Erfolgsfaktoren für eine CO2-optimierte Produktion
Wege zur Dekarbonisierung in der Chemie- und Pharmaindustrie
Die Chemie- und Pharmaindustrie steht vor ganz besonderen Herausforderungen bei diesem Thema: Hoher Energiebedarf, Prozesse mit CO2-Emissionen, langsame Umstellung der Produktionsmethoden sowie erforderliche Präzision in der Pharmaindustrie erfordern nicht nur eine gute Strategie zur Dekarbonisierung, sondern auch technologische Innovationen, um die Emissionen nachhaltig zu reduzieren. Neben dem Umbau bzw. der Neuanschaffung von Anlagen rücken effiziente Produktionsprozesse und -verfahren in den Blick. Dazu gehört auch die modulare Produktion und der branchen- und herstellerübergreifenden Standard MTP.
Branchenspezifische Herausforderungen
Börsennotierte, große Unternehmen unterliegen bereits seit einigen Jahren den Nachhaltigkeitsvorschriften und -reportings, wie z.B. CSRD und ESG, und haben Strategien und Projekte zur Dekarbonisierung entwickelt. Doch auch mittelständische Unternehmen (KMU) haben begonnen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, teils auch, weil sie als Zulieferer von Großbetrieben von der Berichtspflicht mit betroffen sind oder in den kommenden Jahren selbst dazu verpflichtet werden. Dennoch tun sich KMU bislang mit dem Thema eher schwer. Fehlende Klimakompetenz, aber auch mangelnde Datentransparenz bzw. Digitalisierung in der Produktion erweisen sich als wesentliche Hindernisse. Laut der Studie „Climate Governance“ von FTI-Andersch und der Leuphana Universität Lüneburg hatten 2023 erst 40 % eine Klimastrategie entwickelt, knapp 10 % hatten dies für die nächsten zwölf Monate nicht vor.
In der Chemie- und Pharmaindustrie kommen weitere Herausforderungen hinzu:
- Hoher Energiebedarf: Beide Industrien sind sehr energieintensiv. Die Produktion von Chemikalien, Kunststoffen, Düngemitteln und pharmazeutischen Produkten erfordert große Mengen an Energie und oft hohe Temperaturen für verschiedene Reaktions- und Destillationsprozesse. Der Umstieg auf erneuerbare Energien allein reicht oft nicht aus, um den gesamten Energiebedarf zu decken.
- Prozesse mit hohen CO2-Emissionen: Die Herstellung vieler chemischer Produkte setzt CO2 als Nebenprodukt frei; diese Prozesse sind schwer direkt zu dekarbonisieren.
- Langsame Umstellung der Produktionsmethoden: Der Übergang von bestehenden Produktionsmethoden hin zu kohlenstoffärmeren oder kohlenstofffreien Verfahren ist oft langwierig und kostspielig. Dies gilt besonders für große Industrieanlagen, deren Umrüstung oder der Bau neuer, emissionsarmer Produktionsstätten hohe Investitionen erfordert.
- Präzision in der Pharmaindustrie: In der Pharmaindustrie spielen Genauigkeit und Qualität eine zentrale Rolle. Die Entwicklung von Medikamenten erfordert sehr spezifische chemische Reaktionen und Bedingungen, die durch die Dekarbonisierung nicht negativ beeinflusst werden dürfen. Innovative, grüne Technologien müssen deshalb vollständig kompatibel mit den speziellen Anforderungen der pharmazeutischen Produktion sein.
„Zukunftsoffene IT-Plattformen unterstützen die sukzessive Modernisierung, Digitalisierung und Vernetzung von Systemen und Anlagen.“
Digitalisierung und Automatisierung als Schlüssel für die Dekarbonisierung
Digitalisierung ist das zentrale Werkzeug, um Energieflüsse und -verbräuche, Emissionen, Abwasser und Qualität exakt auszuwerten und damit Produktionsabläufe besser zu verstehen und zu optimieren. Eine detaillierte Datenerfassung und -analyse erhöht neben der Transparenz auch die Flexibilität. Digitalisierung bildet die Grundlage für moderne Automatisierung.
