Hochleistungskunststoffe für bewegte Anwendungen zeigen, was 3D-Druckmaterialien heute schon leisten können
27.04.2017 -
Um Prototypen und Teile ab Stückzahl eins zu produzieren, entstehen dank additiver Fertigung keine hohen Werkzeugkosten mehr. igus zeigt, was mit 3D-Drucken möglich ist.
Mit der additiven Fertigung und neuartigen Hochleistungskunststoffen haben sich zwei moderne Technologien zusammengefunden, die sich in optimaler Weise ergänzen. Kombiniert garantieren sie eine hohe Freiheit in der Konstruktion bei gleichzeitiger Verschleißfestigkeit der verwendeten Bauteile. Um das zu erreichen, erforscht und entwickelt Igus neue 3D-Druck-Werkstoffe für Anwendungen in Bewegung. Das Angebot von Igus als Spezialist für Hochleistungskunststoffe für bewegte Anwendungen hat sich seit der Vorstellung des ersten Tribo-Filamentes auf der Hannover Messe 2014 kontinuierlich erweitert.
Tribo-Filamente und Tribo-SLS-Pulver für hohe Verschleißfestigkeit
Mit den inzwischen sechs Tribo-Filamenten im Programm können nicht nur Gleitlager oder komplexere Baumformen hergestellt, sondern auch direkt in industriellen Anwendungen betrieben werden. Darüber hinaus hat Igus Ende des letzten Jahres das erste Tribo-SLS-Pulver für das selektive Lasersintern vorgestellt. „Das Lasersintern ist im 3D-Druck bekannt für eine viel höhere Präzision im Vergleich zum FDM-Verfahren“, erklärt Tom Krause, verantwortlicher Produktmanager bei Igus. „Ein weiterer Vorteil unseres neuen Werkstoffs ist außerdem, dass die Bauteile durch den Druck im SLS-Verfahren eine viel höhere Festigkeit erreichen.“ Beim Lasersintern sind keine Stützstrukturen nötig, da das lose Pulver, das vom eingesetzten Laser nicht aufgeschmolzen wird, als Stützmaterial fungiert. So sind an den Bauteilen weniger Nacharbeiten nötig, die gefertigten Teile können direkt eingesetzt werden.
Tribo-Filament setzt sich gegen ABS-Material durch
Dass die gedruckten Teile längst über das Stadium von reinen Prototypen-Anwendungen hinaus sind, zeigen ausführliche Testreihen im 2.750 m2 großen Testlabor. Dort traten Igus Tribo-Filamente aus dem iglidur Werkstoff J260 gegen herkömmliche 3D-Druck-Filamente (ABS) sowie Spritzgussteile aus dem gleichen Igus-Werkstoff an. Intensiv wurden über mehrere Monate lineare und rotierende Testläufe sowohl auf Wellen aus gehärtetem, geschliffenen Stahl sowie Edelstahl im hauseigenen Testlabor gefahren und ausgewertet. Da die additive Fertigung mit schmier- und wartungsfreien Hochleistungskunststoffen noch ein vergleichsweise junges Feld ist, sahen sich die Materialexperten von Igus einem ergebnisoffenen Experiment gegenüber. Das Ergebnis überraschte. Es zeigte sich, dass die Verschleißfestigkeit der aus dem Tribo-Filament gedruckten Gleitlager im rotierenden wie auch linearen Versuch vergleichbar mit den klassischen Spritzgusskomponenten war, und das sogar auf beiden Wellen. Damit stehen die gedruckten Komponenten den gespritzten Komponenten in puncto Verschleißfestigkeit kaum nach. Zugleich wurde in den Tests erneut deutlich, dass die Reibwerte des Tribo-Filamentes gerade im Vergleich zu herkömmlichen 3D-Druck-Materialien besonders niedrig sind. So kam es bei dem Versuchsaufbau ABS gegen Tribo-Filament im rotierenden Test auf der Edelstahlwelle sogar zum Totalausfall des ABS-Teils, während die Reibverluste beim Tribo-Filament immer noch niedrig waren. Mit diesen realen Versuchen konnten die Tester erneut demonstrieren, wie motion plastics ihre Stärken in der Bewegung ausspielen, auch im 3D-Druck. So ist es möglich, dass gedruckte Teile, wie Gleitlager oder Schneckenräder, direkt eingebaut und industriell genutzt werden können.
