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Chemiekonjunktur – weltweites Wachstum schwächt sich ab

VCI erwartet für2016 einen Zuwachs von 3,6% für die weltweite Chemieproduktion

01.03.2016 -

Noch im Jahr 2014 schien die Chemiewelt in Ordnung. Die Weltwirtschaft wuchs beschleunigt, weil Europa sich allmählich aus der Schuldenkrise befreite. Die Schwellenländer expandierten ähnlich stark wie vor der globalen Finanzkrise und der Schiefergas-Boom belebte die amerikanische Wirtschaft. In diesem Umfeld beschleunigte sich das Wachstum der Industrieproduktion auf 3,5% und das Chemiegeschäft wuchs mit über 4% kräftig. Doch 2015 kam ein Rückschlag. Das Weltwirtschaftsgefüge zeigte zunehmend Risse. Mit 2,4% blieb die Dynamik der Weltwirtschaft deutlich unter Potenzial. Zwar kamen aus den Vereinigten Staaten und einigen europäischen Ländern wie Spanien, Großbritannien oder Deutschland positive Signale, die Dynamik in den übrigen Industrieländern blieb aber schwach. Und auch viele Schwellenländer enttäuschten. Russland und Brasilien rutschten in eine tiefe Rezession. Und die chinesische Wirtschaft entwickelte sich von der Wachstumslokomotive zum Sorgenkind der Weltwirtschaft. Die aktuellen Turbulenzen an Pekings Börsen sind Ausdruck tiefer struktureller Probleme im Reich der Mitte. In diesem Umfeld wuchs die globale Industrieproduktion 2015 nur noch um gut 2% (Grafik 1).

Die schwache Industriekonjunktur dämpfte die Nachfrage nach Chemikalien. Die globale Chemieproduktion stieg zwar trotz des schwierigen weltwirtschaftlichen Umfelds noch einmal um fast 4%, weil aber zeitgleich viele neue Produktionskapazitäten in den USA, China und dem Nahen Osten ans Netz gingen, gab es in Teilen des Chemiegeschäftes Überkapazitäten – auch in Europa. Dies erhöhte den Wettbewerbsdruck und die Erzeugerpreise der Branche gerieten unter Druck. Nur weil zeitgleich die Ölpreise und damit die Rohstoffkosten der Branche sanken, konnten die Chemieunternehmen im vergangenen Jahr noch gute Geschäfte machen.

Wachstumsabschwächung in Asien

In Asien legte die Chemieproduktion im Jahr 2015 noch einmal kräftig zu. Dieses Ergebnis verdankt die Region vor allem zwei Ländern: China und Indien. Bei genauerer Betrachtung zeigten sich aber auch hier deutliche Bremsspuren. In China legte die Chemieproduktion „nur“ noch um 9,5% zu. Das chinesische Chemiewachstum blieb damit erstmals seit mehr als 20 Jahren im einstelligen Bereich. Zum Vergleich: Das Wachstum lag 2006 noch bei über 20%. Die Wachstumsraten schrumpfen nicht nur im Chemiegeschäft. Der jahrzehntelange Boom der chinesischen Wirtschaft verliert deutlich an Dynamik.

Auf dem indischen Subkontinent betrug das Branchenplus im vergangenen Jahr immerhin 5%. Ein Blick auf den Verlauf der indischen Chemieproduktion (Grafik 2) zeigt jedoch, dass dieses Wachstum dem schwachen Vorjahr geschuldet war. Im Vergleich zu 2013 konnte Indiens Chemieproduktion im vergangenen Jahr kaum ausgeweitet werden. Auch im Jahresverlauf 2015 blieb Indiens Chemie ohne Dynamik. Enttäuschend verlief das Chemiegeschäft auch in den asiatischen Industrieländern. Südkorea und Japan weiteten 2015 die Produktion lediglich um 1% aus.

