Chemie-Tarifrunde: Was kommt nach der Brückenlösung?
28.09.2022 - Am 17. und 18. Oktober werden die bundesweiten Tarifverhandlungen für die 580.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Wiesbaden fortgesetzt. Die Gespräche dürften angesichts der Talfahrt der Chemiekonjunktur und der unsicheren Aussichten für die Unternehmen kaum einfacher werden.
Anlässlich der heutigen Tagung der hessischen Tarifkommission hat Hessenchemie-Hauptgeschäftsführer Dirk Meyer verdeutlicht, dass die Chemiebranche vor der Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen, die Anfang April mit einer Brückenlösung beendet wurden, unter einem immensen wirtschaftlichen Druck steht.
Durch den Energiepreisschock ist die Produktion in der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Hessen alleine in den letzten vier Monaten um über 8% zurückgegangen und die Geschäftserwartungen befinden sich auf einer rasanten Talfahrt. „Die wirtschaftliche Perspektive hat sich im Jahresverlauf deutlich verschlechtert. Daher ist jetzt eine Tarifpolitik gefragt, die die Unternehmen und ihre Beschäftigten durch die Krise trägt“, betont Meyer. Im April hatten die Chemie-Sozialpartner nach zwei Verhandlungsrunden auf Bundesebene eine Einmalzahlung in Höhe von 1.400 EUR als Brückenlösung vereinbart und sich auf den Herbst vertagt. Die Verhandlungen werden nun am 17. und 18. Oktober in Wiesbaden fortgesetzt.
Hohe Energie- und Rohstoffkosten, Probleme in der Logistik und fehlende Vorprodukte behindern die Produktion und belasten die Ertragslage. „Die IGBCE fordert nach wie vor eine nachhaltige Steigerung der Kaufkraft und argumentiert damit im Grunde wie vor Beginn des Krieges in der Ukraine. Das wird der aktuellen Lage jedoch nicht gerecht und ist fernab der wirtschaftlichen Realität in den allermeisten Unternehmen“, erklärt Meyer.
„Wir haben Verständnis für die Situation der Beschäftigten, aber auch die Betriebe sind von der Inflation massiv betroffen. Die Arbeitgeber können die Kostenlawine durch steigende Strom- und Gaspreise weder stoppen noch die Ausgaben der Beschäftigten ausgleichen“, so der Hauptgeschäftsführer.
Laut einer aktuellen Verbandsumfrage gelingt es 84% der hessischen Mitgliedsunternehmen nicht oder in nicht ausreichendem Maße, die gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte am Markt weiterzugeben. Zudem erwarten 44% der Unternehmen einen weiteren massiven Anstieg der Energiekosten für das Jahr 2023 von zusätzlichen 50 bis 150%, weil viele Altverträge erst in den kommenden Wintermonaten auslaufen. „Als Konsequenz dieser Kostensteigerungen droht die weitere Drosselung der Produktion, weil sich der Verkauf der Produkte nicht mehr rentiert oder die Kunden nicht mehr bestellen“, warnt Meyer.
Gefragt nach ihren Erwartungen für die nächsten Monate rechnen über zwei Drittel der Unternehmen der hessischen Chemie-Industrie mit einer weiteren Verschlechterung ihrer Gesamtsituation. „Es droht der direkte Weg in die Rezession! Unsere Branche steht unter einem immensen wirtschaftlichen Druck, daher sind dauerhafte Lohnzuwächse in der Krise nicht finanzierbar“, so Meyer.