Mit dem 3D-Druckservice Bauteile einfach drucken lassen
Doch nicht alle Unternehmen verfügen über eigene 3D-Drucker. Für diese Fälle haben die Kölner einen 3D-Druckservice im Programm, mit dem Kunden sich ihre Wunschteile direkt ausdrucken lassen können. Online werden die Daten im STL-Format per ‚Drag and Drop‘ ins Browserfenster gezogen. Im nächsten Schritt können Anwender die gewünschten Abmessungen festlegen und anschließend das gewünschte Material auswählen. „Man sieht hier schon während des Bestellvorgangs den Stückpreis der Teile, der sich an dem Druckvolumen orientiert“, erklärt Tom Krause. Im letzten Schritt kann die Auswahl bestätigt und alles dem Warenkorb hinzugefügt werden. Dorthin werden Anwender im Anschluss weitergeleitet, um entweder ein formales Angebot anzufordern oder die konfigurierte Ware direkt zu bestellen.
Präzise und individuelle Werkzeugformen innerhalb weniger Stunden
Darüber hinaus besitzt die additive Fertigung auch innovatives Potenzial für den „klassischen“ Spritzguss und eröffnet ganz neue Möglichkeiten im Werkzeugbau. Das Spritzgussverfahren ist das Standardverfahren, um hochwertige Kunststoffbauteile für bewegte Anwendungen zu fertigen. Es garantiert gleichermaßen eine hohe Qualität wie eine effiziente Produktion, gerade bei Serien mit großen Stückzahlen. Allerdings kann die Entwicklung und Modellierung von Werkzeugformen sehr kosten- und zeitaufwändig sein. Egal welche Methode angewendet wird, ob Hard-Tooling mit Werkzeugstahl oder Soft-Tooling mit Aluminium, die Herstellung von Formen für den Spritzguss kostet viele tausend Euro und kann von mindestens zwei Wochen bis zu mehreren Monaten dauern. Kommen dann noch Entwicklungs- oder Produktionsfehler sowie kurzfristige Konstruktionsänderungen und nachträgliche Bearbeitungen am Werkzeug hinzu, summieren sich Kosten und Zeitaufwand derart, dass bisher fast nur Großserien rationell mit dem Spritzguss zu realisieren waren.
Herstellung von Kunststoff-Bauteilen mit Sonderabmessungen
Gerade aber für den Anwender, der ganz spezielle Abmessungen benötigt, diese schnell und in begrenzter Stückzahl, kann die innovative 3D-Technik, die so genannte „additive Fertigung“, die Lösung sein. Igus aus Köln stellt als motion plastics Spezialist Produkte aus Hochleistungskunststoffen für bewegte Anwendungen her. Neben dem Spritzguss hat sich dabei vor allem die Bearbeitung von Halbzeugen als preiswerte Methode etabliert, kundenindividuelle Wünsche umzusetzen. Wartungs- und schmierungsfreie Halbzeuge aus insgesamt 25 iglidur Werkstoffen stehen bereit, um nach den Angaben des Anwenders aus Rundstäben oder Platten in die passende Form gefräst zu werden. Damit können Prototypen, Testmuster und kleinere Serien in freier Gestaltung produziert werden, entweder durch den Kunden selbst oder in mechanisch endbearbeiteten Wunschformen, die innerhalb von drei bis fünf Tagen geliefert werden. Einen Schritt weiter noch geht jetzt die Verbindung von 3D-Druck mit dem Spritzguss. Auf dem Rechner können Werkzeugformen in freier Formgebung modelliert, Änderungen am Design leicht vorgenommen und selbst aufwändige Details kostengünstig ausgedruckt werden, wobei komplexe Formen genauso teuer sind wie einfachere. Im Vergleich zum herkömmlichen Spritzguss mit Metallformen können durch die Verfahrenskombination Serien bis 500 Stück kostensparend hergestellt werden.
