Mitteldeutsche Chemieparks sind Vorreiter im Strukturwandel der Chemie
18.06.2012 -
Im ChemiePark Bitterfeld-Wolfen haben 360 Unternehmen ihren Sitz. Sie reichen von A wie Akzo Nobel Industrial Chemicals bis Z wie Zimmermann Entsorgung. Zusammen beschäftigen sie 12.000 Männer und Frauen. Daran war vor 20 Jahren nicht zu denken. Nicht wenige Experten gaben dem Standort damals keine Überlebenschance, erinnert sich Geschäftsführer Matthias Gabriel. Heute gilt der ChemiePark weltweit als ein Vorreiter beim Strukturwandel der chemischen Industrie.
Die P-D ChemiePark Bitterfeld Wolfen bildet mit den mitteldeutschen Standortgesellschaften in Leuna (InfraLeuna), Schkopau/Böhlen (Dow ValuePark), Zeitz (Infra- Zeitz Servicegesellschaft) und Schwarzheide (BASF Schwarzheide) das Central European Chemical Network CeChemNet. „Es ist ein Erfolgsmodell", sagt CeChemNet-Sprecher Matthias Gabriel. In vielen Ländern werde versucht, das mitteldeutsche Chemiepark-Modell nachzuahmen.
„Allerdings haben wir hier auch beste Bedingungen für die Verwirklichung dieser Idee erhalten", räumt er ein. Der Dreh- und Angelpunkt für die Umstrukturierung von traditionellen Chemiestandorten ist für Gabriel die Beseitigung von Altlasten.
Chemie-Infrastruktur
Die Grundidee von Chemieparks besteht nach Gabriels Worten darin, dass Chemieparkbetreiber allen Unternehmen an ihren Standorten eine attraktive wirtschaftliche Basis zur Verfügung stellen. Neben voll erschlossenen Flächen gehört dazu auch eine auf die chemische Produktion ausgerichtete Infrastruktur.
Darüber hinaus werde den Investoren ein umfassendes Dienstleistungsangebot zur Verfügung gestellt. Dazu zählt nach den Worten des CeChemNet-Sprechers ein professionelles Ansiedlungs- und Behördenmanagement. Alle notwendigen Hilfsprozesse würden professionell von Dritten erbracht. Zu diesen Leistungen gehören die Versorgung mit Dampf, Wasser und Energie, die Planung der Anlagen, die Analytik, der Brand- und Objektschutz, die Entsorgung, die Standortlogistik und Public Relations.
Dieses Konzept hat sich als Magnet für Investoren erwiesen. Seit Mitte der 1990er Jahre haben sich mehr als 600 Unternehmen auf den sechs Standorten angesiedelt. Über 17 Mrd. € wurden investiert, 27.000 Arbeitsplätze sind entstanden. Die Chemieparkflächen betragen insgesamt 5.500 ha.
„Die Chemiestandorte in Mitteldeutschland sind die flexibelsten und die modernsten der Welt", hebt Gabriel hervor. Geschuldet sei das dem gesellschaftlichen und industriellen Umbruch vor mehr als 20 Jahren. Die daraus resultierende Dynamik und Flexibilität erweisen sich bis auf den heutigen Tag als Vorteile im internationalen Wettbewerb. „Sie müssen so lange wie möglich erhalten bleiben", fordert der Industrie-Manager. Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen verfügt jedoch nicht nur über sanierte Flächen, modernste Produktionsanlagen, ein exzellentes Straßen-, Schienen- und Rohrleitungsnetz, sondern auch über grüne Inseln. Das gebe dem Namen ChemiePark eine neue Komponente, hebt sein Geschäftsführender Gesellschafter Jürgen Preiss-Daimler hervor.
Bei allen Gemeinsamkeiten besitzt jeder der sechs Chemieparks in Mitteldeutschland sein eigenes Gesicht. Das gilt für Bitterfeld-Wolfen ebenso wie für die Standorte in Leuna, Zeitz, Schkopau, Böhlen und Schwarzheide. Gabriel berichtet, dass eine japanische Delegation bei ihrem Besuch in Bitterfeld fünf Gründe hervorgehoben habe, weshalb der Standort für sie attraktiv ist. Sie nannten den Stoffverbund, die Infrastruktur, das qualifizierte Personal, die vergleichsweise niedrigen Produktionskosten sowie die guten Beziehungen zu Politik und Verwaltung.
Standortfaktoren
Durch die zunehmende Tendenz zu hochleistungsfähigen und innovativen Produkten für spezielle Einsatzgebiete hat die Kooperation zwischen Produzenten, Verarbeitern und Forschungseinrichtungen stark an Bedeutung gewonnen. Die Chemiestandorte profilieren sich entsprechend ihrer spezifischen Ausrichtung da sich anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung zunehmend als Standortfaktor bei Investitionsentscheidungen erweisen. Die Ansiedlung von Forschungsinfrastruktur an den Chemiestandorten ist Ausdruck dieser Entwicklung.
In Leuna reicht die Produktionsstruktur nach Angaben der Standortentwicklungsgesellschaft InfraLeuna von der Spezial- bis zur Massenchemie. „In höheren Wertschöpfungsstufen, alternativen Rohstoffen und der Weiterverarbeitung zu höherwertigen Produkten wie Kunststoffe oder fertigen Lösungen sehe ich die Zukunft für den Chemiestandort Leuna. Unser großes Plus ist der Verbund am Standort. Dadurch können Firmen effektiv und damit auch wettbewerbsfähig produzieren. Künftig gibt es vermutlich kleinteiligere Strukturen. Unsere Chance sehe ich in der Innovation. Und da sind wir mit dem Augenmerk z.B. auf biotechnisch-chemische Prozesse aus meiner Sicht auf dem richtigen Weg", so InfraLeuna-Geschäftsführer Andreas Hiltermann.
Der Chemie- und Industriepark Zeitz (CIP) habe seine Zukunft auf drei Hauptentwicklungslinien ausgerichtet, sagt Wolfgang Bauer, Geschäftsführer der Infra-Zeitz Servicegesellschaft. Die wichtigste sei die Ansiedlung und Entwicklung von Unternehmen der chemischen Industrie. Weitere Hauptentwicklungslinien sind nach seinen Worten das Recycling mit der chemischen Aufarbeitung von Altölen, Kunststoffen und weiteren Wertstoffen sowie die industrielle Verwertung von Biomasse.
Als Kernziel des ValuePark der Dow Olefinverbund in Schkopau gibt das Unternehmen an, Firmen der Kunststoff verarbeitenden Industrie und Dienstleister in unmittelbarer Nachbarschaft der Chemieanlagen anzusiedeln. Synergien ergäben sich aus der Integration des Materialflusses, der Schnelligkeit über die Lieferkette durch Nutzung bereits bestehender Infra- und Logistikstrukturen, durch Verringerung von Anlagen und Betriebskapital sowie gemeinsam genutzte Service-Funktionen. Es besteht zudem eine hochintegrierte Wertschöpfungskette mit dem Cracker im sächsischen Böhlen.
Den Verbundgedanken verfolgt auch BASF Schwarzheide. Mit neuen zielgerichteten Ansiedlungen wird die vorhandene Wertschöpfungskette weiter geschlossen. Davon und von dem ständig wachsenden Serviceangebot profitieren alle Partner am Standort.
„Bei aller Spezifik jedes einzelnen Standortes vermarkten wir die Chemieregion gemeinsam", hebt Gabriel hervor. Diese Gemeinsamkeit sei geradezu genial und gäbe es so anderswo kaum ein zweites Mal.
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