Anlagenbau & Prozesstechnik

Korrosion an Bauteilen vor der Inspektion erkennen

Mehr Planungs- sicherheit für Betreiber

05.06.2018 -

Um Korrosion an den Materialien in Chemieanlagen frühzeitig zu erkennen, gibt es mit dem Auslagern von Werkstoffproben eine universell einsetzbare Methode.

In Anlagen der chemischen Industrie ist oft die Chlorideinwirkung auf die zum Einsatz kommenden Materialien besonders hoch. Verstärkt durch einen niedrigen pH-Wert kann dies immer wieder zu Loch-, Spalt- oder Spannungsrisskorrosion führen. Mögliche Schäden verursachen hohe Kosten, vor allem durch Produktionsausfälle und erhöhten Reparaturbedarf. In der deutschen chemischen Industrie werden die korrosionsbedingten Kosten auf etwa 4 % des Umsatzes geschätzt. Das entspricht einem Wert von rund 7,4 Mrd. € für das Jahr 2016.
Wie in anderen Branchen auch werden die Werkstoffe in Chemieanlagen durch Effizienzsteigerungen immer mehr an die Grenze ihrer Belastbarkeit getrieben. Diese Entwicklung ist vor allem auf verfahrenstechnische Optimierungen zur Erzielung einer gesteigerten Produktivität zurückzuführen. So ist mit einer größeren Ausbeute oft eine Erhöhung der Temperatur und des Drucks in der Prozessführung verbunden. Aber auch eine zunehmende Chloridbelastung und eine Veränderung des Mediums durch oxidierende Stoffe sorgen für steigende Belastungen des Materials. Damit ist das Ende der Fahnenstange längst noch nicht erreicht. Die Anforderungen an die verwendeten Werkstoffe steigen weiter, da die Betreiber aus Wettbewerbsgründen immer mehr Anlagen einsetzen, die gleichzeitig verschiedene Produkte herstellen. Die Materialien müssen daher auf die spezifischen Produktionsbedingungen in Multipurpose-Anlagen abgestimmt sein.

Kritische Bedingungen frühzeitig erkennen
Die Überprüfung von Bauteilen in Chemieanlagen erfordert ein einfach zu handhabendes Monitoring, das kritische Bedingungen für die eingesetzten Werkstoffe und drohende Schäden frühzeitig erkennt. Das Auslagern von Korrosionsproben erfüllt diese Anforderungen, da sämtliche Werkstoffe im laufenden Betrieb getestet werden. Dazu werden gewogene, eindeutig gekennzeichnete Korrosionsproben von Mitarbeitern von TÜV SÜD Chemie Service elektrisch isoliert auf einem Halter befestigt. Anschließend werden sie vom Betrieb in eine Anlage, einen Behälter oder eine Rohrleitung eingebracht. Für einen vorab definierten Zeitraum sind sie den Bedingungen an der Auslagerungsstelle ausgesetzt. Der Aufwand für das Betriebspersonal ist beschränkt auf den Ein- und Ausbau des Halters mit den montierten Proben. Während des laufenden Betriebs sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.

Proben zeigen Spuren der Auslagerungs­periode
Die Korrosionsproben geben ein Bild von der während der Auslagerung erfahrenen chemischen Belastung des Werkstoffs. Auch die Messung im Gasraum ist möglich. Nach der Auswertung durch TÜV SÜD Chemie Service-­Korrosionslabor werden umfassende Aussagen zum Korrosionsverhalten der Werkstoffe gemacht. Falls nötig, können entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Damit sinkt das Risiko für ungeplante Anlagenstillstände, aufwendige Reparaturen und Instandhaltungen. Der Betreiber profitiert gleich mehrfach: Er steigert die Verfügbarkeit, Produktivität und Sicherheit seiner Anlage und spart dabei Kosten.

Kritische Stellen aussuchen
Für die Korrosionsüberwachung sollten Stellen ausgewählt werden, an denen die kritischsten Bedingungen für den Werkstoff zu erwarten sind. Dazu gehören bspw. Orte mit höchstem Chloridgehalt, höchster Temperatur oder größter Strömungsgeschwindigkeit. Für den Fall, dass nicht auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann, ist eine Auswahl der Stellen anhand von RI-Diagrammen sinnvoll. Bei älteren Anlagen werden die Auffälligkeiten spätestens bei den Inspektionen bemerkbar. Derzeit liegen für einige Standardkonstruktionen der Probenhalter Erfahrungswerte vor. Dazu gehören unter anderem Probenmontagen auf Blindflanschen, Zwischenflanschmontagen im Rohr, Befestigungen mit einer Schelle auf einer Rührwelle oder um ein Einleitrohr sowie Montagen auf rückziehbaren Systemen. Auf Kundenwunsch werden auch Sonderanfertigungen realisiert. 

