Strategie & Management

Grüne Chemie mit Ökostrom

Innovation und Wirtschaftswachstum als Nachhaltigkeitsziele für Österreichs chemische Industrie

22.01.2020 -

Das vergangene Jahr war in Österreich innenpolitisch turbulent und hat durch die EU-Wahl und die neue Kommission zusätzlich viele Neuerungen auf europäischer Ebene gebracht. Themen, die die chemische Industrie betreffen, standen von Beginn an stark im Fokus: Plastiksackerlverbot, Glyphosat, Mikroplastik… Wie sehr die Wichtigkeit von Umweltthemen zunimmt, zeigt auch aktuell der Green Deal der Europäischen Kommission.

Medial war das Jahr auch in Österreich wie kein anderes geprägt von dem Schlagwort Klima. Klimakatastrophe, Klimawandel, Klimaschutz, Klimaerwärmung. Leider bleiben bei der öffentlichen Diskussion Fakten und Argumente oft im Hintertreffen. Man gewinnt den Eindruck, es gibt nur noch Polarisierung mit Klimarettern auf der einen und Klimasündern auf der anderen Seite. Und auch die Politik ist vor diesen Vereinfachungen nicht gefeit.
Was an Leistungen für den Klimaschutz bereits erbracht wurde, wird hingegen kaum wahrgenommen: Seit 1990 konnte die chemische Industrie in Österreich ihre prozessbedingten Treibhausgas-Emissionen um 52 % senken. Ohne chemische Industrie gäbe es keine Solarenergie, Windräder oder Elektroautos. Und auch in Zukunft wird man Klimaziele nicht ohne die Chemie erreichen können. Es ist zu einfach, eine klimaneutrale Produktion zu fordern. Dafür brauchen wir enorm viel Ökostrom zu leistbaren Preisen, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Eine vom Fachverband in Auftrag gegebene Studie hat gezeigt, dass für eine vollständige Dekarbonisierung von Österreichs chemischer Industrie Ökostrom von etwa 60 Donaukraftwerken nötig wäre.
Und die Produktion aus Europa zu verdrängen, schadet dem Klima mehr als es hilft. Eine aktuelle Studie, zeigte auf, dass durch jede Tonne CO2, die von der chemischen Industrie in Österreich emittiert wird, etwa 1,8 t CO2 global eingespart werden können.

Österreich als klimafreundlicher Produktionsstandort
Damit liegt Österreich auf Platz 3 im EU-Vergleich. Weniger Treibhausgase in der chemischen Produktion emittieren nur Litauen und Schweden. Der EU-Schnitt liegt bei 61 t CO2 / TJ. Das entspricht etwa einer 60 % höheren Treibhausgasbelastung als in Österreich. Die Gründe für die niedrigeren CO2-Emissionen bei der Produktion in der chemischen Industrie liegen vor allem im Einsatz modernster Technologien bei der Herstellung von Chemikalien und Gütern und beim Energiemix in der Stromproduktion. Ein entscheidender Faktor sind die Bemühungen der Unternehmen, ihren Rohstoff- und Ressourceneinsatz ständig zu optimieren. Ebenso die Entwicklung von innovativen Materialien und die Verbesserung von Prozessen, um weniger Energie zu verbrauchen.
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Minimierung der Treibhausgas­emissionen bei der Produktion ist der Energiemix bei der Strom­erzeugung. Hier gibt es klare Standortvorteile für Österreich. Mit einem Anteil von etwa 75 % erneuerbarer Energie durch Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie ist die Produktion von chemischen Gütern weitaus klimafreundlicher möglich als in Ländern mit einem hohen Anteil fossiler Brennstoffe bei der Strom­erzeugung.

