CO2-neutrale Kraftstoffe – neu gedacht
Caphenia: Plasmatechnologie erzeugt Synthesegas aus Methan, Kohlenstoffdioxid und erneuerbarer Energie
Die Technologie des 2018 gegründeten Start-ups Caphenia soll genau dies ermöglichen. Mit seiner patentierten Technologie stellt das Unternehmen auf Basis von recyceltem Kohlendioxid und biogenem Gas CO2-neutrale synthetische Treibstoffe her. Diese können in bereits bestehenden Motoren und Triebwerke eingesetzt werden, ohne aufwändig umgerüstet werden zu müssen. Zudem muss keine neue Infrastruktur geschaffen werden. Mark Misselhorn, Gründer und CEO von Caphenia, erläutert die Mission des Unternehmens und wie diese realisiert werden soll.
CHEManager: Herr Misselhorn, der Gründung von Caphenia im August 2018 ging eine sechsjährige Projektphase voran. Nehmen Sie uns doch einmal mit zu den Anfängen.
Mark Misselhorn: Die Projektphase war gekennzeichnet durch viele Herausforderungen und Wendungen. Zunächst musste der passende Partner gefunden und überzeugt werden. Unsere Technologie war damals noch im Ideen-Status und unsere Ressourcen stark begrenzt. Als mit Lufthansa ein Partner gefunden war, ging es darum, die doch sehr unterschiedlichen Welten eines Start-ups erfolgreich mit denen eines Großunternehmens zu verschmelzen. Es fand ein bemerkenswerter Fortschritt insbesondere in der Technologieentwicklung statt, in dem viele renommierte Entwicklungspartner in Deutschland und Europa gewonnen werden konnten. Die Know-how-Basis wurde breiter aufgestellt, was sich in einem umfangreichen IP-Portfolio manifestiert.
Stand das Projekt nach dem Ausstieg der Lufthansa 2017 vor dem Aus?
M. Misselhorn: Selbstverständlich gefährdete der völlig überraschende Ausstieg des Entwicklungspartners Lufthansa das Gesamtprojekt. Wir hatten bis dato alle Milestones erfolgreich erreicht und standen unmittelbar vor der Entscheidung, die größte Anlage für die Produktion CO2-minimierter, synthetischer Kraftstoffe in Deutschland zu bauen. Auch im Ausland gab es von verschiedenen Parteien Interesse, sich an dem Projekt zu beteiligen. Insofern waren wir auf den Strategiewechsel des veränderten Lufthansa-Vorstands und die ausgerufene Fokussierung auf das Kerngeschäft nicht vorbereitet. Umso bemerkenswerter war es, welche Unterstützung das Thema weiterhin von dem Team erfuhr, das die Technologieentwicklung in den Jahren zuvor angetrieben hatte.
Was war ausschlaggebend, allein weiterzumachen und Investoren zu suchen?
M. Misselhorn: Innovationen in Großunternehmen voran zu treiben ist generell nicht einfach. Es benötigt ein klares Commitment und gemeinsames Verständnis für das Ziel. Der Weg dorthin ist in den seltensten Fällen linear und man muss sich an Veränderungen im Marktumfeld anpassen. Das ist viel leichter in einem agilen Start-up mit einem Team von „Überzeugungstätern“ zu erreichen. Mit dem breiten Know-how und den vielen Erfahrungen der Entwicklungsjahre war dann schnell klar, dass wir diesen Weg sehr gut allein beschreiten können – sofern ausreichend Kapital akquiriert werden kann. Und erfreulicherweise waren wir damit sehr erfolgreich.
Wie hat sich Caphenia seitdem entwickelt und was sind die nächsten Ziele?
M. Misselhorn: Wir haben von Anfang an auf breite Unterstützung durch ehemalige und aktuelle Manager der Lufthansa zählen können. Der Glaube an die Technologie war bei diesen zum Glück ungebrochen. So investierten unter anderen Kay Kratky, ehemaliger CEO von Austrian Airlines, Simone Menne, ehemalige Finanzchefin der Lufthansa, und Peter Gerber, CEO von Lufthansa Cargo in die Caphenia. Später konnten wir noch Christoph Franz, ehemaliger CEO der Lufthansa, Peter Malanik, Präsident des österreichischen Luftfahrtverbandes sowie weitere erfahrene Manager als Gesellschafter gewinnen. Insofern verfügen wir heute über einen für ein Start-up sehr außergewöhnlichen Gesellschafterkreis. In der Technologieentwicklung konnten wir nochmal weitere renommierte Partner wie das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) und das Max-Planck-Institut für Chemie gewinnen, so dass wir nun perfekt vorbereitet in die Implementierung der weltweit ersten Power-and-Biogas-to-Liquid-Anlage – kurz PBtL – am Standort Frankfurt-Höchst gehen können. Diese soll bei Gewährung einer beim Projektträger Jülich /Bundeswirtschaftsministerium beantragten Förderung in Q1/2021 beginnen.
Welche Marktchancen erwarten Sie für die Caphenia-Technologie und wer sind Ihre potenziellen Kunden?
