Doppelt gespart mit Energiemanagementsystemen
Wie Unternehmen von den Ausnahmeregelungen für energieintensive Industrien profitieren
In der laufenden politischen Debatte über die Verteilung der Kosten für die Energiewende stehen die Ausnahmeregelungen des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) und des Stromsteuergesetzes (StromStG) für energieintensive Industrien oft im Mittelpunkt der Kritik. Dass diese Ausnahmenregeln kein Selbstläufer für die begünstigten Unternehmen, sondern mit umfangreichen Auflagen verbunden sind und nur unter bestimmten Bedingungen gewährt werden, wird dabei oft übersehen. Dabei ist besonders auf die Übergangsregelung im Stromsteuergesetz hinzuweisen, die nur noch für die Antragsjahre 2013 und 2014 gilt, so dass die Unternehmen sich bereits jetzt Gedanken über die Einführung und Auditierung eines Energiemanagementsystems für das Antragsjahr 2015 machen müssen, das ab dann verbindlich vorgeschrieben ist.
Hier aktiv zu werden lohnt sich, denn die Energiekosten sind einer der größten Kostenblöcke des produzierenden Gewerbes. Je nach Industrie umfasst dieser bis zu 40% der Gesamtbetriebskosten. Ein mittelständischer Industriebetrieb mit einem Stromverbrauch von 400 MWh pro Jahr wird 2013 voraussichtlich 14,9 ct/kWh für den bezogenen Strom zahlen. Dies summiert sich zu einer Stromrechnung von 59.600 €. In diesem Betrag sind 21.108 € für die EEG-Umlage und 6.148 € für die bereits reduzierte Stromsteuer nach §9b StromStG enthalten.
Sparen mit Energiemanagementsystemen
Dabei gibt es eine ganze Reihe von Hebeln, mit denen Unternehmen nachhaltige Energieeinsparungen erreichen und gleichzeitig in den Genuss der Ausnahmeregelungen sowie steuerlicher Vergünstigungen kommen können. Dazu gehört nicht zuletzt die Einführung eines Energiemanagementsystem nach ISO 50001 oder eines registrierten Umweltmanagementsystems nach EMAS, die ab 2015 vorgeschrieben sind, wenn Unternehmen den Spitzenausgleich nach dem Stromsteuergesetz in Anspruch nehmen wollen (s. Kasten). Kleine und mittlere Unternehmen, im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Europäischen Kommission, können abweichend davon auch alternative Systeme zur Verbesserung der Energieeffizienz betreiben, die den Anforderungen der DIN EN 16247-1 entsprechen und einen geringeren Erfüllungsaufwand mit sich bringen. Für die Antragsjahre 2013 und 2014 kommen entsprechende Übergangsregelungen zur Anwendung, wobei Unternehmen zumindest einen Nachweis einer geplanten Einführung eines solchen Managementsystems erbringen müssen.
Nach einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der deutscher Wirtschaft hängt die Gewährung und Höhe des Spitzenausgleichs ab 2015 auch davon ab, ob der Zielwert für die Reduzierung der Energieintensität entsprechend der Anlage zu §10 für das Antragsjahr erreicht wurde.
Viele Unternehmen tun sich schwer mit der effizienten Einführung eines Energiemanagementsystems nach ISO 50001 oder EMAS, denn es gilt, zunächst einige Hürden zu überwinden. Grundsätzlich sind folgende Aspekte für eine erfolgreiche Einführung und Auditierung zu beachten:
• Die Implementierung ist für die gesamte juristische Einheit erforderlich.
• Die Einführung eines methodischen Systems muss die gesamte Energiekette abdeckt - vom Energieimport über den Verbrauch und der Produktion bis hin zum Export. Hierzu müssen Energieströme gemessen, analysiert und entsprechende Verbesserungsmaßnahmen identifiziert, eingeführt und validiert werden.
• Die Einführung von Ergebnis- und präventiven Faktoren muss nachgewiesen werden durch sogenannte Key Performance Indikatoren (KPIs) wie etwa spezifische Energieverbräuche [kWh/t] oder spezifische Energiekosten [€/t].
• Die definierten KPI-Ziele sind periodisch durch das Management zu überprüfen.
• Ein dedizierter, kontinuierlicher Energieverbesserungsprozess muss etabliert werden.
Viele Unternehmen wünschen sich eine modulare Einführung nach dem Baukastensystem mit vorgefertigten Bausteinen. Hier ist mit relativ schlanken Einführungszeiten von maximal sechs Monaten zu rechnen. Das Ziel ist dabei, bestehende Strukturen und Systeme zu nutzen bzw. an die Anforderung des Energiemanagementsystems anzupassen. Bausteine, die an die Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens angepasst werden können, umfassen typischerweise:
Organisation: Häufig als „weicher Faktor" unterschätzt, bergen Organisationsstruktur und -kultur verschiedene Ansätze zur Verankerung von Energieeffizienz. Beginnend in der Formulierung als Unternehmensziel, über die Verankerung der Energieeffizienz in Köpfen und Herzen der Mitarbeiter als wichtiger Werttreiber für die Profitabilität des Unternehmens. Hier ist auch die Führungsqualität des Managements gefragt. Greifbar wird das, wenn es um die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten bis in die Stellenbeschreibung, die Definition von Kennzahlen und Zielwerten, sowie die wertmäßige Bemessung von Zielabweichungen geht. Bis zur Berücksichtigung in der Prämienstruktur der Mitarbeiter ist es dann nur noch ein kurzer Schritt. Bei großen Spielern empfiehlt es sich, den Wissenstransfer zum Energiemanagement in Erfahrungsaustauschen und Netzwerke zu fördern.