Dies zeigt sich insbesondere, wenn man über den europäischen Tellerrand blickt. Vor allem in asiatischen Schwellenländern ist die Klima-Belastung bei der Produktion sehr hoch. Mit 134,46 t CO2 / TJ liegt der Wert der Emissionen in Indien mehr als dreimal so hoch wie in Österreich. Eine entscheidende Ursache dafür ist der Anteil an Kohle bei der Stromproduktion. Dieser liegt am indischen Subkontinent bei etwa 75 %. Noch bedeutender ist dieser Faktor in China aufgrund der globalen Bedeutung der chinesischen Chemieindustrie. Bis 2030 wird diese wahrscheinlich für mehr als die Hälfte der globalen chemischen Produktion verantwortlich sein. In der aufstrebenden Supermacht liegen die Treibhausgasemissionen bei 104,36 t CO2 / TJ. Auch hier ist eine der Hauptursachen ein sehr hoher Anteil von Kohle bei der Stromproduktion, der in China knapp 70 % ausmacht. In den Vereinigten Staaten von Amerika, der dritte große Player im Chemiebereich neben Europa und China, liegen die Emissionswerte der chemischen Industrie ebenfalls deutlich über denen Österreichs. Mit 70,82 t CO2 / TJ ist die Lage zwar weniger dramatisch als in Asien, die Treibhausgase bei der Produktion sind aber immer noch fast doppelt so hoch wie in der Alpenrepublik.
Nachhaltigkeit darf nicht auf das Klima reduziert werden. Die chemische Industrie leistet einen großen Beitrag zum Klimaschutz. Allein mit 17 Lösungen aus der chemischen Industrie könnte man bis 2050 bis zu 10 Gt Treibhausgase einsparen (was etwa einem Viertel der heutigen globalen Kohlendioxid-Emissionen entspricht) hat eine Studie des ICCA kürzlich errechnet.

Wirtschaftswachstum als Nachhaltigkeitsziel
Und wir leisten noch mehr im Bereich Nachhaltigkeit. Denn Innovation und Wirtschaftswachstum zählen ebenfalls zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Auch wenn wir bedingt durch die schwächelnde Weltkonjunktur heuer nicht mehr so viel Wirtschaftswachstum verzeichnen werden können wie 2018, so ist Österreichs chemische Industrie nach wie vor robust. Die endgültigen Zahlen liegen zwar noch nicht vor, trotzdem kann man jetzt schon sagen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Branche auf hohem Niveau weitgehend konstant bleibt. Insbesondere die baunahen Branchen wie Bauchemie, Bauklebstoffindustrie, Lack- und Anstrichmittelindustrie sowie die kunststoffverarbeitende Industrie (wird in Österreich auch vom Fachverband der Chemischen Industrie betreut und trägt mehr als ein Drittel zum Produktionswert bei) werden etwas über den Werten des erfolgreichen Vorjahres liegen.
Chemiefasern, die einen wichtigen Teil zum Produktionswert der chemischen Industrie in Österreich beitragen (Abb. Anteile der Branchen), sowie Düngemittel und Farbstoffe konnten sich in den ersten drei Quartalen 2019 gut entwickeln. Die Kunststoffproduktion sowie die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln hingegen mussten ein Minus einstecken.

Insgesamt bleibt die Entwicklung auf hohem Niveau weitgehend konstant.
Die sich deutlich abzeichnende Abkühlung in Deutschland hat zwar noch nicht voll auf Österreich durchgeschlagen, aber die Unternehmen erwarten auch in Österreich ähnliche Entwicklungen, wenn auch nicht so stark und etwas zeitverzögert. Nach wie vor stützt vor allem die gute Inlandsnachfrage die Konjunktur.
Die Beschäftigtenzahlen sind 2019 nochmals gestiegen (Abb. Beschäftigte). Nach wie vor kämpft die Branche mit einem Fachkräfte­mangel, das Potenzial an geeigneten Arbeitskräften ist knapp. Trotzdem konnte die chemische Industrie im Jahr 2019 mehr als 47.000 Personen einen Arbeitsplatz bieten. Auch das sollte als wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit gezählt werden.

Herausforderndes Jahr 2020 erwartet
Mit der Umsetzung des Green Deals der Europäischen Kommission und dem Regierungsprogramm der neuen türkis-grünen Koalition kommt dieses Jahr so einiges an Herausforderungen auf Österreichs chemische Industrie zu. Wir sind bereit, die Emissionen unserer eigenen Produktion weiterhin zu senken und uns die Klimaneutralität als Ziel zu setzen. Auf der anderen Seite muss unsere Branche aber international wettbewerbsfähig bleiben und unsere Innovationen müssen als wichtiger Hebel für den Klimaschutz anerkannt werden.

ZUR PERSON

Hubert Culik ist seit 2015 Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Seine berufliche Laufbahn begann er 1965 als Chemie- und Lacklaborant bei Rembrandtin Lack in Wien und übernahm dort 2005 die Geschäftsführung. Im Jahr 2013 trat er in den Vorstand der Helios Group Slovenia ein, die 2017 von der japanischen Kansai Paint übernommen wurde. Heute ist er CEO von Kansai Helios Coatings. Culik ist zudem u. a. Präsident des Österreichischen Forschungsinstituts für Chemie und Technik und Vorsitzender der Berufsgruppe Lack- und Anstrichmittelindustrie im FCIO.

 

Kontakt

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