chemPhone 2019
Konzepte zum nachhaltigen Handyrecycling der Zukunft
Beim chemPlant-Wettbewerb 2019 sollten Studierenden-Teams einen innovativen Prozess zum Recycling gebrauchter Smartphones entwickeln. 2019 nahmen 20 Teams aus 11 Hochschulen teil, das Finale wurde am 01.10.2019 im Rahmen des Thermodynamik-Kolloquiums ausgetragen. Das chemPhone, das im Rahmen des chemPlant-Wettbewerbs recycelt werden sollte, setzt sich beispielhaft aus den Stoffgruppen Metalle, Polymere und Anorganika zusammen. Es besteht u. a. aus 0,037 g Gold, 39 g Polycarbonat und 23 g Glas. Bei der Konzept- und Verfahrensentwicklung stehen Innovation und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Weitere Kriterien sind die Wirtschaftlichkeit und der Massenanteil verwerteter Komponenten bezogen auf ein Smartphone sowie die CO2-Bilanz des Prozesses. Der chemPlant-Wettbewerb 2019 stand damit ganz im Zeichen des aktuellen VDI-Fokusthemas „Zirkuläre Wertschöpfung“.
Das mehrstufige Gewinnerkonzept 2019
Das Team der Technischen Universität Kaiserslautern überzeugte mit dem mehrstufigen Konzept eines biologischen Metallrecyclings (Biotechnical Metal Recovery Process; BMR-Prozess), Das Konzept bindet Menschen mit Behinderungen für die Zerlegung der Smartphones ein und berücksichtigt damit auch soziele Aspekte. Das Verfahren ermöglicht es, über 91 % der in einem Smartphone enthaltenen Rohstoffe zu recyceln, Metalle sogar zu 98 %. Das biotechnologische Metallrecycling „Bioleaching” ist der zentrale Prozessschritt des Konzepts und könnte zu einem geschlossenen Rohstoffkreislauf führen.
Das Verfahren lässt sich in die Prozessschritte mechanische Trennung, Bioleaching, Aluminium-Aufbereitung, Edelmetall-Aufbereitung und Wolfram-Aufbereitung einteilen.
Die bereits ohne Akkumulatoren gelieferten Smartphones werden in der mechanischen Trennung für die nächsten Verfahrensschritte vorbereitet, und es erfolgt eine Abtrennung der Glas- und Polymerfraktion. Diese beiden Fraktionen stellen den größten Massenanteil des chemPhone dar. Die Geräte werden mithilfe eines Machine Vision Kamerasystems ausgerichtet und die in Form eines QR- oder Barcodes vorliegende IMEI-Nummer gescannt. Die in einer Big Data Datenbank hinterlegten IMEI-Nummer charakterisieren die Zerlegbarkeit der Smartphones. Einfach zu zerlegende, d. h. verschraubte Geräte werden in einer Förderwerkstatt (Werkstatt für behinderte Menschen) von Hand in die einzelnen Fraktionen Leiterplatten (PCBs), Metalle, verschiedene Polymere und Glas zerlegt. Die nicht von Hand demontierbaren, verklebten Smartphones sowie der Ausschuss der Förderwerkstätten werden geschreddert und mittels optischer Detektion und durch Elektrostatik in verschiedene Fraktionen getrennt. Dabei handelt es sich um (Edel-)Metalle, Glas, Kunststoff-Bestandteile und eine PCB-Fraktion mit geringem Kunststoffanteil.
Biotechnologische Aufbereitung
Die PCB- und Metall-Fraktion werden fein gemahlen und in einem biotechnologischen Aufbereitungsprozess, dem Bioleaching, weiterverarbeitet. Während des Biochleaching-Prozesses werden die Edelmetalle Gold, Silber und Kupfer mithilfe von Mikroorganismen gelöst. Dafür kommt das Bakterium Pseudomonas chlororaphis zum Einsatz, sodass im Sinne von Green Chemistry der Einsatz von Säuren und Basen reduziert werden kann. Diese Mikroorganismen scheiden Cyanide aus, die mit den Metallen wasserlösliche Cyanidkomplexe bilden. Dadurch wird zuerst Kupfer gelöst, danach zeitgleich Gold und Silber, und es resultieren zwei Lösungen, eine kupferreiche und eine gold- und silberreiche Lösung. Diese aus dem Bioleaching kommenden Edelmetall-Lösungen und der Edelmetall-Teilstrom aus Aufarbeitung 2 (siehe unten) werden mit Zink versetzt, dabei fallen Gold, Silber und Kupfer aus. Durch elektrolytische Raffinationen werden diese spezifikationsgerecht zu Reinmetallen aufgereinigt.
In der Aluminium-Aufbereitung wird der verbleibende Schlamm aus dem Bioleaching mit einer wässrigen Salzsäurelösung versetzt, wodurch sich das enthaltene Aluminiumoxid löst. Es schließt sich eine Fest-Flüssig-Trennung an, bei der das in der wässrigen, salzsauren Phase gelöste Aluminiumoxid durch hydrometallurgische und pyrometallurgische Prozesse zu hochreinem Aluminium verarbeitet wird.
