Logistik & Supply Chain

Hafen Antwerpen, ein Ort für Innovation

Jaques Vandermeiren, CEO der Antwerp Port Authority im Interview

14.10.2020 - Der Antwerpener Hafen ist ein multifunktionales Verbindungsglied in der Supply Chain, denn er spielt eine wichtige Rolle als Produktionsstandort, logistische Drehscheibe und elementares Glied in der Rohstoffversorgung.

 „Unser Engagement bei den Zukunftsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit ist ungebrochen.“

 

Im Zuge der Klimadebatte versucht der Hafen das nachhaltige Konzept der Kreislaufwirtschaft zu manifestieren. CHEManager befragte Jaques Vandermeiren, den CEO der Antwerp Port Authority zu den jüngsten Projekten und Aktivitäten rund um diese Thematik. Die Fragen stellte Sonja Andres.

CHEManager: Herr Vandermeiren, in unserem letzten Interview im Jahr 2018, nannten Sie die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit als zwei der wichtigsten Themen für die Zukunft des Hafens. Wo steht der Hafen Antwerpen in Bezug auf diese Themen heute?

Jaques Vandermeiren: Unser Engagement bei den Zukunftsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit ist seit Jahren ungebrochen. Der Hafen Antwerpen war und ist ein Ort für Erneuerung und Innovation.

Gerade bei der digitalen und nachhaltigen Transformation nehmen wir international eine Vorreiterrolle ein und fördern verschiedene Projekte. So sind wir beispielsweise federführend am ePIcenter-Projekt beteiligt. Die Abkürzung steht für „Enhanced Physical Internet-Compatible Earth-friendly freight Transportation answer“. 36 Partner bündeln hier ihre Kräfte, um praxisorientierte Lösungen für die Supply Chains der Zukunft zu entwickeln.

Andere Projekte umfassen Certified-Pick-Up, eine Plattform zur digitalen Freigabe von Containern, die Meldeplattform Swing, ein Meilenstein in der Digitalisierung der Binnenschifffahrt, und unser Engagement im Bereich alternative Kraftstoffe.

Gemeinsam mit den Unternehmen der Hafengemeinschaft und des Petrochemie-Clusters ist es uns gelungen, den ökologischen Fußabdruck im Hafen trotz höherem Frachtaufkommen und gestiegener Industrieproduktion nicht zu vergrößern. NOx und SO2 sind weiter gesunken, unser Energieverbrauch ist rückläufig und die Anzahl der Ökostromerzeugungsanlagen wächst stetig.

Der Übergang zu einer kohlenstofffreien und kreisförmigen Wirtschaft in unserem Hafengebiet schreitet also voran. Innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren sind Investitionen von rund 35 Mio. EUR in innovative Energieumwandlungsprojekte im Hafen vorgesehen.

Sie nannten damals auch die Churchill Industrial Zone, die nahe eines Pipeline Hubs liegt, als besonders geeignet für Unternehmen mit Interesse an der Kreislaufwirtschaft. Wie hat sich dieses Areal zwischenzeitlich entwickelt?

J. Vandermeiren: Die Entwicklung des Areals geht jetzt in die nächste Phase. Das 88 ha große Gelände wird in einen neuen Hotspot für die Kreislaufwirtschaft umgewandelt: NextGen District, wie es jetzt heißt. Wir starten auch ein neues internationales Vergabeverfahren, um potenzielle Investoren für NextGen District zu finden, die unseren Vorstellungen genügen. Damit die nachhaltige Entwicklung des Areals gewährleistet wird, werden die Bewerbungen auch auf Aspekte wie den innovativen Wert oder klimatische Auswirkungen bewertet.

Gesucht werden speziell Unternehmen, die Impulse in der Kreislaufwirtschaft bieten, mit besonderem Fokus auf Unternehmen aus der Prozess- und Fertigungsindustrie. Unser Wunsch ist es, dass hier „End-of-Life-Produkte“ ein zweites oder drittes Leben erhalten, zirkuläre Kohlenstofflösungen erforscht werden und zum Thema erneuerbare Energien experimentiert wird. Das Areal befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Chemie-Cluster und besteht aus einem Demonstrationsgelände für Start-ups sowie freien Grundstücken unterschiedlicher Größe. Für alle Interessenten haben wir eigens eine Internetseite eingerichtet auf nextgendistrict.com

Haben sich hierbei auch die Investitionen des Hafens in das Pipelinegeschäft als vorausschauend erwiesen?

J. Vandermeiren: Der Transport per Pipeline-Netz ist ein wichtiger Bestandteil der Logistikketten zahlreicher chemischer und petrochemischer Unternehmen in unserem Hafen sowie ins Hinterland. Indem wir den Unternehmen offenen Zugang zu unserem Pipeline-Netz ermöglichen, konnten wir die lokale Industrie stärken und die Verlagerung auf diesen nachhaltigen Verkehrsträger fördern. Die nachhaltige Verkehrsverlagerung ist uns ein großes Anliegen. Darüber hinaus prüfen wir aktuell die Möglichkeit der Einbindung dieser Pipelines in ein „Wärmenetz“ sowie für den Transport von CO2.