Amerika: Brasiliens Chemieproduktion bricht ein

In den Vereinigten Staaten blieb das Chemiegeschäft lange Zeit trotz Schiefergas-Hype schwierig. Seit Mitte des Jahres 2014 ging es jedoch in der US-Chemie rasant aufwärts. Für das Gesamtjahr 2015 steht ein Wachstum von 3,5% in den Büchern (Grafik 3). Der durch niedrige Energie- und Rohstoffkosten ausgelöste Investitionsboom zeigte Wirkung. Immer mehr neue Produktionsanlagen gingen in der Grundstoffchemie ans Netz. Doch gegen Jahresende gab es auch für die erfolgsverwöhnte US-Chemie Anzeichen einer konjunkturellen Abkühlung. Die Industrieproduktion des Landes wurde im vierten Quartal leicht gedrosselt und dies dämpfte die Chemienachfrage. Vor allem aber machte der starke Dollar den Produzenten zunehmend zu schaffen und die Gewinnmargen begannen zu schmelzen. Dies dämpft auch die Investitionen der Branche.

Während in Nordamerika das Chemiegeschäft noch brummte, sah es weiter südlich trostlos aus. Brasiliens Wirtschaft befindet sich in einer tiefen Rezession. Die Industrieproduktion musste deutlich gedrosselt werden. Entsprechend kräftig brach am Zuckerhut die Nachfrage nach Chemikalien ein. Die brasilianische Chemieproduktion befindet sich seit dem dritten Quartal 2014 im freien Fall (Grafik 4). Im Gesamtjahr 2015 summierte sich der Rückgang auf 6,5%. Und ein Ende der Misere ist nach wie vor nicht in Sicht, zumal die Investoren dem Land allmählich den Rücken kehren.

Europa: Nur Pharmageschäft kann zulegen

Die europäische Chemieindustrie konnte ihre Produktion seit Beginn des Jahres 2013 kontinuierlich ausweiten. Zuvor hatte die durch die Verschuldungskrise ausgelöste Rezession in Südeuropa das europäische Chemiegeschäft erfasst. Mit der gesamtwirtschaftlichen Belebung stieg auch die Industrieproduktion. Dadurch füllten sich die Auftragsbücher der Chemieunternehmen und die Branche konnte die Produktion wieder ausweiten (Grafik 5). Im Gesamtjahr 2014 stieg die Ausbringungsmenge insgesamt um 4%. Und im vergangenen Jahr konnte sie noch einmal um 3% ausgeweitet werden. Allerdings läuft es trotz dieser Zahlen in der Branche nicht rund. Die positive Entwicklung verdankt die europäische Chemie nahezu ausschließlich dem Pharmageschäft. Während die Pharmaproduktion in den vergangenen Jahren um 8,6% bzw. 5,7% ausgedehnt wurde, stagnierte die restliche Chemie: In der Basischemie musste die Produktion wegen hoher Energie- und Rohstoffkosten sogar gedrosselt werden. Demgegenüber stieg die Produktion von Spezial- und Konsumchemikalien. Aber die Dynamik war auch hier im globalen Vergleich gering.

Ausblick: Unsichere Zeiten

Für das Jahr 2016 haben sich die Wachstumsaussichten für das Chemiegeschäft weltweit eingetrübt. Die wirtschaftliche Schwächephase der Schwellenländer hält an. Die US-Wirtschaft zeigt deutliche Bremsspuren. Und auch in Japan und Europa bleibt das Wachstum niedrig. Die konjunkturellen Risiken haben wieder zugenommen. Denn die Unternehmen sind zunehmend verunsichert. Die Auswirkungen der amerikanischen Zinswende, Sorgen um das Fortbestehen der europäischen Wirtschaftsunion und vor allem Zweifel, ob es der chinesischen Regierung gelingt den Trend zu stoppen, drücken auf die Stimmung. Auf allen Kontinenten dürfte die Industrieproduktion im laufenden Jahr nur noch leicht zulegen. Das dämpft die Chemienachfrage. Zudem haben die niedrigen Ölpreise nicht nur positive Auswirkungen auf das Chemiegeschäft. Insbesondere die Volatilität der Ölpreise macht der Branche zu schaffen. Vor diesem Hintergrund geht der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mittlerweile davon aus, dass die globale Chemieproduktion 2016 nur noch um 3,6% wachsen wird.

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