Der feste Rückstand der Aluminium Aufbereitung wird der Wolfram-Aufbereitung zugeführt. Dafür wird der feste Rückstand getrocknet, pyrolysiert und hydrometallurgisch weiterverarbeitet. In der Pyrolyse werden der in der mechanischen Aufbereitung nicht abtrennbare Kunststoffanteil der PCBs sowie die im Bioleaching entstandene Biomasse verbrannt. Der aus der Pyrolyse kommende Stoffstrom wird in Salpetersäure und anschließend in Königswasser gelöst, um die im Bioleaching nicht gelösten Metalle Kupfer, Gold und Silber aufzufangen und der Aufbereitung 1 zur Reinmetallgewinnung zurückzuführen. Der verbleibende Teilstoffstrom besteht zu 99,4 Gew.-% aus Wolfram und Tantal. Eine Trennung dieser Stoffe stellt aufgrund ihrer ähnlichen chemischen Eigenschaften als Refraktärmetalle eine Herausforderung dar. Ein sogenanntes “Drip Melting-Verfahren” verdampft Tantal und gewinnt reines Wolfram.
Dieses Verfahren kann allgemein auf Elektroschrott übertragen werden. Besonders ist dabei, dass auch kleinste Bestandteile wie die Leiterplatten (PCB’s) fast vollständig recycelt werden können.
Zirkuläre Wertschöpfung – ganzheitliche Betrachtung
Mit diesem zukunftsweisenden Recycling-Ansatz sollen 25 Mio. Smartphones pro Jahr umgesetzt werden. Dies entspräche ungefähr der Anzahl an Smartphones, die in Deutschland jedes Jahr verkauft werden und somit der Anzahl an anfallenden Altgeräten. Da ein gesamtheitliches Recycling angestrebt werden sollte, wurden für alle (vorgegebenen) Komponenten des Smartphones Aufbereitungsschritte konzipiert und diese würden zu 92,2 % recycelt. Die Metalle könnten sogar zu 98,2 % umweltschonend recycelt werden. Lediglich Tantal kann nicht zurückgewonnen werden. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft könnten aus den zurückgewonnenen hochreinen Metallen und Wertstoffen erneut Smartphones und andere elektronische Geräte in gleicher Qualität hergestellt werden. Dadurch würde ein großer Schritt in Richtung Ressourcenschutz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz getätigt.
Zusätzlich setzt das Konzept auf Kooperationen mit Förderwerkstätten, wodurch die soziale Integration und Wertschätzung beeinträchtigter Menschen unterstützt würde. Der erwartete Gewinn beliefe sich auf 12,7 Mio. € pro Jahr. Die Amortisationszeit läge bei ca. 4,3 Jahren.
Der BMR-Prozess zum Recyceln von Smartphones könnte somit ein innovatives, nachhaltiges und soziales Konzept zur Umsetzung eines geschlossenen Rohstoffkreislaufes darstellen.
Der Wettbewerb
Der Studierenden-Wettbewerb chemPlant soll Studierende für die Prozessplanung und die Konzeptionierung neuer Anlagen begeistern und wurde 2019 zum zweiten Mal ausgerichtet. Die Studierenden sollen sich mit einer zukunftsorientierten Aufgabe auseinandersetzen und selbständig kreative, innovative und nachhaltige Ideen für ein praxisnahes Problem entwickeln. Die Aufgabenstellung wird jährlich durch ein Konsortium von Industrieunternehmen vorgegeben – im Jahr 2019 waren dies die Unternehmen BASF, Bayer, Clariant, Covestro, Evonik und Merck.
Im Jahr 2019 nahmen 20 Teams aus 11 Hochschulen teil, nach der Einreichung eines Grobkonzeptes wurden acht Teams ausgewählt, die neben einem detaillierten Konzeptbericht auch ein Poster erstellten, um dieses im Rahmen des Thermodynamik-Kolloquiums in Duisburg zu präsentieren. 2019 hatten sich dafür die Teams von FAU Erlangen-Nürnberg, FH Münster, KIT, RWTH Aachen, TU Dortmund, TU Kaiserslautern, Universität Paderborn und Universität Ulm qualifiziert. Die acht Poster und Konzepte wurden von einer hochrangigen Fachjury aus Vertretern der unterstützenden Unternehmen und Hochschulprofessoren bewertet. Im spannenden Finale präsentierten die drei besten Teams dieser Runde, Aachen, Dortmund und Kaiserslautern, ihre innovativen Konzepte in Form eines Science Pitch dem gesamten Auditorium des Thermodynamik-Kolloquiums. Das Endergebnis setzt sich aus der Jury-Wertung sowie dem Online-Votum des Publikums zusammen. Sowohl in der Jury-Wertung, als auch im Publikumsvoting war 2019 das Team der TU Kaiserslautern (TUK) am besten platziert. Das Team konnte also nicht nur durch einen kurzweiligen und überzeugenden Science Pitch das Publikum für sich gewinnen, sondern auch fachlich überzeugen. Das Gewinnerteam freute sich über 2.000 €. Das Team der TU Dortmund belegte den zweiten Platz dotiert mit 1.000 € und die RWTH Aachen den dritten Platz mit 500 € Preisgeld. Der Wettbewerb wurde von BASF, Bayer, Clariant, Covestro, Evonik und Merck finanziell unterstützt.
Termine chemPlant 2020
• Anmeldeschluss: 11.04.2020
• Veröffentlichung der Aufgabe: 13.04.2020
• Konzepteinreichung: 13.05.2020
• Abgabe der Ergebnisse: 13.07.2020
• Finale auf der ProcessNet-Jahrestagung in Aachen,
• Vorstellung der Ergebnisse mittels Poster und Science Pitch: 21.–24.09.2020