China auf dem Weg zur Chemie-Großmacht
Chinas 13. Fünfjahresplan und Strategien für die Chemische Industrie
Chinas Regierung arbeitet derzeit am 13. Fünfjahresplan, in dem die Planung für die nationale Entwicklung für den Zeitraum von 2016 bis 2020 beschrieben wird. Zwar wird das Dokument erst im März 2016 vom Nationalen Volkskongress verabschiedet werden, aber die bis jetzt veröffentlichten Entwürfe geben schon einen guten Einblick in das zu erwartende Abschlussdokument.
Unter diesen Entwürfen findet sich auch ein spezifisch auf die petrochemische und chemische Industrie abzielendes Papier mit dem Titel "Petrochemische und Chemische Industrie Chinas – Überblick über die Entwicklungsstrategie im 13. Fünfjahresplan“. Das Dokument besteht aus fünf Sektionen mit den folgenden Oberthemen (vgl. Grafik):
- Ziele des Plans und die Ausgangssituation
- Traditionelle chemische Industrie
- Neuere, innovative Segmente der chemischen Industrie
- "One Belt, one Road“-Initiative und ihre Beziehung zu der chemischen Industrie
- Rolle der Chemieparks
Sehen wir uns den Inhalt der einzelnen Sektionen nun etwas genauer an, jeweils gefolgt von einem kurzen Kommentar.
1. Ziele des Plans und die Ausgangssituation
Die Ausgangssituation der chinesischen Chemieindustrie wird etwas düster beschrieben: "Wir sind in Bezug auf allgemeine Kompetenz und das Niveau der technologischen Innovationen immer noch weit hinter den hoch entwickelten Ländern in der Welt". Zwar hat China Stärken in den Bereichen Ölförderung, Petrochemie und der Produktion von Basischemikalien, ist aber noch schwach auf den Gebieten Spezialchemie, High-Tech-Materialien und anderen innovativen Märkten wie der Biotechnologie. Konsequenterweise besteht das Hauptziel des Plans, die Industrie auf Basis unabhängiger Innovation zu modernisieren. In kommerzieller Hinsicht wird angestrebt, eine Anzahl weltweit führender Unternehmen – nationalen Champions - mit starken eigenen Technologien und globalen Marken zu etablieren. Auf einen einfachen Slogan reduziert geht es darum, China von einem großen Land in eine Großmacht zu verwandeln („from a big country to a great power“).
Kommentar: Respekt für den Mut, ein solches Dokument mit einem Eingeständnis der Schwächen Chinas zu beginnen. Die in Folge aufgezählten Ziele stehen gut mit dem größeren nationalen Bestreben in Einklang, technologische Innovation in allen Industrien zu fördern. Ein anderes Ziel, das in letzter Zeit in Regierungsäußerungen immer wieder erwähnt wird, fehlt hier allerdings komplett – das Ziel, den Märkten eine größere Rolle zu verschaffen. In der Tat stehen die hier im Plan aufgeführten Ziele teilweise im Widerspruch zu freien Märkten, z.B. die Etablierung und Förderung von nationalen Champions.
2. Traditionelle chemische Industrie
Der Abschnitt über die traditionelle chemische Industrie beginnt mit aufmunternden Worten - er weist darauf hin, wie wichtig diese Industrie für die wirtschaftliche Entwicklung eines großen Landes ist. Aufgezeigt werden auch die Zukunfschancen für die traditionelle chemische Industrie, resultierend aus immer noch gehobenem Wirtschaftswachstum und einem sehr großen heimischen Markt. Die Kernbotschaft dieses Abschnitts ist allerdings eher gedämpft, liegt die Betonung doch in der Reduktion statt der weiteren Expansion. Angesprochen wird damit das Problem der Überkapazitäten, das über die Verschärfung von Emissions- und Energiestandards und die daraus folgende Schließung älterer Unternehmen gelöst werden soll und damit auch einen Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation in China leisten kann.
