Mitarbeit in Gremien spart Millionen
Kolumne Prozessindustrie
„Durch den Schulterschluss der Organisationen NAMUR und IGR konnten erhebliche Langzeitkosten und Aufwendungen eingespart werden, die ohne einen Mehrwert für Umwelt, Sicherheit oder Betrieb gewesen wären.“
Standardisierung ist ein wichtiges Thema. Es gibt viele Institute und Organisationen, die sich mit Empfehlungen, Richtlinien und Normen befassen – leider ist dieser Dschungel manchmal etwas undurchsichtig. Auch die Geschwindigkeit bei der Entwicklung solcher Dokumente hat deutlich zugenommen. So kann es passieren, dass man im Normungsickicht etwas übersieht oder daran vorbeiläuft.
Normen sollen helfen und schützen
Normen regeln im Alltag oder im Beruf fast alles – die Größe eines Blattes Papier genauso wie den Aufbau eines elektrischen Kabels. Als dokumentierter Stand der Technik haben diese Dokumente bisweilen auch einen rechtsverbindlichen Charakter, wenn in Erlassen von Behörden oder vom Gesetzgeber explizit auf sie verwiesen wird. Allein das DIN arbeitet in rund 70 Normenausschüssen und ca. 3.600 Arbeitsausschüssen. Auch international gibt es eine Vielzahl weiterer Institute und Organisationen, wie z. B. IEC oder ISO, um zwei der bekannteren zu nennen und ein Gefühl für die Komplexität zu geben.
Auf der anderen Seite sind die technischen Fachabteilungen vieler Firmen in vielen Kostensenkungsrunden „geschliffen“ worden, so dass auch keiner der großen Player mehr das Geflecht effektiv selbst überblicken kann. Dafür gibt es Organisationen wie NAMUR (Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie) und IGR (Interessengemeinschaft Regelwerke Technik), die die Interessen und den Sachverstand der Endanwender bündeln. Auf nationaler und internationaler Ebene wird regelmäßig der Austausch untereinander und mit den Standardisierungsgremien gepflegt. Dadurch wird das Monitoring und auch die Einspeisung technischer Expertise arbeitsteilig effektiv und – dank entsprechender Verbandsstatuten – compliant sichergestellt. So viel zur Landschaft.
Die NAMUR und die IGR haben seit Jahren eine enge und vertrauensvolle Beziehung zueinander. So war man sich im Mai dieses Jahrs auch schnell einig, als eine Entwicklung aus dem Normendschungel auftauchte, die der besonderen Aufmerksamkeit bedurfte. Der IGR war ein Normenentwurf für Überfüllsicherungen für gewässergefährdende Flüssigkeiten aufgefallen, der – einmal beschlossen – große Auswirkungen gehabt hätte.
Normen zielgerecht anwenden
So berechtigt der Entwurf für kompakte, alleinstehende Anlagen war, so aufwändig wäre er für die Prozessindustrie zu implementieren gewesen, die seit vielen Jahren umfassende Schutzmechanismen mit nachgewiesener Betriebsbewährung im Einsatz hat. Die Norm war ursprünglich für einen anderen Bereich gedacht, wäre aber in ihrer angedachten Form auch für weitere Industrien relevant geworden.
Durch den Schulterschluss der Organisationen NAMUR und IGR sowie weiterer involvierter Parteien konnte deutlich gemacht werden, dass in der Prozessindustrie bereits gleichwertige Lösungen vorhanden sind und es wurde eine Aufteilung nach Anwendungsgebieten erreicht. Somit konnten erhebliche Langzeitkosten und Aufwendungen eingespart werden, die ohne einen Mehrwert für Umwelt, Sicherheit oder Betrieb gewesen wären. Eine konservative Schätzung bewegt sich im Bereich von 80 Mio. EUR, wenn man defensiv von 10.000 Überfüllsicherungen in der Prozessindustrie in Deutschland in Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe (LAU-Anlagen) und von Umrüst- und Wartungskosten von ebenfalls zurückhaltend 8.000 bis 10.000 EUR pro Einrichtung ausgeht. Dem stehen in der Vor- und Nachbereitung dieses konkreten Normungsvorhabens einige Sitzungen mit Experten aus den Mitgliedsfirmen gegenüber; rechnet man aus vor-Coronazeiten noch Reisekosten hinzu, ergibt sich ein Aufwand von bis zu 80.00 EUR. Teilt man die Ersparnis durch die ca. 200 Mitgliedsfirmen, endet man immer noch bei 400.000 EUR pro Mitgliedsfirma. Die Mitgliedsbeiträge bei IGR oder NAMUR fallen dagegen kaum ins Gewicht. Natürlich ist nicht jedes Jahr bei jeder Norm so ein Erfolg zu holen, nicht immer sind die Erfolge so greifbar und quantifizierbar.
Was ist jetzt die Moral? Die Unterstützung der Organisationen / Verbände von Herstellern und Anwendern macht gerade in der heutigen Zeit Sinn und ist langfristig eine wertschöpfende Investition. Bei steigender Arbeitslast ist eine sehr gute Vernetzung notwendig, damit man sich auch in Zukunft nicht im Dschungel verirrt.
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