M. Misselhorn: Aufgrund des rund 80 Prozent höheren Wirkungsgrades unserer Technologie im Vergleich zu gewöhnlichen Power-to-Liquid-Kraftstoffen, der schnelleren Skalierbarkeit der Anlagen und der breiten Rohstoffbasis sehen wir enorme Marktpotenziale. Bei den verständlichen Wünschen, schnelle Reduktionen bei den CO2-Ausstößen in der Mobilität und in der Chemie zu erzielen, muss die gesellschaftliche Tragfähigkeit berücksichtigt werden. Und genau hier punktet die Technologie, mit den voraussichtlich geringsten CO2-Vermeidungskosten skalierbarer Synthesegas- bzw. Kraftstoffproduktionsrouten. Insofern gehen wir davon aus, dass wir eine maßgebliche Rolle bei der Bereitstellung von Kraftstoffen für Luftfahrt, Schwerlastverkehr und Schifffahrt spielen werden.
Business Idea
Minimale CO2-Vermeidungskosten
Aktuell konzentrieren sich die Klimaschutzbemühungen in allen Sektoren sehr stark auf eine Dekarbonisierung mit Hilfe von erneuerbarem Strom – sei es durch Elektrifizierung oder durch die Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyse. Folglich wird der Faktor „erneuerbare Energie“ der Engpassfaktor über viele Jahrzehnte bleiben.
Caphenia verfolgt daher den Ansatz, die Feedstock-Basis für die Produktion CO2-neutraler oder CO2-minimierter Kraftstoffe zu erweitern. Dies gelingt durch zwei skalierbare Ansätze: Power-and-Biogas-to-Liquid (PBtL) und Power-and-Gas-to-Liquid (PGtL). In beiden Fällen wird Methan (Biogas/Erdgas) als primärer Energieträger, Wasserstofflieferant und Kohlenstoffquelle genutzt. Weiterer Kohlenstoff wird durch Kohlendioxid (CO2) bereitgestellt. Wasser dient als Ausgangsstoff für die Bereitstellung weiteren Wasserstoffs (H2). Die verschiedenen Prozessstufen werden in einem einzigen Zonenreaktor realisiert. Die Schlüsseltechnologie ist ein Lichtbogen-Plasmaverfahren zur Pyrolyse des Methans.
In den beiden nachfolgenden Prozessstufen wird zunächst bei hohen Temperaturen das CO2 mit dem reinen Kohlenstoff zu Kohlenmonoxid (CO) umgesetzt. Anschließend reagiert der verbleibende Kohlenstoff mit Wasserdampf zu Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Auf diese Weise kann mit einer Selektivität von 100 % Synthesegas einer flexiblen Zusammensetzung (Verhältnis CO:H2 von 1:1 bis 1:3) erzeugt werden.
- Dieser neuartige Ansatz ermöglicht es einen Wirkungsgrad von 86 % für die Synthesegasproduktion und von 72 % für die Produktion synthetischer Kraftstoffe mittels Fischer-Tropsch-Synthese zu erreichen
- den Strombedarf im Vergleich zu PtL-Kraftstoffen um den Faktor 6 zu reduzieren den Carbon Footprint von Kraftstoffen um 92 % zu senken
- die CO2-Vermeidungskosten im Chemie-, Mobilitäts-, und Wärmesektor zu minimieren.
Caphenia wird zukünftig PBtL-Anlagen – sowohl in Deutschland als auch international – selbst betreiben und darüber hinaus Lizenzen für die Nutzung der PBtL- und PGtL-Verfahren an Partner vergeben.
Elevator Pitch
CO2 in Kraftstoffe umwandeln
Basierend auf den jahrelangen Vorarbeiten von CCP Technology und Lufthansa mit diversen Partnern wie u. a. MAN Diesel & Turbo, MinesParisTech, ETH Zürich und TU München treibt Caphenia seit Mitte 2018 die Entwicklung CO2-neutraler Kraftstoffe voran. Diese Arbeiten sollen 2021 in den Bau der weltweit ersten Power-and-Biogas-to-Liquid-Anlage für Kraftstoffe münden.
Meilensteine
2018
- Gründung von Caphenia
- Übernahme aller Vorarbeiten aus dem gemeinsamen Entwicklungsprojekt mit der Lufthansa
2019
- Akquise von über 1 Mio. EUR an privatem Risikokapital
- Erweiterung des Teams und der Technologiepartnerschaften
- LCA-Analyse für PGtL-Prozess durch Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE)
- Erweiterung des IP-Schutzes
2020
- Bildung eines Konsortiums für Testanlagenbau; Einreichung eines gemeinsamen Förderantrags
- Kooperation mit Deutschem Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) und Max-Planck-Institut für Chemie
- LCA-Analyse für PBtL-Prozess durch die TU Hamburg-Harburg
- Bezug von neuem Office im House of Logistics and Mobility (HOLM) am Frankfurter Flughafen
- Sicherung des Standortes für Testanlage im Industriepark Frankfurt-Höchst
Roadmap
2020
- Abschluss der Finanzierung für PBtL-Testanlage
2021
- Standortvorbereitung Frankfurt-Höchst
- Baubeginn PBtL-Testanlage
2022
- Fertigstellung Testanlage in Frankfurt-Höchst
- Inbetriebnahme Testreaktor
2023
- Erfolgreicher Anlagenbetrieb: “Proof of Technology”
- Produktion von über 1.200 l CO2-neutraler Kraftstoffe pro Tag
2024
- Anlagenoptimierung
- Aufwärtsskalierung des Reaktors um eine Größenordnung (Kapazität: > 5 Mio. l Kraftstoff im Jahr)
- Entwicklung und Bau kommerzieller Anlagen
2025
- Beginn des Betriebs mehrerer kommerzieller Anlagen