CHEMonitor 3/2011 - Deutsche Chemiemanager setzen auf nachhaltiges Wachstum
11.10.2011 -
91 % der deutschen Chemiemanager bewerten die Standortbedingungen in Deutschland weiterhin als „gut" oder „eher gut" (Grafik 1). Damit übertreffen die Umfragewerte vom September 2011 sogar noch den bisherigen Höchstwert vom Januar 2011 (90 %). „Die deutsche Chemieindustrie spürt noch keinen konjunkturellen Einbruch", erläutert Dr. Josef Packowski, Managing Partner von Camelot Management Consultants. „Allerdings zeichnet sich am Horizont bereits ein Ende der Rekordjagd ab." Die Prognosen der Branche für die Zukunft fallen verhaltener aus als noch zu Jahresbeginn: Mit 33 % rechnen deutlich mehr Manager als noch zu Jahresbeginn (24 %) damit, dass die Standortbedingungen in den kommenden zwölf Monaten sich verschlechtern. Dies sind die Ergebnisse des aktuellen Trendbarometers CHEMonitor vom September 2011, das neben konjunkturellen Einschätzungen der Chemiemanager einen Schwerpunkt auf das Thema Nachhaltigkeit in der Chemiebranche legte.
Befragt wurden Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Entscheider aus der Chemiebranche, etwa zwei Drittel von ihnen stammten aus kleinen und mittelständischen Unternehmen mit bis zu 500 Mio. € Jahresumsatz. Insgesamt gehören dem Panel des Trendbarometers von CHEManager und der Strategie- und Organisationsberatung Camelot Management Consultants rund 300 Top-Entscheider der deutschen Chemieindustrie an. Sie werden regelmäßig zu den Entwicklungen in der Branche befragt.
Globale Megatrends treiben Wachstum der Chemieindustrie
Befragt nach ihrer Wachstumsstrategie stieg der Anteil der Chemiemanager, die allein auf organisches Wachstum setzen um 11 % auf 72 % im Vergleich zum Januar. Der Anteil der Befragten, die auf Kostensenkungen setzen, blieb dagegen nahezu konstant bei 4 %. (Grafik 2). Um nachhaltig zu wirtschaften und dabei zu wachsen, richten immer mehr Chemieunternehmen ihre Unternehmens- und Innovationsstrategie an sogenannten Megatrends aus. Diese haben eine Halbwertszeit von mindestens 50 Jahren, sind weitgehend rückschlagsresistent und wirken in der Regel auf viele menschliche Lebensbereiche in unterschiedlichen Kulturen. Sie verändern Zivilisationsformen, Technologie, Ökonomie und Wertesysteme.
Wie schon bei vorangehenden Befragungen vom Mai 2007 und August 2009 liegen auch beim aktuellen CHEMonitor die Megatrends Energie (43 %), Umwelt- und Klimaschutz (42%) sowie Bevölkerung (40%) nah beieinander (Grafik 3). Dabei konnten alle drei Trends in ihrer Bedeutung für die Strategie der Chemieunternehmen noch einmal zulegen. Des Weiteren nahm in den vergangenen zwei Jahren die Bedeutung der Megatrends Mobilität (+15 % gg. 2009) und Wasser (+7 % gg. 2009) zu.
Ein Beispiel für ein innovatives Produkt, das gleich mehrere Megatrends bedient, ist der Superabsorber Stockosorb von Evonik. Das superabsobierende Polymer nimmt ein Vielfaches des eigenen Gewichts an Wasser auf und gibt es nach Bedarf an Pflanzen ab. Damit erhöht es u.a. die Überlebenschancen junger Arganbäume in Marokko, die die Bevölkerung im Südwesten des Landes mit Holz, Viehfutter und Öl versorgen und deren Bestand deutlich geschrumpft ist. Ende September wurde die Evonik-Entwicklung mit dem „Responsible Care Award" ausgezeichnet, dem Nachhaltigkeitspreis der Vereinigung der chemischen Industrie in Europa (CEFIC). Mit der 1984 begründeten Initiative „Responsible Care" bekennt sich die chemische Industrie weltweit zu den Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung.
