Einblick in die Prozesse der Farbzerstörung
Kultur-unabhängige Identifikation bakterieller Gemeinschaften
Wässrige Produkte wie z.B. Dispersionsfarben, einige Putze und Lacke bestehen zum Teil aus organischen Komponenten, die von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Hefen als Nahrungsquelle genutzt werden können. Sie sind daher anfällig für mikrobiellen Befall und benötigen einen optimalen Schutz vor Biokorrosion. Der Einsatz von Mikrobiziden ist hierbei oftmals der einzige Weg, dem Kunden ein langfristig stabiles und nutzbares Produkt zur Verfügung zu stellen.
Betrachtet man eine Wandfarbe, die der Kunde für seine Immobilie verwendet, so verhindert Konservierung einerseits das Wachstum gesundheitsschädlicher Organismen, wie z.B. Schimmelpilze. Andererseits bleibt die Immobilie dadurch länger ansehnlich, wodurch kostenaufwendige Renovierungen seltener durchgeführt werden müssen. Neben der Vermeidung gesundheitlicher Gefahren leistet eine adäquate Konservierung daher einen substanziellen Beitrag zum Erhalt einer Beschichtung, wodurch die natürlichen Ressourcen geschont bleiben. Somit zeigt sich, dass Nachhaltigkeit und ökonomisches Interesse nicht im Gegensatz zueinander stehen müssen, sondern sich gegenseitig ergänzen können.
Identifizierung von Mikroorganismen
Die Wahl des richtigen Mikrobizids orientiert sich dabei an der Art der zerstörenden Mikroorganismen im Produkt. Meist handelt es sich dabei nicht um eine einzige Gattung an Bakterien, Pilzen oder Hefen, sondern um komplexe mikrobielle Gemeinschaften, die für den Abbau von Dispersionsfarben verantwortlich sind.
Um die Bandbreite der zerstörenden Mikroorganismen effektiv kontrollieren zu können, muss die Zusammensetzung dieser Gemeinschaften bekannt sein. Bisher wurden dazu konventionelle Identifizierungsmethoden angewandt, die eine Kultivierung des befallenen Produktes notwendig machen. Es gibt zwei generelle Methoden, die eine Identifizierung von Mikroorganismen erlauben:
Die erste Methode charakterisiert Bakterien phänotypisch. Dabei wird die gewachsene Kolonie auf z.B. Größe, Form und Farbe hin untersucht. An diese Untersuchung schließen sich meist noch biochemische Methoden wie Gram-Färbung und Oxidase-Reaktion an, die eine genauere Eingrenzung der Art und Gattung zulassen.
Eine weitere Methode wurde erst vor einiger Zeit im Routineablauf etabliert. Hierbei findet die Charakterisierung auf genetischer Ebene statt. Grundlage dieser Charakterisierung sind evolutionäre Veränderungen. Im Laufe der Entwicklung haben sich aufgrund von veränderten Umweltbedingungen verschiedene Bakterienarten aus einigen Vorläufern gebildet. Diese Anpassungen fanden auf Ebene der DNA in ihren informationstragenden Regionen, dem Genom, statt. Eine molekularbiologische Identifizierung basiert auf diesen Unterschieden im genetischen Kode. Ein Bereich der DNA, der in der Praxis dafür genutzt wird, ist z.B. das sog. 16S rRNA-Gen. Die Sequenz eines Abschnitts aus diesem Gen kann genau einer bestimmten Bakterienart zugeordnet werden.
Bei der zuvor genannten Methode müssen die Bakterien jedoch zu ihrer Charakterisierung in den Produkten kultiviert, sowie die gewachsenen Kolonien isoliert werden. Von jeder Kolonie wird genomische DNA isoliert und der 16S rRNA-Genabschnitt mittels Polymerase Kettenreaktion (PCR) vervielfältigt. Durch Sequenzierung des Genabschnitts und eines Datenbankabgleichs mit veröffentlichen Sequenzen können die einzelnen Organismen über Familie und Gattung bis hin zur Art identifiziert werden.
Der Nachteil der hier beschriebenen Methoden ist, dass sie einen Kultivierungsschritt benötigen. Bei dieser Kultivierung kann es aber aufgrund der Auswahl der Versuchsparameter, wie Nährstoffangebot, Temperatur und Sauerstoffangebot, zu einer Präselektion von bestimmten Mikroorganismen kommen. Organismen, die bei den gewählten Kulturbedingungen nicht in der Lage sind, sich zu vermehren, können mit oben beschriebenen Methoden nicht identifiziert werden.
Mit einer Kultur-unabhängigen Methode könnte dieses Problem beseitigt werden. Daher wurde eine solche Methode entwickelt, die auf Basis der DNA die Identifizierung von Bakterien direkt aus einem verkeimten Produkt, z.B. einer Dispersionsfarbe, zulässt.