Eine automatisierte Prozesssteuerung ermöglicht präzise abgestimmte Prozessschritte, den fehlerfreien, reibungslosen Betrieb in der Produktionslinie und eine permanente Qualitätskontrolle. Darüber hinaus hilft die Automatisierung, Verbräuche zu optimieren und Energie in Gebäuden intelligent zu nutzen, z. B. für Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung etc.
Automatisierung muss durch Standardisierung unterstützt werden: Alle Maschinen einer Produktionslinie in einem Leitsystem zu integrieren, stellt einen enormen Aufwand dar, gerade wenn sie von verschiedenen Herstellern stammen. Probleme bereiten insbesondere divergente Kommunikationsprotokolle und herstellerspezifische Implementierungen der Maschinensteuerung. Standardisierte Schnittstellen und Datenmodelle vereinfachen und beschleunigen die Integration deutlich und ebnen so den Weg zur effizienten Dekarbonisierung.
Die Unsicherheit über technologische und regulatorische Entwicklungen in den kommenden Jahren macht es Unternehmen nicht einfach, Investitions- und Richtungsentscheidungen für den Einstieg in die Dekarbonisierung zu treffen. Dies betrifft insbesondere auch die Softwaretechnologie, welche die Grundlage für Digitalisierung und Prozessautomatisierung schafft.
Spezialisierte Systeme, die sich auf eine Disziplin fokussieren, dabei aber keinen Datenaustausch zulassen, machen es Anwendern unnötig schwer, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und das Potenzial der Anlagen voll auszuschöpfen.
Wichtige Kriterien für die nötige technologische Zukunftsoffenheit und Flexibilität sind deshalb Systemoffenheit, Interoperabilität, Modularität und Interdisziplinarität.
Diese Eigenschaften ermöglichen den flexiblen Einsatz und die einfache Integration von Softwaresystemen in bestehende heterogene Systemlandschaften.
Mit MTP prozesstechnische Anlagen sukzessive modernisieren
Zukunftsoffene IT-Plattformen unterstützen die sukzessive Modernisierung, Digitalisierung und Vernetzung von Systemen und Anlagen und eine dem Unternehmen und seiner Belegschaft entsprechende Vorgehensweise. Auch der herstellerübergreifende Standard Module Type Package (MTP) kann mittels Modularisierung zu einer Modernisierung hin zu einer kohlenstoffärmeren Produktion beitragen. Zudem bringt eine Einführung von MTP weitere Vorteile für die Prozessindustrie.
In einer Welt, in der die Nachfrage nach individuellen Lösungen und Kleinserien steigt, ist der Bedarf an flexiblen und effizienten Prozessen wichtiger denn je. Gerade die pharmazeutische Industrie und Prozessfertigung stehen vor der Herausforderung, sich auf kürzere Produkt- und Innovationszyklen einzustellen.
Die modulare Produktion zerlegt den Produktionsprozess in kleinere, überschaubare Teile. MTP ermöglicht der Prozessindustrie eine erhöhte Flexibilität und Effizienz durch vorqualifizierte und wiederverwendbare Prozessmodule. Grundvoraussetzung für die durchgängige Modularisierung in der Produktion ist eine konsistente Beschreibung der Informationen der einzelnen Module. Welche Datenobjekte werden erfasst? Welche Dienste sollen ausgeführt werden? Die Beschreibung erfolgt einheitlich über den branchen- und herstellerübergreifenden Standard MTP.
Unternehmen, die MTP frühzeitig einsetzen, haben die Möglichkeit, einen klaren Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Durch effizientere Produktionsprozesse werden der Energie- und Ressourcenverbrauch optimiert und dadurch die Produktionskosten gesenkt. Gleichzeitig führt dies zu einer positiveren Energie- und Umweltbilanz.
Autor: Frank Hägele, Sales Director und Prokurist, Copa-Data Deutschland, Ottobrunn
„Digitalisierung ist das zentrale Werkzeug, um Energieflüsse und -verbräuche, Emissionen, Abwasser und Qualität exakt auszuwerten und damit Produktionsabläufe besser zu verstehen und zu optimieren.“