CHEMonitor 2007 - Chemiestandort Deutschland wird attraktiver
30.05.2011 -
CHEMonitor: Chemiestandort Deutschland wird attraktiver Fast jeder dritte befragte Chemieentscheider (60 %) schätzt die Standortbedingungen in Deutschland positiv ein. Dies ergab die aktuelle CHEMonitor-Befragung vom August 2007. Im Januar und Mai lag der Anteil noch bei 13 % bzw. 20 %. Damit zeichnet sich ein signifikanter Trend bei der Panel- Befragung ab, die seit Beginn dieses Jahres vierteljährlich von der Unternehmensberatung Droege & Comp. und CHEManager unter den Entscheidern der deutschen Chemieindustrie durchgeführt wird. Auch die zukünftige Entwicklung der deutschen Standortfaktoren sieht die Branche positiv: Eine breite Mehrheit von 66 % erwartet konstant gute Bedingungen; 12 % der Befragten glauben gar an Verbesserungen. Lediglich eine Minderheit von 11 % schätzt die zukünftige Entwicklung als negativ ein (Grafik 1 und 2).
Höhere Investitionen in Deutschland
Der zunehmend positive Trend bei der Einschätzung der Standortbedingungen geht einher mit einer regionalen Fokussierung geplanter Investitionen: So haben 73 % der Befragten bei der CHEMonitor-Befragung im Januar angegeben, dass sie ihre Investitionstätigkeit in Deutschland ausweiten wollen. Diese Zahl hat sich in den Folge-Niveau von 85–87 % eingependelt. Alle anderen Länder und Regionen wie China, Indien, Südamerika oder Osteuropa verzeichnen dagegen rückläufige Umfragewerte (Grafik 3). Dabei liegt die Zahl der Panelteilnehmer, die ihre Investitionen erhöhen wollen, in allen drei Befragungen konstant bei ca. 40 %. Von einem konjunkturell bedingten Investitionsrückgang in der deutschen chemischen Industrie kann demnach auf Basis der CHEMonitor- Umfragewerte nicht gesprochen werden. Im Gegenteil: Alle Zeichen stehen auf Expansion. So stieg die Zahl der Panelteilnehmer, die ihre Unternehmensstrategie auf Wachstum fokussieren, auf ein Niveau von 40 % im Vergleich zu 34 % im Januar und 36 % im Mai (Grafik 4). Organisches Wachstum ist dabei für die Mehrheit von 58 % das Mittel der Wahl, um neue Produkte und Services zu generieren. Bei der Erschließung neuer Vertriebsregionen und Kundengruppen setzen hingegen viele Chemieunternehmen auf Akquisitionen. Ein aktuelles Beispiel aus der Branche ist die back-toback Vereinbarung zwischen Akzo Nobel und Henkel (vgl. CHEManager 16/2007): Nach geplanter Akquisition von ICI durch die Niederländer wird der deutsche Chemiekonzern die Geschäftbereiche Adhesives und Electronic Materials der ICI-Tochter National Starch übernehmen. Damit erreicht Henkel vor allem eine verbesserte Penetration der asiatischen und nordamerikanischen Kernmärkte und erschließt neue global agierender Key Accounts, während Akzo Nobel seine Präsenz im Farbengeschäft in den rasch wachsenden Märkten Osteuropas und Asiens verstärkt.
