Data Science als Effizienzbringer
Proof-of-Value zeigt sechsstellige Einsparungen je Standort durch smartes Energiekosten-Monitoring
Energiemärkte sind vorwärtsgerichtete Märkte, an denen über die nahe und mittlere Zukunft spekuliert wird. Der „Schock“ der Covid-19-Pandemie führte auf dem Energiemarkt im ersten Quartal zu Preisabschlägen von mehr als 30 %. Für die Industrie haben sich dadurch immense Kosteneinsparpotenziale für das Kalenderjahr 2021 ergeben, die bei strategischem Einkauf mittels frühzeitiger Preisfixierung gehoben wurden. Aktuell sind die Preise fast zurück auf Vor-Covid-Niveau. Das heißt: in einer Zeit, in der viele Unternehmen mit organisatorischen und produktionstechnischen Herausforderungen beschäftigt waren, haben diejenigen mit digitalem Energiekosten-Management für eine bessere Zukunft vorgesorgt – und sparen zudem kontinuierlich durch Automatisierung Zeit und Geld ein.
Digitales Datenmonitoring ist Grundlage für Identifikation von Kosteneinsparpotenzialen
Plötzlich schafft Deutschland, was bisher unmöglich schien, hieß es in der Welt zum Hochpunkt der ersten Welle der Covid-19-Pandemie in Deutschland. Die Redaktion meint damit die digitale Neuordnung, die für Diskussionen häufig keine Zeit lässt. Es musste gehandelt werden. Und es wurde in Bezug auf Digitalisierung (z. B. mobiles Arbeit) zumeist schnell und unbürokratisch gehandelt!
Wie lassen sich nun Digitalisierung und Energie(kostensenkung) verbinden? Durch Daten! Denn Basis für Energiebeschaffung und jede weitere Analyse sind die abrechnungsrelevanten Energiedaten, auf deren Besitz in Deutschland jeder Netznutzer durch den Abschluss des standardisierten (und kostenlosen) Netznutzungsvertrags ein Recht hat.
Die sogenannte Marktkommunikation ermöglicht anschließend die verschlüsselte Übermittelung von Energieverbräuchen (MSCONS) und digitalen Energierechnungen (INVOIC) an den Netznutzer (Abb. 1). Das Chemieunternehmen CarboTech oder die Freudenberg Gruppe nutzen beispielsweise eine webbasierte Lösung, um ihre Daten zu besitzen und Kosteneinsparpotenziale automatisiert zu identifizieren und zu heben mittels
- datengetriebenen Ausschreibungen bzw. Beschaffungsstrategien von Strom und Gas,
- Verbrauchs- und Erzeugungsprognosen,
- Anomalie- und Fehlerdetektion im Kontext von (Big) Data Analytics,
- automatisierter Rechnungsprüfung oder
- Bereitstellung von Informationen zur z.B. Senkung von Netzentgelten, Abgaben, Umlagen und Steuern.
Nutzer einer solchen Lösung konnten je Standort sechsstellige Beträge einsparen.
Data Analytics als Basis für die Beschaffung
Energielieferanten versehen den Verbraucherpreis mit diversen Risikoaufschlägen, z. B. für Abweichungen zwischen Verbrauchsprognose und realem Verbrauch. Dabei gilt: je weniger verlässlich die Datenbasis, desto höher das Risiko des Lieferanten, die richtige (viertel-)stundenscharfe Struktur einzukaufen.
Auf Basis der vollständigen und plausiblen Datenhistorie kann der zukünftige Verbrauch realitätsnaher geplant und beschafft werden. Der Risikofaktor sinkt ebenso wie der Preis, den ein Lieferant dem Endverbraucher anbietet.
Neben der Wahl des günstigsten Lieferanten (unter Berücksichtigung von Bonität, Kundenhistorie etc.) ist auch der Zeitpunkt der Energiebeschaffung wichtig.
Denn wie eingangs darstellt, unterliegen Energiepreise ähnlich wie Börsenpreise täglichen Schwankungen. Analystenmeinungen, Charttechnik oder Strategien wie Tranchen-Modelle sind probate Mittel, um zu Zeitpunkten mit niedrigen Preisen zu kaufen. So haben einige der zuvor genannten Nutzer ihre Beschaffungskosten für das Kalenderjahr 2021 aufgrund der Corona-bedingten Preiskorrekturen um rund 20 % gesenkt.
Zeit und Geld sparen durch automatisierte Rechnungsprüfung
Typischerweise erhalten Unternehmen für die beschaffte Energie Rechnungen, die als Papierbrief oder PDF manuell bearbeitet werden. Dass Rechnungen vor dem Hintergrund der Grundrechenarten korrekt sind, sollte dabei zu erwarten sein.
Ob allerdings die Faktoren Verbrauchsmenge und Preise (inkl. aller für das Unternehmen geltenden Sonderformen) korrekt angegeben sind, ist fraglich, wenn in Deutschland nach Branchenrückmeldungen zwischen 30 und 60 Prozent fehlerbehaftete Rechnungen vorliegen.
Smartes Energiekosten-Monitoring ermöglicht fünf- bis sechsstellige Einsparungen je Standort
Im Rahmen der digitalen Abrechnung konnten für die zuvor genannten Nutzer der Online-Lösung Abrechnungsdeltas bei Abgaben, Umlagen und Steuern im fünfstelligen Bereich je Standort zu Ungunsten der Industrie identifizieren und zur Klärung gebracht werden. Ohne die automatisierten Analysen wären die Rückforderungsansprüche nicht aufgefallen und begründet einforderbar gewesen. So konnten durch Digitalisierung und Automatisierung nicht nur Zeit für die Prüfung eingespart, sondern zeitgleich zuvor unbekannte Fehlerquellen berücksichtigt und geschlossen werden.
Digitalisierung ist eine greifbare Chance und keine Vision
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Digitalisierung keine Theorie sein muss. Über webbasierte Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen lassen sich das Sammeln von Daten sowie die oben genannten Analysen heute problemlos automatisieren (Abb. 2).
Digitale Lösungssysteme sind dabei unabhängig vom Ausfall (z. B. durch Krankheit) oder Weggang (z. B. durch Unternehmenswechsel) von Einzelpersonen, sie sind abgesichert und dauerhaft verfügbar. Durch Hierarchie- und Rechtemanagement können zudem sowohl Multi-Standorte als auch personalisierte Ansichten passgenau abgebildet werden.
Das Beispiel Energie zeigt, dass in Verbrauchs- und Marktdaten wertvolle Potenziale liegen, die branchenunabhängig gehoben werden können. In der Praxis wurden bei Energie- und Personalkosten fünf- bis sechsstellige Beträge eingespart bei gleichzeitigem Zugewinn an Informationen. Die spezifische Kosten-Nutzen-Analyse des möglichen Dienstleistungsspektrums ist sicher notwendig – aber Digitalisierung wird zwingend notwendig sein, um sog. „Low-hanging-fruits“ zu ernten!
Bastian Baumgart, Geschäftsführer und Christian Gerloff, Geschäftsführer, EnergyCortex GmbH, Aachen
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