Auswahl und Vorbereitung der Proben
Grundsätzlich sind alle Werkstoffe in Probenform herstellbar, bspw. mit gehärteten Oberflächen, einer Beschichtung, Spaltproben oder geschweißte Proben. Wichtig ist, Proben einzusetzen, deren Oberflächen nach der Auslagerung gut zu beurteilen sind. Aus diesem Grunde werden von TCS nur Probenstreifen verwendet, deren Oberfläche auf mindestens einer Seite ausreichend glatt ist. Das erleichtert die Identifizierung kleiner lokaler Angriffe. Scharf geschliffene Oberflächen zum Einbringen von Zugspannungen werden benötigt, um nach der Auslagerung chloridbedingte Spannungsrisskorrosion an rostfreien Stählen aufdecken zu können. Auslagerungen von Proben aus Email sind ebenfalls möglich.
Besteht die Aufgabe der Korrosionsprobe allein in der Überwachung, muss der Werkstoff dem des Bauteils entsprechen. Die Verwendung von einer bzw. höchstens zwei Proben reicht dabei aus. In der Regel ist es nicht nötig, die gleiche Werkstoffcharge zu benutzen. Rechenförmige Probenhalter ermöglichen die Parallelbefestigung verschiedener Proben, so dass auch alternative Werkstoffe unter Praxisbedingungen mitgetestet werden können. Diese Auswahl sollte nach Medienanforderungen getroffen werden.

Auslagerungszeit von mindestens zwei Wochen
Mindestens für zwei Wochen wird der Werkstoffprobenhalter ausgelagert, dann ausgebaut und an das TÜV SÜD Chemie Service-Korrosionslabor geschickt. Diese Vorgehensweise ermöglicht umfassende Aussagen zum Korrosionsverhalten des Werkstoffs unter realen Anlagenbedingungen. Durch Bestimmung des Masseverlusts kann die Korrosionsgeschwindigkeit des Werkstoffs berechnet werden. Das Verfahren ermöglicht zudem, lokale Korrosion in Form von Loch-, Spalt- oder Spannungsrisskorrosion visuell aufzufinden. Indem etwa die Tiefe des Angriffs gemessen wird, zeigt sich das Ausmaß von Loch- und Spaltkorrosion. Auch Beläge und Korrosionsprodukte auf der Probe können analysiert werden. Um Spannungsrisskorrosion nachzuweisen, werden die Probenstreifen gebogen. Indem sich die vorhandenen Risse weiten, werden sie gut sichtbar. Das Ergebnis der Untersuchung wird für die Kunden als Bericht oder Zertifikat erstellt.

Verfahren vereinfachen
Um das Verfahren weiter zu vereinfachen, liefert TÜV SÜD Chemie Service fertig konfigurierte Basisprobenhalter, auf denen nach der jeweiligen Kundenanforderung Korrosionsproben montiert werden. Diese werden mit einer korrosionsbeständigen Schraube an einen im Betrieb vorher angeschweißten Adapter befestigt, was die Montage bzw. Demontage der Proben zusätzlich erleichtert. Verfügbar sind Adapter aus unterschiedlichen Werkstoffen.

Fazit
Die Korrosionsüberwachung ist die ideale Ergänzung zur gesetzlich vorgeschriebenen In­spektion. Die Ergebnisse leisten einen wichtigen Beitrag zur vorausschauenden Instandhaltung von Chemieanlagen. Wenn neue Produkte in bestehenden Anlagen produziert werden, können die Auswirkungen dieser neuen Medien auf die Beständigkeit der Werkstoffe zuverlässig beurteilt werden. Zudem können Werkstoff­alternativen in der Praxis getestet werden, die ergänzend zu Laboruntersuchungen der sicheren Werkstoffauswahl bei der Neubeschaffung einer Anlage dienen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Korrosionsüberwachung das Nachstellen von Schadensfällen ermöglicht. Damit ergeben sich zahlreiche Hinweise darauf, welche Bedingungen zu dem Schaden führten.