Mangelhafte personelle Ressourcen und Kenntnisse der Regularien sind zentrale Compliance-Hürden
Compliance – die Einhaltung rechtlicher Vorschriften – ist das Schwerpunktthema des aktuellen Trendbarometers CHEMonitor. Dabei zeigt sich: Compliance oder Non-Compliance ist nicht in erster Linie eine Frage des Budgets, auch wenn gut ein Drittel der Befragten angibt, dass sich das Compliance-Budget im Vergleich zum Vorjahr vergrößert hat; bei 10 % der Unternehmen sind die Ausgaben sogar um bis zu 20 % gestiegen. Dagegen verfügen 27 % der Befragten über ein konstantes Budget gegenüber dem Vorjahr (Grafik 5). Interessant, dass über die Hälfte der Chemieentscheider (56 %) das aktuelle Budget für ausreichend hält, um alle erforderlichen Compliance-Maßnahmen durchzuführen. Folglich prognostiziert auch mit 40 % eine Vielzahl von Teilnehmern ein konstantes Budget in Zukunft, gefolgt von 27 %, die von einem steigenden Compliance- Aufwand ausgehen. „So positiv der normative Druck auf die Unternehmensorganisationen und die Güte ihrer Prozesse ist, Compliance-konforme Ergebnisse zu liefern, so bedenklich ist jedoch der mit der Umsetzung einhergehende rapide Anstieg der Bürokratie“, kritisiert Dr. Juan Rigall, geschäftsführender Partner bei Droege & Comp. „Bei der Umsetzung von Compliance-Regeln werden Kontrollabteilungen und Monitoring Prozesse in einem Ausmaß aufgebaut, dass man bei näherer Betrachtung auch von ineffizienter Überregulierung sprechen kann. Hier muss dringend auf mehr Effizienz und Effektivität geachtet werden.“ Befragt nach den zentralen Hürden bei der Umsetzung von Rechtsvorschriften antworten nur 4 % der Chemieentscheider mit „mangelndem Budget“. Als Hauptursache für Non-Compliance geben dagegen 35 % fehlende personelle Ressourcen, 24 % mangelhafte Kenntnisse der Regularien sowie 22 % Wettbewerbsnachteile an (Grafik 6). Um die schwerwiegenden Folgen durch Fehlverhalten aus Unwissenheit bezüglich geltendem Recht, Verhaltensregeln oder Richtlinien zu vermeiden, haben vor allem die großen deutschen Chemiekonzerne in den vergangenen Jahren übergreifende Compliance- Programme eingeführt. So implementierte z.B. die BASF bereits im Jahr 2000 ein globales Compliance-Management, mit dem Ziel, dauerhaft Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die gemeinsamen Werte und Normen zu schaffen. Zentraler Baustein des Programms ist der Verhaltenskodex, der sich ausgehend von Arbeits- und Anlagensicherheit über kartellrechtliche Vorschriften bis hin zu Insiderwissen und Geldwäsche erstreckt. Die Informationsvermittlung wird direkt über das Intranet sichergestellt; bei rechtlichen Zweifeln kann über eine Hotline eine Anwaltskanzlei konsultiert werden.
Nachholbedarf beim Compliance-Management von KMU
Insgesamt bestätigen 35 % der Befragten die Existenz global übergreifender Compliance- Initiativen in ihrem Unternehmen. Demgegenüber stehen 27 %, die über kein speziell aufgesetztes Programm verfügen. 16 % besitzen lediglich ein regionales Programm (Grafik 7). Im Rahmen einer Detailanalyse hat sich gezeigt, dass vor allem Top-Entscheider kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) über keine eigens definierten Initiativen verfügen. Hier gehören die Compliance-Themen zum Tagesgeschäft der Funktionsverantwortlichen oder unterliegen direkt der Geschäftsführung.
Reach dominierendes Compliance-Thema der Chemie
Befragt zu den Trends der kommenden Jahre, antwortet eine Mehrheit von 46 % der Panelteilnehmer, dass sie in den nächsten 5 Jahren mit zunehmenden Einfluss von Compliance- Themen auf die deutsche Chemieindustrie rechnet, ungefähr die Hälfte davon sogar mit einer starken Zunahme. Sie identifiziert als wesentliche Treiber dieser Entwicklung den zunehmenden Einfluss von Regulierungsbehörden (76 %), Kunden (49 %) und Investoren (27 %) (Grafik 8). Die im Juni 2007 in Kraft getretene Reach-Verordnung das Parade-Beispiel für steigende Compliance-Anforderungen. Die europäische Chemikaliengesetzgebung wird gegenwärtig von einer Mehrheit von 67 % der Befragten als dominierendes Compliance-Thema der Branche genannt. Mit Abstand folgen Produkthaftungsrichtlinien (27 %), die einheitliche Klassifizierung und Etikettierung von Chemikalien (GHS, 21 %) und mit 19 % das Kartellrecht (Grafik 9). Die Dominanz von Reach in der CHEMonitor-Befragung kann mit der hierarchie- und funktionsübergreifenden Beanspruchung der gesamten Unternehmensorganisation erklärt werden. Clariant beispielsweise besitzt als oberstes Organ zur Reach-Umsetzung ein Steering Committee auf Konzernleitungsebene, dem das sog. „Reach Operating Committee“ berichtet. Insgesamt haben sich Anfang 2007 bei Clariant 20 Mitarbeiter intensiv mit Reach beschäftigt, laut Prognosen werden es in ein bis zwei Jahren jedoch einige hundert Mitarbeiter sein.
Verbessertes Risikomanagement durch Compliance-Programme
Vor dem Hintergrund der steigenden Compliance-Anforderungen sieht knapp die Hälfte der 97 Befragten (46 %) ein verbessertes Risikomanagement als entscheidenden Vorteil der Implementierung eines Compliance-Programms. 36 % nannten eine Verbesserung der Wettbewerbsposition und 29 % ein höheres Ansehen im Markt (Grafik 10).