Chemie-Mittelstand fordert bessere Innovationsbedingungen
19.11.2012 -
Chemie-Mittelstand ächzt zunehmend unter der Kostenbelastung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Aus diesem Grund fordern sie von der Bundesregierung einen vollständigen Systemwechsel zur Förderung erneuerbarer Energien. Das zweite wichtige politische Anliegen für den Chemie-Mittelstand ist die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung unabhängig von der Unternehmensgröße. Das sagten Reinhold von Eben-Worlée, Vorsitzender des VCI-Ausschusses Selbstständiger Unternehmer (ASU), und Sabine Herold, Mitglied des VCI-Präsidiums, auf der ersten Mittelstands-Pressekonferenz des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) in Frankfurt.
Vollständiger Systemwechsel beim Erneuerbare-Energien-Gesetz
Der Systemwechsel beim EEG ist laut Reinhold von Eben-Worlée nötig, da die Belastungsgrenze für mittelständische Chemieunternehmen erreicht sei. Er sagte: „Als Unternehmer beobachte ich mit großer Sorge den staatlich verursachten Anstieg bei den Strompreisen. Der offenkundige Systemfehler im Erneuerbare-Energien-Gesetz lässt die Energiewende zu einem Fass ohne Boden und zu einer Gefahr für den Chemie-Mittelstand werden." Der VCI-ASU-Vorsitzende verwies darauf, dass die Kosten für die Chemiebranche aus der EEG-Umlage im nächsten Jahr von 550 Mio. € auf 800 Mio. € steigen werden. Den größten Teil davon trage der Mittelstand, weil die meisten Chemieunternehmen nicht unter die Härtefallregelung fallen.
Reinhold von Eben-Worlée sagte: „Damit der EEG-Kostenberg nicht in den Himmel wächst, muss die Politik zügig handeln. Eine Streichung der Härtefallregelung für energieintensive Betriebe würde dem Mittelstand dabei nicht helfen." Die EEG-Kosten wären dann nur um ein Sechstel geringer. Gleichzeitig wäre der Schaden für die Gesamtwirtschaft immens, wenn energieintensive Produktion durch einen Wegfall der Härtefallregelung aus Deutschland abgezogen werden müsste. Wichtige industrielle Wertschöpfungsketten würden dann unweigerlich zerreißen.
Steuerliche Forschungsförderung ist überfällig
Sabine Herold, Mitglied des VCI-Präsidiums, forderte von der nächsten Bundesregierung die zügige Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung unabhängig von der Unternehmensgröße. Sie sagte: „Die amtierende Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag 2009 die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung angekündigt. Dass das Projekt in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt wird, ist aus Mittelstandssicht sehr zu bedauern. Eine solche Förderung setzt gerade in diesen schwierigen Zeiten zusätzliche Anreize für Wirtschaftswachstum."
Mittelständische Chemie- und Pharmaunternehmen in Deutschland gaben im vergangenen Jahr rund 880 Mio. € für Forschung und Entwicklung (F & E ) am Standort aus. Kleine und mittlere Unternehmen steuern jährlich rund 10 % zu den F & E-Aufwendungen der Chemiebranche bei. Sabine Herold sagte: „Der globale Innovationswettlauf betrifft auch den Chemie-Mittelstand. Seine Unternehmen müssen daher ihre Forschungsanstrengungen in den kommenden Jahren verstärken und ausbauen." Bislang gebe es aber für die Innovationsleistung der mittelständischen Chemieunternehmen kaum passende Förderprogramme. Insbesondere die heutige Projektförderung sei zu kompliziert und vor allem für Mittelständler zu bürokratisch und langwierig.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Unternehmensbefragung, die der VCI durchgeführt hat, um die Faktoren zu ermitteln, die aus Firmensicht die Innovationsbedingungen in Deutschland hemmen. Der wichtigste Grund für moderate F & E-Ausgaben im deutschen Chemie-Mittelstand (ohne Pharma) sind demnach Finanzierungsprobleme. 65 % der teilnehmenden Mittelständler nannten diesen Punkt, der unter anderem einen schwierigen Zugang zu Risikokapital meint. 62 % gaben an, dass die Rahmenbedingungen für Forschung in Deutschland es den mittelständischen Unternehmen schwer machen. Hier beklagen die Mittelständler vor allem das Fehlen einer steuerlichen Forschungsförderung als Anreiz, eigene F & E-Anstrengungen zu verstärken.
Chemie-Mittelstand: Unverzichtbarer Teil der Chemieindustrie
Über 90 % der Chemieunternehmen in Deutschland zählen zum Mittelstand. Insgesamt arbeiten hierzulande etwa 161.600 Menschen in kleinen und mittelständischen Chemiebetrieben. Das ist deutlich mehr als ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Chemieindustrie. Mittelständische Unternehmen tragen pro Jahr rund 30 % zum Gesamtumsatz der Chemiebranche bei und erwirtschafteten so im Jahr 2011 Erlöse in Höhe von rund 56 Mrd. €. Anders als in anderen Branchen sind die Mittelständler in der Chemie nicht die Zulieferer, sondern die Kunden der Großunternehmen. Viele kleine und mittlere Chemiefirmen haben sich mit ihren Produkten - vor allem Fein- und Spezialchemikalien - eine oder sogar mehrere Nischen erschlossen. Nicht selten zählen sie zu den globalen Marktführern auf ihrem Arbeitsgebiet. Fein- und Spezialchemikalien (Branchenumsatz 2011: 39,5 Mrd. €) sind die Domäne des Chemie-Mittelstands: Seine Unternehmen erwirtschaften rund 42 % des Gesamtumsatzes der Chemieindustrie in dieser Sparte.
Mittelstandskonjunktur: EU-Schuldenkrise macht sich bemerkbar
Im laufenden Jahr hat der Chemie-Mittelstand ebenso wie die Gesamtbranche mit einem schwierigen konjunkturellen Umfeld zu kämpfen. Die europäische Industrie als wichtigste Kundengruppe der mittelständischen Unternehmen bestellt infolge der Schuldenkrise weniger Chemieprodukte als noch vor einem Jahr. Auch im Inland zeigt die Eurokrise Spuren. Die Aufträge der deutschen Industrie aus den Nachbarländern sind im Jahresvergleich im Minus. Dadurch drosseln die Betriebe ihre Produktion und bestellen weniger Chemikalien.
Diese Verunsicherung der Kunden im In- und Ausland bekamen die kleinen und mittleren Chemieunternehmen (KMU) seit Jahresbeginn zu spüren. Sie fuhren ihre Produktion von Januar bis August daher um 3,9 % im Vergleich zum Vorjahr zurück. Die Chemikalienpreise der KMU zogen zeitgleich aufgrund steigender Rohstoffkosten um 2,6 % an. Daher konnten die Mittelständler ihren Umsatz im laufenden Jahr um 0,6 % im Vergleich zum Vorjahr steigern. Der Inlandsumsatz ging dabei um 1,6 % zurück, während der Auslandsumsatz um 3,1 % zulegen konnte.
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