Energieeffizienz im Fokus nachhaltiger Produktentwicklung
Bei der nachhaltigen Produktentwicklung legt die Chemieindustrie einen deutlichen Fokus auf den Einsatz energieeffizienter Produktionsverfahren, 63 % aller Chemieunternehmen ergreifen diese Maßnahme (Grafik 4). Bei Großkonzernen mit mehr als 1 Mrd. € Umsatz liegt der Anteil sogar bei 100 %. Ebenso messen Unternehmen dieser Größe der Analyse der CO2-Bilanz (81 % der Nennungen) eine deutlich höhere Bedeutung bei der Produktentwicklung bei als kleine Unternehmen. So arbeitet beispielsweise der Bayer-Konzern im Forschungsprojekt „Dream Production" an einem neuartigen Verfahren zur Kunststoffproduktion auf Basis von Kohlenstoffdioxid, das darauf abzielt, aus dem Treibhausgas einen nützlichen Rohstoff zu machen. Damit gehören die Leverkusener zu den Favoriten für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2011, der Anfang November in Düsseldorf verliehen wird.
Weniger im Blickpunt stehen bei einem Großteil der Unternehmen die soziologischen Auswirkungen eines Produkts und dessen Herstellverfahrens. Nur 13 % der befragten Chemieunternehmen analysieren diese in der Phase der Produktentwicklung. Dazu zählt BASF: Mit SEEBalance hat der weltweit größte Chemiekonzern seine Ökoeffizienz-Analyse zu einem sozio-ökonomische Analyseverfahren weiter entwickelt, das neben Umweltbelastung und Kosten auch die soziale Auswirkung von Produkten und Produktionsprozessen bewertet. Das Verfahren kann im Zulassungsprozess unter REACH eingesetzt werden.
Im Einklang mit den Ergebnissen der Umfrage zur nachhaltigen Produktentwicklung bewerten 59 % Effizienzkriterien, z.B. in punkto Energie, als wichtigste Messgröße für die Nachhaltigkeit eines Chemieunternehmen (Grafik 5). Erst mit einigem Abstand folgt auf Rang zwei die Mitarbeiterfluktuation, die von 40 % der Chemiemanager als Kenngröße genannt wurde. Letztere wird insbesondere bei kleineren Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern als Top-Messgröße für die Nachhaltigkeit gesehen (48 %).
Während insgesamt 44 % der befragten Unternehmen über ein Nachhaltigkeitsmanagement verfügen, das meist dem Vorstand oder der Geschäftsführung untersteht, veröffentlichen 27 % einen Nachhaltigkeitsbericht und nur noch 14 % nehmen an einem unternehmensübergreifenden Nachhaltigkeits-Ranking teil (Grafik 6 und 7). Eine detailliertere Analyse der Befragungsergebnisse zeigte hier jedoch eine starke Abhängigkeit von der Unternehmensgröße: Bei Konzernen mit mehr als 1 Mrd. € Umsatz liegen die Anteile mit 89 % (Nachhaltigkeitsmanagement), 77 % (Nachhaltigkeitsbericht) und 42 % (Nachhaltigkeits-Ranking) deutlich höher.
Nachhaltigkeit steigert Wirtschaftlichkeit
Befragt nach dem Nutzen einer nachhaltigen Unternehmensstrategie antwortete etwa die Hälfte aller Chemiemanager mit: Steigerung der eigenen Wirtschaftlichkeit, Übernahme sozialer Verantwortung und Kundenbindung (Grafik 8). Ein deutlich geringerer Anteil, nur 20 % der Umfrage-Teilnehmer, setzt dagegen eine Steigerung der Innovationskraft mit einer nachhaltigen Unternehmensstrategie in Beziehung. Zu Unrecht, meint Camelot-Chemieexperte Dr. Sven Mandewirth: „Der Nutzen einer nachhaltigen Innovationsstrategie wird dagegen oft noch unterschätzt. Denn nachhaltiges Wachstum benötigt innovative Ideen entlang der gesamten Wertschöpfungskette - von der Veränderung der Rohstoffbasis bis hin zur Rückführung der Endprodukte in die Wiederverwertung."
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