Kultur-unabhängige Identifizierung
Diese neu entwickelte Methode basiert auf der sequenzabhängigen Trennung von Genabschnitten gleicher Größe mittels denaturierender Gradientengelelektrophorese (DGGE). Hierbei wird direkt aus dem Produkt DNA von allen enthaltenen Bakterien isoliert, von der man dann den 16S rRNA-Genabschnitt vervielfältigt. Liegt eine Verkeimung durch eine bakterielle Gemeinschaft vor, so erhält man eine Mischung an 16S rRNA-Genabschnitten gleicher Größe, die sich lediglich in ihrer Sequenz voneinander unterscheiden. Diese Mischung wird dann sequenzabhängig durch DGGE aufgetrennt.
Diese Auftrennung wird dadurch ermöglicht, dass Genabschnitte mit verschiedenen DNA-Sequenzen unterschiedliche Schmelztemperaturen aufweisen, d.h. die Art und Häufigkeit der Bausteine einer DNA-Sequenz bestimmen die Temperatur, bei der sich die DNA-Doppelstränge voneinander trennen. Diese Eigenschaft macht man sich bei der Elektrophorese zu Nutze, da ein aufgetrennter DNA-Strang im Gel eine geringere Mobilität besitzt als ein Doppelstrang. Daher kann man ein Gemisch von 16S rRNA-Genabschnitten durch diese Methodik separieren.
Die nun voneinander getrennten Fragmente werden sequenziert und mit bekannten DNA-Abschnitten einer Datenbank abgeglichen. Man erhält im Idealfall nach dieser Methode eine bestimmte Anzahl an Identifikationsergebnissen, die die Anzahl an kontaminierenden Bakterienstämmen im Produkt widerspiegeln.
DNA-Isolation aus Dispersionsfarbe
Um diese Methode in der Praxis anwenden zu können, ist es nötig, Bakterien-DNA aus Dispersionsfarben zu isolieren, sowie die Genfragmente in der DGGE optimal voneinander zu trennen. Dies wurde in einem Testsystem mit drei Bakterienstämmen, Escherischia coli, Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus in gleicher Keimkonzentration in drei verschiedenen Farbsystemen erprobt. Es wurden typische Außendispersionsfarben auf Basis von Reinacrylat-, Styrolacrylat- und Polyvinylacetat-Bindemitteln verwendet.
Nach Anwendung der neuen Methode konnten aus einer Bakterienmischung wie erwartet alle eingesetzten Keime mit hoher Übereinstimmung wiedergefunden werden. Aus einer kontaminierten Dispersionsfarbe heraus war überraschenderweise nur die Spezies Pseudomonas aeruginosa prominent vertreten.
Methodenvergleich
Ein Methodenvergleich zeigt, dass Kultivierung eine unterschiedliche Anzahl an Identifizierungsergebnissen hervorbringt (s. Tab. 1), wobei die Kultur-unabhängige DGGE-Methode eine etwas genauere Identifizierung hinsichtlich der gefundenen Pseudomonas Spezies zuließ. Die Tatsache, dass direkt aus einem Beschichtungsprodukt heraus im Verhältnis weniger Bakterienspezies gefunden wurden als aus einer artifiziellen Bakterienmischung, könnte ein Hinweis darauf sein, dass nicht alle vorliegenden Bakterienstämme gleichermaßen an der Produktzerstörung beteiligt sind. Die Auftrennung mittels DGGE korreliert in gewissem Maße mit der Konzentration an Bakterien DNA in der Farbe. Insofern kann die DGGE als semiquantitative Methodik angesehen werden. Somit könnte es sich bei den mittels DGGE detektierten Bakterien um die dominierenden Spezies im Beschichtungsprodukt handeln, welche maßgeblich für die Produktzerstörung verantwortlich sind. Bei einer konventionellen Kultivierung werden auch solche Bakterien in ihrem Wachstum unterstützt, die möglicherweise unbedeutend für die Farbzerstörung sind. Damit würde man gewissermaßen das Vorliegen solcher Bakterienstämme deutlich überbewerten.
Nachhaltiger Produktschutz
Die Ergebnisse zeigen, dass es grundsätzlich möglich ist, eine bakterielle Gemeinschaft Kultur-unabhängig mittels DGGE zu identifizieren. Im Hinblick auf kontaminierte Produkte wie z.B. Dispersionsfarben werden zurzeit noch weniger Stämme identifiziert als mit der konventionellen Methode. Es erscheint aber möglich, dass eine Optimierung der DGGE-Methode diese Lücke schließt, so dass dadurch neue Einblick in die Prozesse der Farbzerstörung im Gebinde gewonnen werden, welche es dem Anwender erlauben, seine Produkte nach dem Motto: „Soviel wie nötig, so wenig wie möglich" im Sinne der Nachhaltigkeit effektiv zu schützen.