Innovative Lösungen und große Herausforderungen
In Jena entsteht ein Hightech-Standort des Technologie-Konzerns Zeiss
Synergien, Vernetzung mit der Forschung, Wachstumsmöglichkeiten, Innovationen – der Standort soll ein Spiegelbild des Technologiekonzerns werden. Auf einer Bruttogeschossfläche von über 100.000 m² bündelt das Unternehmen die Mehrheit seiner am Gründungsstandort ansässigen Unternehmensbereiche. Mit modernen Laboren, offenen Arbeitswelten und einem nachhaltigen Gebäudekonzept will sich der Konzern für die Zukunft aufstellen. Die Weichenstellung hierfür begann 2017: Der neue Standort ist Teil der #agenda25 der Unternehmensvision. Auf einem ehemaligen Gelände des Glaskonzerns Schott – in unmittelbarer Nähe zum Westbahnhof und somit sehr zentral gelegen – wird das Areal entstehen. Forschung, Verwaltung und Produktion sollen in einem Gebäudekomplex zusammengeführt werden. Ein Projekt, das mit großen Herausforderungen verbunden ist – einige waren schon vor der Planungsphase klar, andere ergaben sich im Verlauf. Gemeinsam haben die zu bewältigenden Aufgaben, dass sie mit Teamarbeit, klaren Strukturen sowie Abläufen und einer offenen Kommunikation unter allen relevanten Stakeholdern zu meistern sind. Hierbei kommt auch der Projektsteuerung eine wichtige Rolle zu: Am Projekt sind derzeit 50 verschiedene Unternehmen beteiligt, allein 39 Planungsteams, die koordiniert werden müssen. Das gemeinsame Ziel: Die Erledigung der zahlreichen Anforderungen unter Berücksichtigung der elementaren Projektziele: Termine, Kosten und Qualitäten.
Big Player, big challenges
Industrieprojekte dieser Größe sind mit einer Vielzahl besonderer Herausforderungen verbunden. Umso mehr, wenn an nur einem Ort passende Räumlichkeiten für Verwaltung, Forschung und Fertigung unter optimalen Voraussetzungen für ebenjene Tätigkeiten entstehen müssen. Für die Verwaltung sowie die Projekt- und Entwicklungsteams werden vernetzte, moderne Arbeitswelten entstehen, Forschung und Fertigung benötigen für die Arbeit mit hochpräzisen Geräten Reinräume, schwingungsfreie Fußböden und optimale Luftbedingungen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden mit Hilfe von Bauphysikern Simulationen angefertigt. Diese zeigen, wie lange die Luftpartikel in den Reinräumen verbleiben und welche Luftwechselrate erreicht werden muss, um den gewünschten Spezifikationen gerecht zu werden. Anhand dessen werden die Belüftungskonzepte entwickelt. Zudem liefern die Simulationen wichtige Erkenntnisse, wie sich Rauch, Feuer und Hitze ausbreiten, um so geeignete Brandschutzvorkehrungen treffen zu können.
Darüber hinaus können die Verantwortlichen anhand der Ergebnisse auch Nachhaltigkeitsaspekte des Gebäudes optimieren: Licht- und Wärmequellen werden virtuell nachgebaut, um Ressourcen schonend und nachhaltig zu nutzen: Auf diesem Wege werden LED-Lampen in passender Größe und Position installiert, damit sie bei geringem Energieverbrauch ideal wirken.
„Für die Arbeit mit hochpräzisen Geräten entstehen Reinräume, schwingungsfreie Fußböden und optimale Luftbedingungen."
Gut gesteuert ist halb gebaut
Doch bevor sich Bauherr, Planungsteams und Projektsteuerer an die Details machen konnten, mussten über 400.000 m³ Erdmasse ausgehoben und beprobt werden, von denen rund 150.000 m³ durch die frühere Industrienutzung des Grundstückes kontaminiert und einer Sonderdeponie zugeführt wurden. Hierbei ist es notwendig, frühzeitig Baugrundgutachter und Prüfstatiker hinzuzuziehen, um Vorgaben schnell umsetzen und Genehmigungen für den Spezial-Tiefbau, mit über 1.000 Gründungspfählen, planmäßig erhalten zu können. Denn: In einem derartigen Großprojekt ist eine starke Orientierung am Terminplan oberstes Gebot – Verzögerungen haben Einfluss auf die anderen elementaren Projektziele.
