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Fachkräfte für morgen - Chemieindustrie bildet in über 50 Berufen aus

Interview mit Wolfgang Goos, Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC)

13.03.2012 -

Wer hoch qualifizierte Fachkräfte benötigt, sollte sie ausbilden. Die Chemieindustrie geht hier mit gutem Beispiel voran: Insgesamt befinden sich derzeit mehr als 26.000 junge Menschen in der Ausbildung zu einem der über 50 naturwissenschaftlichen, technischen oder kaufmännischen Berufe in der Chemie. Zum Ausbildungsspektrum gehören neben Ausbildungsberufen auch duale Studiengänge sowie Förder- und Integrationsmaßnahmen für Jugendliche, die bisher nicht ausbildungsreif sind. Dr. Andrea Gruß sprach zu diesem Thema mit Wolfgang Goos, Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC).

CHEManager: Welchen Beitrag leistet die Chemieindustrie, um dem Fachkräftemangel vorzubeugen?

Wolfgang Goos: Von unseren 1.900 Mitgliedsunternehmen bilden über 60 % selbst oder im Verbund mit anderen Unternehmen aus. Im Jahr 2011 haben sie gemeinsam 9.440 neue Ausbildungsplätze angeboten. Das entspricht einem Plus von 600 Ausbildungsplätzen im Vergleich zum Vorjahr. Damit hat die Branche auch bei der Ausbildung das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Insgesamt haben die Unternehmen ihr Ausbildungsplatzangebot gegenüber 2003 - dem Start des Chemie-Tarifvertrages „Zukunft durch Ausbildung" - um fast 10 % gesteigert.

Wurden die Vorgaben dieses Tarifvertrags immer erreicht?

Wolfgang Goos: Der Vertrag aus dem Jahr 2003 sieht 9.000 neue Ausbildungsplätze pro Jahr vor. 2011 hat die Chemieindustrie diese Marke deutlich, um rund 5 %, übertroffen. In den Jahren 2009 und 2010 wurde das Ziel aufgrund der Wirtschaftskrise und der Unsicherheit in Bezug auf die konjunkturelle Entwicklung knapp verfehlt. Das ist dennoch ein beachtlicher Erfolg, wenn Sie bedenken, was die Ausbildung in der Chemie an Kapital und Ressourcen bindet - sie ist die teuerste im Branchenvergleich. Doch mit jedem Ausbildungsplatz schafft die Branche neue Perspektiven für junge Menschen und investiert zugleich in die eigene Zukunft.

Wird es auch in Zukunft genügend Nachwuchs für die Chemiebranche geben?

Wolfgang Goos: Auch für die Chemiebranche wird es immer schwieriger werden, ausreichend Nachwuchs zu gewinnen. Das ist zum einen durch den demografischen Wandel bedingt: Ab dem Jahr 2014, 2015 rechnen wir mit sinkenden Zahlen bei den Schulabgängern. Zum anderen trägt die mangelnde Ausbildungsreife, die wir bei immer mehr Jugendlichen vorfinden, dazu bei. Diese trifft uns noch stärker als andere Branchen, denn die forschungsintensive Chemieindustrie hat traditionell das höchste Qualifikationsniveau im Branchenvergleich, das wurde uns erst kürzlich auch von der EU-Kommission bestätigt.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um diese Herausforderungen anzugehen?

Wolfgang Goos: Hier greift beispielsweise das Programm „Start in den Beruf", das die Chemie-Sozialpartner bereits im Jahr 2000 ins Leben gerufen haben, mit dem Ziel, die Ausbildungschancen junger Menschen zu erhöhen. In den vergangen zehn Jahren investierten die Unternehmen rund 25 Mio. € in das Programm, der Unterstützungsverein der chemischen Industrie (UCI) trug weitere 5 Mio. € bei. Die 10-Jahres-Bilanz war ein voller Erfolg: Fast 2.500 Jugendliche konnten ihre Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt mit dem Programm verbessern. Im Durchschnitt erhielten fast 70 % der Teilnehmer direkt im Anschluss eine Lehrstelle, in manchen Jahren lag die Quote sogar bei 89 %. Etwa ein Drittel der Teilnehmer hatte einen Migrationshintergrund.
Aufgrund dieser positiven Bilanz haben die Chemie-Sozialpartner mit dem Tarifabschluss 2011 ihr Engagement bei der Nachwuchssicherung nochmals verstärkt: Das Programm „Start in den Beruf" wurde um die Mittelstandsinitiative „StartPlus" ausgebaut. Diese bietet kleinen und mittelständischen Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten Unterstützung bei der pädagogischen Betreuung der Jugendlichen.

Welche weiteren Instrumente greifen bei der Nachwuchssicherung?

Wolfgang Goos: Die Chemiebranche hat sich bereits frühzeitig mit dem demografischen Wandel und dessen Auswirkungen auf die Unternehmen beschäftigt. Der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie" aus dem Jahr 2008 sieht u.a. eine verbindliche Demografie-Analyse vor, die den Unternehmen eine vorausschauende Personal- und Beschäftigungspolitik ermöglicht. Anhand der Analyseergebnisse können Unternehmen sehr gut abschätzen, welche Berufe, welche Fachkräfte sie in Zukunft in der Personalbedarfsplanung berücksichtigen müssen. Dies hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Branche direkt nach der Wirtschaftskrise in der Ausbildungsbilanz so gut dasteht. Darüber hinaus haben die Sozialpartner im Tarifvertrag „Brücke in Beschäftigung" im Jahr 2010 eine Förderung durch den UCI vereinbart, auf diese Weise konnten Hunderte junge Menschen trotz Krise nach ihrer Ausbildung weiterbeschäftigt werden.

Wie hoch ist die Übernahmequote von Ausgebildeten in der Chemieindustrie?

Wolfgang Goos: Etwa acht von zehn Auszubildenden werden nach erfolgreicher Prüfung übernommen. Diese Quote belegt auch die hohe Qualität der Ausbildung in der Chemie. Wir können sie mit Stolz vorzeigen.

Und dennoch steht die Chemieindustrie, insbesondere bei nicht chemiespezifischen Berufen, im Wettbewerb mit anderen, offenbar attraktiveren Branchen...

Wolfgang Goos: Ja, wir stehen im Wettbewerb um den besten Nachwuchs, z.B. mit der für Absolventen ebenfalls sehr attraktiven Automobilbranche. Deshalb wird es umso bedeutender, dass wir die Attraktivität unserer Branche stärker nach außen darstellen. Hierzu starten wir am 28. März unsere neue Ausbildungskampagne „Elementare Vielfalt", kurz ElVi, die die bisherige Kampagne Chemie4You ablösen wird.

Was werden die Inhalte der Ausbildungs-Kampagne sein?

Wolfgang Goos: „Elementare Vielfalt" informiert über die Top 25 Ausbildungsberufe der Chemieindustrie. Dabei werden echte Auszubildende als authentische Botschafter für ihren Ausbildungsberuf begeistern. ElVi stellt darüber hinaus die Bedeutung der Chemie als innovative Hightech-Branche dar.
Die Kampagne bietet neben zeitgemäßen Kommunikationsangeboten wie Facebook einen umfassenden Service für unsere Mitgliedsunternehmen. Diese können sich in einer neuen bundesweiten Ausbildungsbörse präsentieren und schon heute ihre Stellenangebote einstellen. Damit bieten wir insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen der chemischen Industrie die Möglichkeit, ihre Aktivitäten bei der Ausschreibung offener Lehrstellen effizient zu bündeln und eröffnen ihnen zusätzliche Kanäle für die Nachwuchsgewinnung. 

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