IT-Ausgaben unter Kontrolle?
Unternehmen investieren in IT-Technologien und -Services, um ihre Planungs-, Entwicklungs- und Produktionsprozesse zu modernisieren
Im deutschen Digitalisierungsindex belegt die Chemie- und Pharmabranche bisher nur einen Mittelplatz. Nun investieren die Unternehmen verstärkt in intelligente Technologien und leistungsfähige Services, um ihre Planungs-, Entwicklungs- und Produktionsprozesse zu modernisieren. Wie halten Unternehmen ihre Budgets am besten im Griff?
„Wir gehen davon aus, dass insbesondere der Serviceanteil am Produkt Digitalisierung deutlich zunehmen und damit auch die Zahl der Lösungen am Markt steigen wird. Diese reichen von datengetriebenen Smart/Digital Farming-Lösungen bis hin zum Betrieb von Anlagen als Product-as-a-Service. Hierzu zählen auch Plattformen, mit denen neue Geschäftsfelder erschlossen werden können“, so Christian Bünger, Digitalisierungsexperte beim Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die IT-Industrie antizipiert den hohen Bedarf. Allein der weltweite IT-Dienstleistungsmarkt wird laut einer Prognose des Marktforschers Mordor Intelligence bis 2027 ein jährliches Plus von über 10 % verzeichnen, dies vor allem in Verbindung mit Software-as-a-Service (SaaS) und Cloud-basierten Angeboten. Eine alles überragende Rolle spielt das Thema künstliche Intelligenz (KI). Der Megatrend kann zugleich zu einem „mega“ Kostentreiber werden. Firmen wie Google oder Microsoft versuchen mithilfe von Zukäufen, auf diesem Feld ihre Anbieterposition weiter zu stärken.
Preissteigerungen in Sicht
Die Unternehmen selbst haben ihre IT-Budgets für das laufende Jahr 2023 um etwa 5 % aufgestockt. Ob das ausreicht, ist höchst ungewiss. Denn das Preiskarussell dreht sich mit Schwung. Im April setzte Microsoft die anvisierte Anpassung der Euro-Preise an die Dollar-Preise um. Für SaaS/Cloud-Produkte zahlen Kunden zum Teil 10 – 25 % mehr. „Obwohl die IT-Kosten nicht so stark an Rohstoffpreise gebunden sind wie andere Beschaffungskategorien, sehen wir in vielen Bereichen stärkere Preiserhöhungen, als sie die Inflation ergibt“, so Sven Brüggeboes, Principal bei Inverto, der auf Einkauf und Supply Chain spezialisierten Tochtergesellschaft der Boston Consulting Group.
Große Unternehmen leisteten sich in der Vergangenheit häufig den Luxus, im IT-Bereich Dinge einfach auszuprobieren. Durch Inflationsraten und konjunkturelle Abschwächungen stehen nun selbst sie unter einem enormen Kostendruck. „Unternehmen müssen im heutigen Geschäftsumfeld jeden ausgegebenen Euro genau prüfen und rechtfertigen“, sagt DeeDee Kato, Vice President von Foxit, einem führenden Anbieter von PDF- und E-Signatur-Produkten. 70 % wollten bei den IT-Ausgaben sparen.
Dabei kommen längst „vergessene“ Themen wieder auf die Tagesordnung. Beispielsweise zahlen viele Unternehmen immer noch für Softwarelizenzen oder Funktionalitäten, die sie nur zum Teil oder gar nicht mehr benötigen. Allein in diesem Bereich besteht laut Experten ein Einsparpotenzial im zweistelligen Prozentbereich. Auch die Pandemie wirkt nach. So manches Unternehmen hat sich von großen Cloud-Computing-Anbietern in Abo-Modelle drängen lassen, ohne über Exit- und Fallback-Strategien nachzudenken oder Sondervereinbarungen über Preisanpassungen auszuhandeln.
