Anlagenbau & Prozesstechnik

Digitalisierung: Mehr Effizienz durch IoT-Sensoren

Wie Chemieparks jetzt intelligent nachgerüstet werden

14.08.2023 - Nur mit Digitalisierung können Chemieparks zukünftig mehr Tätigkeiten mit weniger Menschen durchführen, jegliche Verschwendung vermeiden, und noch präziser arbeiten und berichten.

Die Herausforderungen, vor denen Chemieparks in Deutschland stehen, haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind ebenso gestiegen wie die an Kosten und Effizienz. Gleichzeitig haben die Energiekosten drastisch zugenommen, und der Fachkräftemangel macht sich deutlich bemerkbar.

Konkret bedeutet das: Chemieparks müssen

  • mehr Tätigkeiten mit weniger Menschen durchführen
  • jede Ressourcen- und Energieverschwendung vermeiden
  • noch präziser arbeiten und berichten.

Obwohl die Infrastruktur in Chemieparks historisch gewachsen ist, es also von sehr alten bis zu sehr modernen Anlagen alles gibt, sind die regulatorischen und wirtschaftlichen Anforderungen der Behörden und Kunden gleich.

Um die Anforderungen, z.B. an Umweltschutz und Gesundheit, zu erfüllen, müssen Chemieparks seit langem viele Messwerte erheben, analysieren und darüber berichten. Auch in den großen, modernen Produktionsanlagen gehört das zum Standard, um Produktqualität und -sicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz von Sensoren, Datenanalyse und datengetriebener Prozessautomatisierung hatte jedoch enge Grenzen, weil die benötigte Technik oft teuer und aufwändig zu installieren war.

Fortschritte in der Funk-Datenübertragung

Das hat sich durch signifikante technische Fortschritte in der Funk-Datenübertragung in den letzten Jahren deutlich geändert. Mehrere Funktechnologien haben sich zu Marktreife und Verlässlichkeit entwickelt, so dass sie im industriellen Umfeld hervorragend einsetzbar sind. Das bedeutet, dass jetzt günstige Sensoren auch an schwer zugänglichen Orten installiert werden können. Diese Sensoren sind hervorragend für die Nachrüstung an jeder Art von Anlagen und Infrastruktur geeignet, weil sie nicht invasiv, kabellos und batteriebetrieben sind. Beispiele für die neuen Übertragungsarten sind LoRaWAN, Narrowband-IoT oder Mesh-Netzwerke.

Mit LoRaWAN (Long Range Wide Area Network), einem Low-Power-­Wireless-Netzprotokoll mit frei verfügbarer Spezifikation, können wir bspw. im gesamten Chemiepark kostengünstig ein eigenes IoT Netz für Sensoren aufbauen und betreiben, welches nur von im Park ansässigen Firmen genutzt wird. Die Technik ist darauf optimiert, kleine Datenpakete stromsparend über weite Strecken zu übertragen. Sie steht nicht in Konkurrenz zu 5G, sondern deckt ganz andere Anwendungsfälle ab – die beiden Technologien können sich sehr gut ergänzen. 5G ist gut geeignet, wenn große Datenmengen in Millisekunden, quasi-Echtzeit, übertragen werden müssen – z.B. die Bewegungen eines Roboters, oder Video-Streams. Dafür müssen die 5G-Geräte eine dauerhafte Stromversorgung haben, und der Aufbau eines 5G-Netzes ist sehr kostenintensiv.

Der Standortbetreiber Infraserv Höchst setzt u.a. LoRaWAN ein, um den Betrieb und die Instandhaltung von Industrieanlagen zu optimieren. Hunderte von Sensoren erfassen laufend Betriebs- und Zustandsdaten, die kontinuierlich ausgewertet werden, um die Effizienz der Anlagen zu erhöhen und ungeplante Ausfälle und ihre Folgekosten zu vermeiden.

 

Dampfnetze auf Leckagen überwachen

Dampf ist in Chemieparks eine wichtige Ressource für die Produktion. Mit hohem Energieeinsatz wird der Dampf produziert, um dann mit konstanter Temperatur zu den Produktionsstätten geleitet zu werden. An vielen Stellen im Dampfnetz befinden sich Kondensat-
­abscheider, um den Dampf zu reinigen. Wenn Kondensatabscheider Lecks aufweisen, entweicht Dampf. Das führt einerseits dazu, dass mehr Energie aufgewendet werden muss, damit ausreichend Dampf am Ziel ankommt. Andererseits kann es bewirken, dass nicht ausreichend Dampf an der Produktionsstätte ankommt, oder die Temperatur zu niedrig ist. Der Betreiber des Netzes kann zu Strafzahlungen verpflichtet werden.

Heute findet meistens eine regelmäßige manuelle Überprüfung, z.B. jährlich, statt, um Leckagen zu finden und zu beheben. Das verursacht hohen Aufwand für die knappe Ressource Mensch, und kann nach sich ziehen, dass eine Leckage 364 Tage lang unentdeckt bleibt und hohen Schaden verursacht. Eine bessere Lösung ist das Überwachen der Kondensatabscheider mit Sensoren, und die Auswertung der Daten, um Leckagen automatisiert und sofort zu erkennen. Hier gibt es zwei verschiedene technische Ansätze.