Damit alle Gewerke in einer solch komplexen Stakeholder-Konstellation effizient zusammenarbeiten können, hat die Projektsteuerung stets ein wachsames Auge auf Termine, Kosten und Qualitäten. Im vorliegenden Projekt wurden die Terminpläne der Beteiligten gestrafft: Statt kleinteiliger Projektbesprechungen, die viel Zeit kosten und wenig Spielraum lassen, bieten sich sog. Projekthaustage an: Termine und Absprachen werden in relevanten Konstellationen gebündelt und in einem festgelegten Zeitraum wiederholt. So schaffen es Projektsteuerer eine Grundordnung festzulegen. Bei Projekten dieser Größe und Dauer ist dies besonders wichtig: Im Optimalfall sind die Strukturen so festgezurrt, dass sich das Projekt selbst bei einem umfassenden Personalwechsel ohne große Zeitverzögerung fortsetzen lässt. Denn bei derartig gelagerten Projekten kann es passieren, dass ausführende Unternehmen oder Verantwortliche das Projekt verlassen und neue hinzukommen. Zudem hilft die enge Kommunikation, sich auf veränderte Anforderungen einstellen zu können: Eine technische Revolution und die Coronapandemie nahmen Einfluss auf die Projektprämissen.
Änderungen mit Auswirkungen
Aufgrund des wachsenden Bedarfs an medizinischen Produkten wuchs die Medizin-Sparte des Technologieunternehmens in kürzester Zeit enorm, sodass die ohnehin aufwändigen Flächenbedarfe angepasst werden mussten. Ähnlich verhält es sich bei der Sparte Semiconductor Manufacturing Technology (SMT), die in Zusammenarbeit mit der Firma Trumpf (Industrielaser), dem Fraunhofer Institut (Spiegel-Beschichtungen) und dem niederländischen Unternehmen ASML (Gesamtsystem) die revolutionäre EUV-Lithographie entwickelten: Mit Hilfe von ultra-violettem Licht mit einer extrem kurzen Wellenlänge von 13,5 nm können Strukturen mit Abmessungen von weniger als 20 nm (bisher 40 nm) auf Mikrochips realisiert werden, sodass die Halbleiter wesentlich leistungsstärker sind als bisher.
Smartphones mit per EUV-Lithographie hergestellten Mikrochips sind seit Herbst 2019 auf dem Massenmarkt. Aufgrund des enormen Chip-bedarfs auf dem Weltmarkt baut Zeiss auch bei der Sparte Semiconductor Manufacturing Technology (SMT) Kapazitäten auf. Dazu gehören Produktions- und Reinräume in den beiden Sockelgeschossen des Hauptgebäudes. Das hatte zur Folge, dass die Flächenshapes und Lüftungssysteme angepasst werden mussten. Die Erfolgsfaktoren hierbei: Feste Strukturen, eine transparente Kommunikation und Flexibilität – in den Teams und im Bauwerk.
Alles im Lot
Der Standort ist mit seiner modularen Bauweise, einem langfristigen Flächenmanagement und Perspektivflächen auf Wachstum eingestellt. Durch die Pandemie und die steigende Nachfrage nach Mikrochips, die sowohl mittels DUV als auch EUV hergestellt werden, kam dieses jedoch früher als geplant. Die Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten machte es möglich, sich umgehend auf die sich ändernden Anforderungen einzustellen und geplante Meilensteine wie die umfangreiche Bodensanierung, die komplexe Pfahlgründung und die damit verbundene Einreichung des Bauantrags termingerecht zu erreichen. Im nächsten Schritt beginnt der Rohbau des ersten Bauabschnittes. Im Laufe dieses Jahres wird auch der Startschuss für den zweiten Abschnitt fallen, damit im Jahr 2026 mit den Umzügen in den neuen Hightech-Standort begonnen werden kann.
Autor: Thomas Heyne, Thost Projektmanagement
„Licht- und Wärmequellen werden virtuell nachgebaut, um Ressourcen schonend und nachhaltig zu nutzen."
Zur Person
Thomas Heyne ist Teamleiter bei Thost Projektmanagement. Er leitet in Jena das 14-köpfige Team des Pforzheimer Familienunternehmens, das dort am Bau des Hightech-Standorts beteiligt ist. Der Dienstleister übernimmt bei diesem Prestigeprojekt die Projektsteuerung. Dazu gehört u. a. das Genehmigungsmanagement, die Steuerung des Terminplans, die Kostenkontrolle, die Koordination von Bauphysikern, Baugrundgutachtern und Prüfstatikern.