Zu- und Verkauf von Energie: Die Vertragsgestaltung und die Nutzungsprofile bieten gleich an zwei Stellen gute Ansatzpunkte: Durch Anpassung der Nutzung (bspw. die Identifikation und Eliminierung von standortübergreifend Lastspitzen) und die Anpassung von Versorgungsverträgen an das Nutzungsprofil - hier lassen sich Portfolioeffekte ausreizen.
Überwachung und -optimierung von Versorgungssystemen, Anlagen bzw. Aggregaten: Ans Eingemachte geht es bei der Festlegung, Überwachung und Optimierung von Betriebsbedingungen, Instandhaltungs- und Reinigungsfrequenzen und die Identifikation von technischen Begrenzungen. En passant stößt man hierbei häufig auf Limitierung in der Messtechnik - d.h., fehlerhafter, unzuverlässiger bzw. unzureichender Instrumentierung. Dort gilt es Abhilfe zu schaffen. Am Ende dieser intensiven Betrachtung steht häufig ein zu beurteilendes Projektportfolio zur Eliminierung von technischen Begrenzungen durch Modifikationen von bestehenden Anlagen bzw. von Neubauprojekten
Instandhaltungsroutinen und -standards: Auch die Instandhaltung birgt Potentiale: Wird Reinigung/Instandsetzung von Anlagenaggregaten unter Anwendung aktuellster Technologien einhergehend mit einer effektiven Qualitätskontrolle und einer nachträglichen Quantifizierung der Energieeffizienzverbesserung durchgeführt? Gerade die Betrachtung beispielsweise von Kondensomaten oder elektrischen Begleitheizungen aus Sicht der Instandhaltung muss strukturiert aufgenommen werden.
Betriebsvorschriften: Die Betriebsvorschriften müssen unter dem Aspekt der Energieeffizienz durchgesehen und ggf. ergänzt werden - insbesondere bei den Inbetrieb- und Außerbetriebnahme-Sequenzen, Reinigungs- und generelle Überwachungserfordernissen sowie bei der Definition der optimalen Betriebspunkte von energieeffizienzspezifischen KPIs.
Personal Aus- und Fortbildung: Die Entwicklung und Verankerung einer Kompetenzmatrix zur Energieeffizienz führt zu spezifischen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen bestimmter Mitarbeiterkategorien.
IT-basierte Lösungen: In komplexeren Umfeldern führen häufig erst IT-basierte Systeme zur notwendigen Datentransparenz und schaffen die Grundlagen für weiterführende Analysen und Datenvisualisierung. Zusätzlich können durch Überwachungseinrichtungen eine Echtzeitoptimierung vorgenommen werden.
Erfahrungswerte und Einsparpotentiale
Sieht man von den rein formellen Anforderungen an Umlage- und Steuerbefreiung ab und richtet den Blick auf die Energieeinsparpotentiale, lassen sich aufgrund erfolgreicher Referenzprojekte sehr gute Indikationen über zu erreichende Effekte geben. Die Einsparhebel sind hier:
Aufsetzen von effizienten Organisationsstrukturen mit klaren Verantwortlichkeiten
• Optimierung von bestehenden Versorgungsverträgen
• Verbesserung und Optimierung von Versorgungssystemen, Anlagen bzw. Aggregaten
• Effiziente Nutzung bzw. Konsolidierung von bestehenden IT-basierten Lösungen
Bei Nutzung o.g. Hebel hat sich gezeigt, dass sich auf diese Weise Einsparpotentiale zwischen 11% und 18% realisieren lassen, was die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens deutlich erhöht.
Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass die Auflagen des EEG in Kombination mit dem StromStG die Kraft haben, die gewünschten ordnungspolitischen Wirkungen zu entfalten. Insbesondere die Auflagen des StromStG mit der Einführung eines Energiemanagementsystems erzwingen strukturelle Veränderungen, die mittelfristig zu einer nachhaltigen Reduktion des Stromverbrauchs führen. Hier müssen Unternehmen, die bisher noch keine Aktivitäten gestartet haben, im Jahr 2014 mit dem konzeptionellen Arbeiten beginnen, da die erwähnte Übergangsfrist in 2015 ausläuft. Für Unternehmen mit Kraftwerken am Standort ist es sicherlich lohnenswert, über Beteiligungen und Pacht von Anlagen durchzurechnen, ob sie nicht zum Eigenproduzenten werden möchten.