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Evonik will Börsengang auf 2012 verschieben

25.09.2011 -

Es sollte der größte deutsche Börsengang seit Jahren mit rund 5 Mrd. € Volumen werden. Der Essener Spezialchemiekonzern Evonik stand mit einer auf Finanzmarkt getrimmten Firmenstruktur und guten Zahlen in den Startlöchern. Doch die aktuelle Panikstimmung an der Börse durchkreuzt die Pläne der Essener nun schon zum zweiten Mal nach dem ersten Anlauf 2008. Wegen der hektisch schwankenden Kurse wird das Kuratorium des Evonik-Haupteigentümers, der RAG-Stiftung, aller Voraussicht nach in einer Telefonkonferenz beschließen, den Börsengang in das nächste Jahr verschieben. «Wenn wir jetzt rausgegangen wären, wäre enorm viel Geld verbrannt worden. Wir haben doch keinen Zeitdruck», sagt ein Insider. Ursprünglich hatten Management und Kuratorium den Herbst dieses Jahres für den Gang aufs Parkett fest angepeilt. Jetzt wartet Evonik auf ein Zeitfenster im nächsten Frühjahr. Sobald sich die Stimmung wieder aufhellt, kann das Unternehmen schnell reagieren, da fast alle Vorarbeiten geleistet sind.

Evonik hat sein Konzernergebnis im vergangenen Jahr verdreifacht und rechnet nach den ersten beiden Quartalen für 2011 mit weiteren Steigerungen in allen wesentlichen Kennziffern. Angesichts der großen Nachfrage für eine Anleihe und Kreditlinien in Milliardenhöhe in den vergangenen Jahren, hält sich das Unternehmen weiter für uneingeschränkt börsenfähig. «Es scheitert nicht an uns, es scheitert am Markt», sagt ein Mitarbeiter. Grünes Licht für die Verschiebung kam Anfang des Monats von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Die Bundesregierung sitzt mit im Boot: Die RAG-Stiftung als Treuhänderin der öffentlichen Hand muss aus den Erlösen des Börsengangs die dauerhaften Lasten des deutschen Steinkohlebergbaus bezahlen - nach einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG rund 8,4 Mrd. €. So steht es in der Satzung der 2007 gegründeten Stiftung.

Im Kuratorium sitzt viel Politik-Prominenz - neben Schäuble und Wirtschaftsminister Rösler die Ministerpräsidentinnen von NRW und Saarland und der mächtige Chef der Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis. Das ist das besondere am Evonik-Börsengang: Das Unternehmen gehört mehrheitlich einer Politik-dominierten Stiftung. Und es ist aus der Bergbautradition der alten Ruhrkohle AG, aus der es stammt, nach wie vor stark auf Mitbestimmung und sozialpolitische Standards ausgerichtet. Die Vorbereitungen des Börsengangs in den vergangenen zwei Jahren erforderten deshalb viel Fingerspitzengefühl. Im wesentlichen musste Evonikchef Klaus Engel den Mischkonzern aus Chemie, Energie und Immobilien strikt auf die Spezialchemie ausrichten. Beim Verkauf der Evonik-Energietochter Steag Ende 2010 - immerhin die Nummer fünf in Deutschland - kam ein Stadtwerke-Konsortium aus dem Ruhrgebiet zum Zuge, nicht ein tschechischer Konzern, der ebenfalls ein hohes Angebot abgegeben haben soll. So blieben die Arbeitsplätze im Land.

Einen ähnlichen Weg geht Evonik bei der Immobilientochter mit ihren vielen ehemaligen Bergarbeiterwohnungen: Sie wird nicht - wie ursprünglich diskutiert - allein an die Börse gebracht oder verkauft, sondern mehrheitlich an die IG BCE, die Stiftung und Evonik-Pensionsfonds verteilt. Höchstens 30 % sollen in einigen Jahren an einen langfristigen Investor verkauft werden, der aber immer von der Zustimmung der anderen drei abhängig ist. Heuschrecken-Allüren können da erst gar nicht aufkommen. Eine entsprechende Einigung soll noch im September unterschrieben werden. Derzeit wird also gewartet. Bis der deutsche Steinkohlebergbau
2018 endgültig endet und das Geld für die Ewigkeitslasten da sein muss, ist noch Zeit genug. Die Stiftung hat nach Auskunft ihres Sprechers derzeit Kapitalanlagen von rund 1,4 Mrd. € - also vorerst und auf Jahre genug Geld, um auch ohne Evonik-Börsengang die Wasserpumpen in alten Bergwerksschächten zu bezahlen.