Kommentar: Zwar ist es zu begrüßen, dass die Regierung Überkapazitäten als großes Problem der lokalen chemischen Industrie erkennt. Andererseits ist diese Erkenntnis nicht wirklich neu, und politische Maßnahmen scheinen in der Vergangenheit nur wenig an der Ausweitung der Überkapazitäten geändert zu haben. Die von der Regierung in der Vergangenheit genutzten Einflussmöglichkeiten (bspw. für die Calciumcarbidproduktion) sind relativ technokratisch, z.B. Vorgaben für Minimalkapazitäten oder Energieobergrenzen.
3. Neuere, innovative Segmente der chemischen Industrie
Als Schwerpunkte für lokale Innovation werden verschiedene Segmente wie neue Materialien, Kohlechemikalien und Umweltschutz erwähnt. Neue Materialien schließt u.a. Gebiete wie Technische Kunststoffe, Organosilikone, organische Fluoromaterialien, Spezialkautschuke und Membranen für die Wasseraufbereitung ein. Der Plan erwähnt außerdem auch für die Chemieindustrie relevante Dienstleistungen in Bereichen wie Logistik, Design, Forschung, Technologie und IT.
Kommentar: Mit Ausnahme der expliziten Erwähnung von Dienstleistungen gibt es in diesem Abschnitt nur wenig Neuerungen gegenüber dem vorhergehenden Fünfjahresplan. Die genannten Bereiche sind mit Sicherheit relevant, es lässt sich aus dem vorliegenden Dokument jedoch noch nicht entnehmen, wie genau die Förderung dieser Bereiche aussehen soll. Interessant ist die Erwähnung von Dienstleistungen, da dies bis jetzt eine besondere Schwäche lokaler Unternehmen darstellte.
4. "One Belt, one Road“-Initiative und ihre Beziehung zur chemischen Industrie
Im Mittelpunkt der „One Belt“-Initiative (einer politisch stark propagierten Wiederbelebung und Erweiterung der Seidenstraße) im Hinblick auf die chemische Industrie steht die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Regionen mit Rohstoffbesitz (z.B. Russland und Zentralasien) und China als Besitzer von Technologie, Kapital und Märkten.
Kommentar: Im Rahmen dieser Initiative gab es bereits im Jahr 2015 verschiedene Vereinbarungen zwischen chinesischen Staatsunternehmen und asiatischen Staaten und Unternehmen. Für Russland und die Länder Zentralasiens ist China ein fast unvermeidbarer Partner, und China ist bestrebt, von dieser Rolle zu profitieren.
5. Rolle der Chemieparks
Für Chemieparks hat der Plan vermutlich die konkretesten Vorgaben. So sollen keine neuen Parks gebaut werden. Zukünftig sollen Chemieanlagen nur noch in den existierenden Parks gebaut werden dürfen, und der Umzug von Altanlagen in diese Parks soll beschleunigt werden.
Kommentar: Implizit enthält dieser Abschnitt Kritik an der derzeitigen, etwas unstrukturierten Standortlandschaft der chemischen Industrie. Gleichzeitig wird eine klare Präferenz für Chemieparks gegenüber anderen Chemiestandorten geäußert – Chemieunternehmen mit Anlagen außerhalb von Parks sind daher gut beraten, einen relativ baldigen Umzug einzuplanen. Der hohe Stellenwert von Chemieparks zeigt sich schon darin, dass ihnen in dem Plan ein ganzes Hauptkapitel gewidmet ist.
Fazit
Insgesamt vermittelt der 13. Fünfjahresplan für die chemische Industrie einen vernünftigen Eindruck und adressiert die wichtigsten Herausforderungen des Segments. Der Basisgedanke einer am besten durch staatliche Regulation gesteuerten Chemiewirtschaft steht allerdings in deutlichem Widerspruch zu anderen erklärten Regierungszielen wie dem, dem Markt eine größere Rolle zukommen zu lassen. Aber das ist natürlich ein grundlegender, bereits mit dem Gedanken eines Fünfjahresplans verbundener Widerspruch. In der Realität scheinen Probleme der Chemieindustrie in China eher darauf zu beruhen, dass die Politik eben nur einen geringen Einfluss auf die Wirtschaft hat. Für die chinesische Regierung ist es allerdings im Vergleich zu westlichen Politikern noch schwerer möglich, diesen geringen Einfluss einzugestehen.
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