Präzise und individuelle Werkzeugformen innerhalb weniger Stunden
Grundsätzlich können Spritzgussformen nach der FDM- oder der SLS-Methode gedruckt werden. Beide Druckvorgänge kommen ohne materielle Eingriffe aus, d. h. sie verursachen keine zusätzlichen Arbeitskosten beim Druck. Bei der Schmelzschichtung nach FDM wird das Werkstück schichtweise aus einem flüssigen Kunststoff aufgebaut. Für auskragende Bauteile sind Stützkonstruktionen notwendig, die nachträglich entfernt werden müssen. Igus setzt daher auf das selektive Lasersintern (SLS), das generativ einen Werkstoff aus pulverförmigen Material auch mit Hinterschneidungen erzeugen kann. Das Pulver dient als eigenes Stützmaterial, das keine Nachbearbeitung erfordert und später sogar wiederverwendet werden kann. So können innerhalb weniger Stunden – von der Konstruktion mit dem CAD-Tool bis zum Druck – und zu geringen Vorkosten Werkzeugformen für die Spritzgussmaschine gefertigt werden. Interessant ist diese Möglichkeit aber nicht nur für Sonderteile in kleiner Serie, sondern auch für die Erprobung neuer Muster. Während bisher der finale Dauertest mit teuren und zeitintensiven Spritzguss-Teilen erfolgen musste, weil sich das Muster in seiner Qualität zu sehr vom Serienteil unterschied, kann nun zu deutlich reduzierten Kosten ein authentisches Sonderteil für die Testphase gedruckt werden.
Die Vielfalt der iglidur Werkstoffe nutzen
Die Auswahl des richtigen Werkstoffmaterials ist entscheidend, sowohl für die Werkzeugform wie für das finale Bauteil. Traf diese Feststellung in der Vergangenheit schon für den Spritzguss mit seinen speziellen Anforderungen an Verarbeitungstemperaturen (über 250 °C) und Fließeigenschaften zu, so nun umso mehr für das additive Verfahren. Allerdings ist die Auswahl unter den zur Verfügung stehenden Werkstoffen, die mit den 3D gedruckten Spritzgusswerkzeugen gespritzt werden können, in diesem Bereich bis dato eher gering. Einige kleinere Anbieter haben zwar bereits Spritzgusswerkzeuge aus dem 3D-Drucker im Programm, diese aber sind auf Materialien mit bestimmten Standardeigenschaften beschränkt. Ihr Verschleiß ist entsprechend groß, was den häufigen Austausch erfordert bzw. die Anzahl der herstellbaren Formteile beschränkt. Deshalb werden von ihnen meist nur plastische Modelle, Prototypen oder Kleinstserien gefertigt. Und dies beansprucht bei ihnen in der Regel mehr als eine Woche. Wer jedoch besondere Werkstoffeigenschaften und eine hohe Lebensdauer in bewegten Anwendungen in kurzer Zeit benötigt, kann jetzt dabei auch auf einen großen Teil der Hochleistungskunststoffe aus getesteten Tribo-Polymeren von Igus zurückgreifen. Die iglidur Werkstoffe sind schmier- und wartungsfrei und senken so die Kosten beim Anwender. Darüber hinaus hat jeder Werkstoff seine ganz spezifischen Qualitäten, die für eine Vielzahl von Anwendungen und damit unterschiedlichste Branchen nutzbar sind. Besondere Chemikalien- oder Temperaturbeständigkeit sind dafür Beispiele, ebenso wie etwa FDA-Konformität oder Hochlast.