 

Im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft hatte sich Mitte dieses Jahres in Antwerpen ein Konsortium für eine umweltverträgliche Produktion von Methanol gebildet. Was sind die Ziele dieses Konsortiums?

J. Vandermeiren: Die sieben Partner des Konsortiums mit dem Namen „Power to Methanol Antwerp BV“ wollen im Jahr 2022 eine Demonstrationsanlage für die nachhaltige Methanolproduktion errichten und noch im selben Jahr in Betrieb nehmen. Mit dabei sind die Unternehmen Engie, Fluxys, Indaver, Inovyn, Oiltanking, die Investitionsgesellschaft der flämischen Regierung PMV und der Hafen Antwerpen.

Die Demonstrationsanlage wird am Inovyn-Standort in Antwerpen gebaut. Dort sollen dann jährlich acht Kilotonnen nachhaltiges Me­thanol, einer der Hauptrohstoffe der chemischen Industrie hier im Hafen, produziert werden. Hergestellt wird es aus abgeschiedenem CO2 und nachhaltig erzeugtem Wasserstoff. Die Demonstrationsanlage kann damit künftig rund acht Kilo­tonnen CO2-Emissionen pro Jahr einsparen.

Welche Rolle hat der Hafen hierbei übernommen?

J. Vandermeiren: Wir als Hafenbehörde sind nicht nur der Vermieter der Standorte, wir sind ein aktiver Teil der Hafengemeinschaft und wollen innovativ vorangehen. Innovation und Zusammenarbeit sind für den Übergang zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft unerlässlich.

Das „Power-to-Methanol“-Projekt ist hier ein gutes Beispiel, denn jeder Partner bringt sein eigenes Fachwissen für einen strategischen oder operativen Teilbereich ein: der Fernleitungsbetreiber Fluxys beispielsweise seine Infrastruktur­erfahrung und sein spezifisches Fachwissen bei der Zertifizierung von Öko-Gasen, der Energieversorger Engie sein Wissen im Strommarkt, der Logistikdienstleister Oiltanking logistische Aspekte der Methanolproduktion und -lagerung. Indaver hat das notwendige Know-how bei der CO2-Abscheidung und wir sind das Bindeglied zwischen den privaten Unternehmen und der belgischen Regierung.

Noch eine weitere Initiative in Zusammenhang mit der Reduzierung von CO2-Emissionen hat der Hafen Antwerpen angestoßen. Was steckt hinter dieser Initiative Antwerp@C und inwiefern ist die chemische Industrie involviert?

J. Vandermeiren: Mit Antwerp@C haben wir ein weiteres nachhaltiges Projekt angestoßen, um die CO2-Emissionen innerhalb des Hafens Antwerpen deutlich zu reduzieren, 2017 waren dies 18,65 Mio. t. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 diese Menge zu halbieren. Dies ist nur mit starken und engagierten Partnern der ansässigen Industrie möglich. Mit Air Liquide, BASF, Borealis, ExxonMobil, Ineos, Fluxys und Total konnten wir namhafte Chemie- und Energieunternehmen für die Initiative gewinnen.

 

„Wir wollen den Antwerpener Chemie-Cluster beim Übergang zu einer kohlenstoffneutralen und zirkulären Wirtschaft stärken.“

 

Mit dem Hafen Antwerpen besteht Antwerp@C damit aus acht Kooperationspartnern, die gemeinsam die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Aufbau einer CO2-Infrastruktur für künftige Carbon Capture Utilisation & Storage-Anwendungen untersuchen. Den Start markiert eine Machbarkeitsstudie für gemeinsame Infrastruktur, darunter eine zentrale Pipeline entlang der Industriezonen am rechten und linken Schelde-Ufer, verschiedene gemeinsam genutzte Verarbeitungseinheiten, eine gemeinsame CO2-Verflüssigungsanlage, Zwischenlager sowie der grenz­überschreitende Transport von CO2.

Auch angesichts der lähmenden Wirkung durch Covid-19, wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung der Aktivitäten rund um die Kreislaufwirtschaft und zur CO2-Reduktion?

J. Vandermeiren: Die Coronakrise zeigt uns deutlich, dass wir in unserem Engagement für einen widerstandfähigen und nachhaltigen Hafen nicht nachlassen dürfen. Energiewende und Kreislaufwirtschaft standen vor der Pandemie ganz oben auf unserer Agenda und tun dies auch weiterhin. Wir wollen den Antwerpener Chemie-Cluster beim Übergang zu einer kohlenstoffneutralen und zirkulären Wirtschaft stärken und unterstützen.

NextGen District soll eine Drehscheibe für Innovation in der Kreislaufwirtschaft werden und auch das Angebot alternativer Kraftstoffe muss erweitert werden. Als Versuchsfeld für technologische und nachhaltige Innovationen kombiniert Antwerpen diese Innovationen mit seinen Stärken als branchenübergreifende Hafenplattform, um vielversprechende Anwendungen wie etwa CCU und Wasserstoff zu fördern. Damit kommen wir unserer Verantwortung für kommende Generationen nach. (Anm. d. Red.: CCU = Carbon Capture and Utilization)

 

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