Der erste Ansatz ist eine doppelte Temperaturüberwachung, d.h. ein Temperaturfühler misst die Dampftemperatur, der andere die Kondensattemperatur. Der entscheidende Faktor ist der Unterschied zwischen den beiden Temperaturen. Wenn dieser sehr klein wird, sind Dampf und Kondensat nicht mehr sauber voneinander getrennt, was auf eine Leckage schließen lässt.

Der zweite Ansatz ist Ultraschall- und Schwingungsanalyse. Ein Kondensatabscheider unterliegt immer leichten Schwingungen. Bei Auftreten einer Leckage verändert sich das Schwingungsmuster. Diese Abweichung kann durch Schwingungssensoren sofort erkannt und gemeldet werden.

Die Sensoren können mit geringem Aufwand direkt an der Dampfleitung bzw. am Kondensatabscheider angebracht werden, und stehen auch für ATEX Zone 1 (explosionsgefährdete Bereiche) zur Verfügung. Diese Anwendung spart Ressourcen und Kosten und reduziert erheblich den Aufwand für das Personal. Die daraus resultierende Energieeinsparung können wir direkt ins Energiemanagement-System übergeben und für ISO50001 Berichte verwenden.

 

„Durch die umfassende Erhebung und Auswertung von Daten wird die Einhaltung regulatorischer Vorgaben einfacher.“ 

 

Rotating Equipment überwachen

Auch hier kommen Ultraschall-, Schwingungs- und Temperaturanalysen zum Einsatz. Es gibt kaum eine Produktion, die ohne Rotating Equipment auskommt, wie Elektromotoren, Getriebe, Spindeln, Kugellager, etc. Alle diese Geräte haben im normalen, unbeschädigten Einsatz konstante Muster in ihren Geräuschen, Schwingungen und Temperaturen. Bei Auftreten von Korrosion, zu wenig Öl, zu viel Spiel an einer Spindel etc. verändern sich diese Muster, erst leicht, dann immer stärker, bis es zu einer Fehlfunktion kommt. Der Fehler führt zu Folgeschäden und Produktionsausfällen – der berühmte ungeplante Stillstand. Je früher kleine Abweichungen und Fehler behoben werden, desto länger lebt die Gesamtanlage, desto weniger Geld, Ressourcen und Aufwand fallen für große Instandhaltungen an, und desto produktiver ist die Anlage.
Die kontinuierliche Überwachung des Anlagenzustands auch an vielen kleinen Teilen ist mit kabelgebundener Technologie aus Kosten- und Aufwandsgründen kaum umsetzbar, mit den neuen Funktechnologien wird sie jedoch wirtschaftlich sinnvoll.

Sensoren werden direkt z.B. am Lager oder am Motor aufgeklebt oder geschraubt. Die Daten schicken wir an eine zentrale Plattform, wo sie kontinuierlich analysiert werden. Machine Learning (KI) Algorithmen und statistische Methoden kommen zum Einsatz, um den Normalzustand und Abweichungen davon zu erkennen. Die Algorithmen sind heute oft so gut, dass sie nach kurzer Trainingszeit nicht nur erkennen, dass ein Fehler vorliegt, sondern die Art des Fehlers bestimmen und Aktivitäten zur Behebung vorschlagen können. Die Ergebnisse integrieren wir direkt in die bestehende Instandhaltungssoftware, z.B. zum Erstellen von Instandhaltungsaufträgen. Die finanziellen Vorteile eines solchen Systems sind hoch.

Digitale Infrastruktur mit schnellem ROI

Mit der gleichen Technik können wir Füllstände beobachten, Druck überwachen, Ventilstände kontrollieren und viele andere Anwendungsfälle günstig umsetzen. Wichtig ist, dass wir Technologie für die Darstellung und Analyse von Daten verwenden, die genug Flexibilität für die große Anwendungsvielfalt besitzt, die ein Chemiepark mitbringt. Eine solche IoT-Plattform bringt Daten aus verschiedenen Bereichen und Technologien zusammen, wie z.B. 5G-Daten und LoRaWAN-Daten, damit die Anwender nicht für jeden Sensor eine andere Plattform öffnen müssen. Auch die Integrationsfähigkeit in Bestandssysteme spielt eine große Rolle, um Prozessautomatisierung zu ermöglichen.

Durch die neuen zuverlässigen und kostengünstigen Funksensoren und vielseitigen analytischen Verfahren ist die IoT Nachrüstung an Anlagen und Infrastruktur viel einfacher und wirtschaftlich sinnvoll geworden. Durch die umfassende und kontinuierliche Erhebung, Auswertung und Nutzung von Daten wird die Einhaltung regulatorischer Vorgaben einfacher. Ebenso werden Ressourcen, Aufwand und Kosten gespart, wodurch es einfacher wird, dem Fachkräftemangel und den gestiegenen Energiepreisen entgegenzuwirken. Die Investition in eine solche digitale Infrastruktur verspricht nun einen schnellen Return on Investment – nicht nur monetär, sondern auch für die Umwelt. Es ist daher an der Zeit, die Möglichkeiten dieser neuen Technologien voll auszuschöpfen.

Autorin: Elisabeth Schloten, Geschäftsführerin, ECBM GmbH, Düsseldorf

 

„Die kontinuierliche Überwachung des Anlagenzustands wird mit den neuen Funktechnologien wirtschaftlich sinnvoll.“

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