung als zentrale Maßnahme sieht. Im Seeverkehr und in der Luftfracht stünden alternative Kraftstoffe im Fokus, etwa SAF im Aircargo-­Segment. Bei der Bündelung von Frachten sieht Borggreve ein großes Potenzial, bspw. von Teilladungen zu Vollcontainern im internationalen Güterverkehr: „Das ist derzeit der größte Hebel, denn dafür brauche ich keine neue Infrastruktur“. Der Hellmann-CDO machte sich dafür stark, „Nachhaltigkeit ganz oben in der Unternehmensleitung und in der Kern-Wertschöpfung zu verankern“.

David Werth, VP Strategische Logistik bei Schäffler VLS, stellte die CO2-Footprint-Strategie der Schäffler-Gruppe vor, insbesondere im Hinblick auf den Ersatzteilemarkt, den die „Vehicle Lifetime Solutions“ bedient. Strategie-Elemente wie Green Transportation, Green Energy und Green Packaging müssten verknüpft und in der Standortplanung berücksichtigt werden. Als Beispiele nannte er die Auslastung der Liefer-Lkw, „um die Menge an Luft im Lkw zu reduzieren“ und dies in Kombination mit der Rückführung von Verpackungen bzw. der Etablierung von Mehrwegsystemen. Für Letzteres sei ein effektives Leergut-Management erforderlich. Der Aufbau und die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien funktionierten am besten im Rahmen von Kollaborationen, um die Herausforderungen zu meistern. Industrie und ihre Logistiker sollten „den Carbon-Footprint gemeinsam denken und auch branchenübergreifend arbeiten“. Denn nur durch diese enge Kooperation aller Teilnehmer der Supply Chains ließen sich die erforderlichen Skaleneffekte erzielen.

 

Supply Chains im Wandel

In der Session „Supply Chains im Wandel: Durch Nachhaltigkeit zur Transformation“ lag der Fokus nicht nur auf dem Transport, sondern auf der ganzheitlichen Betrachtung der Thematik. Moderiert wurde die Runde von Payam Dehdari, Professor an der Hochschule für Technik Stuttgart. Hier ging es um das bewusste Einbeziehen von Einkauf und Vertrieb in die Prozesse, um die Akzeptanz und auch die Wirtschaftlichkeit von Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu erhöhen.

Simon Motter, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Volkswagen Konzernlogistik, erläuterte, wie sich die Transformation auf die Supply-Chain-Struktur von VW auswirkt. Die Herstellung von Elektroautos bedeute für die VW-Logistik bspw., dass sich die Logistikverantwortlichen beim Transport von Fahrzeugbatterien nun intensiv mit Gefahrgut-Regularien befassen müssten. Bei der Rohstoffbeschaffung seien zudem die Beförderung von Schüttgut und chemischen Stoffen neue Themenfelder, aufgrund der benötigten Supply Chains für Lithium & Co. Etwa 30 bis 40 % der Lieferketten müssten bei der Herstellung von Elektroautos neu entwickelt werden. „Wir sehen das Supply-Chain-Design dabei als Chance, die Lieferketten nachhaltiger zu gestalten“, so Motter. Als Beispiel nannte der VW-Referent die Anlieferung von Batteriezellen, die per Bahn erfolge. Die Umstellung dieser Lieferprozesse beeinflusst laut Motter auch, wo genau die Produktion der Batterien erfolgen kann.

Holger Langbein, VP Inbound Logistik bei Bosch, wies auf die große Bandbreite an Produkten hin, und damit einhergehend auf die große Anzahl an derzeit 35.000 Lieferanten, die in eine Nachhaltigkeitsstrategie einzubinden seien. Er erläuterte die Vorgehensweise in der Logistik, um dieser Herausforderung zu begegnen. „Wir brauchen Partner, die uns auf diesem Weg unterstützen, technische Standards, Digitalisierung sowie individuelle lokale Lösungen“. Letzteren Aspekt bezog Langbein auf die unterschiedlichen politisch-regulatorischen Voraussetzungen, unter denen Lieferanten arbeiten – z.B., wenn man Produktionsbedingungen in China und Deutschland vergleicht. In Bezug auf die Umsetzung nannte Langbein konkrete Beispiele, etwa die Umstellung von inzwischen 50 Lkw-Routen auf alternative Antriebe oder die Pflicht für Bosch-Lieferanten, CDP- oder SBTI-zertifiziert zu sein.

 

Sina-Maria Schönlein, Lead Nachhaltige Logistik bei Tchibo, stellte dem Publikum das Projekt ZEMBA vor. ZEMBA steht für „Zero Emission Maritime Buyers Alliance“ – ein Konsortium für den gemeinsamen Einkauf des emissionsarmem Treibstoffs Biomethan, um nachhaltigere Seefrachtlieferungen zu ermöglichen. Neben Tchibo hätten sich mittlerweile auch Amazon und rund 30 weitere Verlader diesem „kooperativen Einkaufsprozess“ verpflichtet, so Schönlein. Auf Basis der zentralen Beschaffung von grünem Treibstoff schreibt das ZEMBA-Konsortium Seefracht-Transportaufträge aus, um die sich Reeder bewerben können. Schönlein berichtete vom ersten erfolgreichen Tender und dem ersten abgewickelten Projekt: Im Ergebnis wurden rund 82.000 t CO2e eingespart, insgesamt 93 % CO2e-Ersparnis gegenüber herkömmlichen Transporten. Die Schlussfolgerung der Referentin: Verlader seien grundsätzlich durchaus bereit, für grüne Transporte mehr zu bezahlen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Diese Beobachtung hat auch Hakan Bicil, CEO der Duvenbeck Unternehmensgruppe, gemacht. Er berichtete über seine Erfahrungen zum Thema nachhaltige Lieferketten. Mit immerhin 100 Elektro-Lkw bis Ende 2024 in der Flotte ist Duvenbeck einer der Vorreiter bei der Umstellung von Lkw-Fuhrparks auf alternative Antriebe. „Unser Geschäftsmodell ändert sich gerade“, so Bicil. „Bisher definierte die Lenkzeit das Business-Modell, in Zukunft ist es die Ladezeit“, erläuterte der CEO. Er zeigte Wege auf, wie die Mehrkosten von Elektro-Lkw durch ein attraktiveres „grünes“ Transportprodukt und effizientere Planungsprozesse kompensiert werden können – etwa durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Transportplanung, was bei Duvenbeck bereits geschehe. „Viele Projekte rechnen sich heute schon“, resümierte Bicil.

Autor: Bruno Lukas, Gründer und Inhaber, Green Logistics Enabler, Berlin

 

Zur Person

Bruno Lukas ist Gründer und Inhaber der Berliner Logistik-Beratungsfirma Green Logistics Enabler. Er ist Spezialist für nachhaltige Logistikprozesse und unterstützt Verlader und Spediteure bei der Umstellung auf emissionsfreie Transportlogistik.

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