„Die Unternehmen selbst haben ihre IT-Budgets für das laufende Jahr 2023 um etwa 5 % aufgestockt.“
Strategische Beschaffung
Ein generelles Problem der IT-Beschaffung sind unklare oder nur grobe Bedarfsdefinitionen. Denn oft bleibt der strategische Einkauf außen vor. So werden viele Projekte zur Kostenfalle. Experte Brüggeboes: „Ohne präzise Vorgaben können zum Beispiel im Bereich Managed-Services keine qualifizierten, klaren Leistungsbeschreibungen erstellt und folglich vom Dienstleister keine fixen oder leistungsbasierten Preismodelle angeboten werden. Stattdessen kommen zeitbasierte Abrechnungsmodelle zum Tragen. Diese wiederum eröffnen einem Lieferanten größere Abrechnungsspielräume.“ Professionell ausgehandelte Verträge stärkten dagegen die Position des Unternehmens. Bestimmte Vertragsklauseln, etwa Step-in Rights, versetzen den Auftraggeber in die Lage, bei einer schwachen Dienstleister-Performance selbst in die Prozesse einzugreifen oder Vertragsstrafen bis hin zur Kündigung abzurufen. Mittels Incentivierungs-Modellen wie Verträgen mit Vergütungsbestandteilen, die an wichtige Meilensteine und die Servicequalität geknüpft sind, ließe sich die Lieferanten-Performance steigern.
Dass der strategische Einkauf bei IT-Beschaffungsvorhaben nur als Bestellabwickler und nicht als strategischer Businesspartner angesehen wird, liegt häufig an seiner unklar definierten Rolle, aber auch an einem, oft selbst verschuldeten Akzeptanzmangel. Häufig fällt es Einkäufern schwer, bei IT-Themen auf Augenhöhe mit der Fachabteilung zu bleiben, zumal sich Preismetriken und Spezifikationen regelmäßig ändern. „Dieses Problem kann allerdings gelöst werden, indem im Einkauf Kategorieverantwortlichkeiten, etwa für Software, Hardware oder Managed Services klar definiert und dadurch eine Spezialisierung auf die betreffenden IT-Kategorien innerhalb des Einkaufs erfolgt“, sagt Brüggeboes. Wenn der IT-Einkauf dann noch mit Projektmanagementkompetenz und einer klaren Kommunikation überzeuge, sei die Zusammenarbeit mit der Fachabteilung erfahrungsgemäß sehr gut.
Konzernweite Transparenz
Verzweigte Firmenstrukturen sind eine weitere Herausforderung. Die zahlreichen Business Units oder Einzelgesellschaften von Chemie- und Pharmaunternehmen sind häufig datentechnisch nicht miteinander verbunden oder nutzen sogar unterschiedliche ERP-Systeme. Controller und Einkäufer beklagen schon lange die fehlende Transparenz, etwa über Einkaufsvolumen, Spezifikationen oder Vertragslaufzeiten, dies allerdings nicht nur mit Blick auf IT, sondern in der indirekten Beschaffung schlechthin. Durch eine konzernweite Konsolidierung lassen sich Volumina kostensenkend bündeln, die Systeme harmonisieren und auch sich abzeichnende Marktveränderungen bei Projektierungen frühzeitig berücksichtigen.
„In den nächsten Monaten steigen sowohl der Umsatz- als auch der Kostendruck aufseiten der Hyperscaler, was deren Kunden wiederum mit regelmäßigen Preiserhöhungen im SaaS- & Cloud-Bereich zu spüren bekommen“, so Brüggeboes. Cloud-Infrastrukturservices seien inzwischen stark ausgereift, dass eher Kostenvermeidungs- statt Kostenreduktionsstrategien angesagt sind.“ In wettbewerbsintensiveren IT-Kategorien bestünden dagegen Optimierungsmöglichkeiten in zweistelliger Größenordnung. Dazu gehörten Hardware, Telekommunikation und Managed Services.
Autor: Manfred Godek, freier Finanzjournalist, Monheim