Chemie in Baden-Württemberg zieht Bilanz
Robuste Entwicklung wird sich fortsetzen / Branche profitiert im Land von Pharma
Die Umsätze der chemischen und pharmazeutischen Industrie in Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr gegen den allgemeinen Trend um 3,4% auf 22,1 Mrd. EUR gestiegen. Für das laufende Jahr erwarten die Unternehmen weiter leichtes Wachstum, teilten die Verbände der Branche, Chemie.BW, heute in Baden-Baden mit. In einer Online-Konferenz erläuterte Ralf Müller, Geschäftsführer bei Chemie.BW, dass der hohe Pharmaanteil im Land ausschlaggebend für die robuste Entwicklung der Schlüsselindustrie sei. Er wies allerdings auf Standortschwächen in Deutschland hin: Insbesondere die zunehmende Bürokratie mache den vorwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen extrem zu schaffen.
Umsatzentwicklung und Teilbranchen
Die 22,1 Mrd. EUR Chemie-Umsatz teilen sich in 13,3 Mrd. EUR Auslandsgeschäft (plus 0,9% gegenüber dem Vorjahr, Anteil am Gesamtumsatz 60%) und 8,8 Mrd. EUR (plus 7,3%). Die Beschäftigung blieb mit einem Rückgang von 0,5% nahezu konstant.
Die Verbände führen die gute konjunkturelle Entwicklung im Wesentlichen auf die Entwicklung der Pharmaunternehmen im Land (37% Umsatzanteil) zurück. Hier seien Sondereffekte wie Bevorratung und vermehrter Direktabsatz über die Apotheken ausschlaggebend. Hinzu kämen natürlich auch die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen bei Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika für die Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Die zweitgrößte Teilbranche, Farben und Lacke (12% Umsatzanteil), musste 2020 insbesondere in den Bereichen Druckfarben und Industrielacke für den Fahrzeugbau mit deutlichen Einbrüchen fertig werden. Weitere Bereiche wie zum Beispiel Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel konnten das Vorkrisenniveau halten.
Unternehmensumfrage für 2021
In einer repräsentativen Unternehmensumfrage zeigen sich die Unternehmen über alle Teilbranchen hinweg vorsichtig optimistisch. Die Erwartungen liegen hier mehr auf dem – insbesondere EURpäischen – Auslandsgeschäft. Die negativen Folgen der Corona-Krise hoffen die meisten Unternehmen bis spätestens 2022 überwunden zu haben. Allerdings sind die kleineren Unternehmen skeptischer als die großen mit mehr als 500 Beschäftigten.
Prognose 2021
Für die Gesamtbranche gehen die Verbände von einem Produktionswachstum von 1 bis 2% aus. Die Prognose für die Umsätze beträgt 2 bis 3% Wachstum. Die erwartete Entwicklung bei Beschäftigung und Ausbildung spiegelt die stabile Branchenkonjunktur wider.
Standortschwächen und Strukturprobleme
Das gute Jahresergebnis 2020 dürfe, betonte Müller, nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die gesamte Branche in einem Umbruch befinde. Als Beispiel nannte er die Veränderungen in den Abnehmerbranchen Automobilindustrie und Druckerzeugnisse sowie die Folgen der Energiewende. Hier stehe die Chemie vor einem grundlegenden Umbau.
Außerdem zeige der Industriestandort Deutschland immer deutlicher Wettbewerbsnachteile: „Da werden wir inzwischen links und rechts überholt“, so Müller. Wichtige Faktoren wie beispielsweise ein sachgerechtes Unternehmenssteuerrecht ohne Substanzbesteuerung würden nicht angegangen. Stattdessen nehme die Politik für Mittelständler kaum zu bewältigende Bürokratiemonster wie ein Recht auf Homeoffice auf die Agenda – und vernachlässige eine dringend nötige Arbeitszeitgesetz-Reform.
„Gerade in Baden-Württemberg ist die Chemie- und Pharmabranche von mittelständischen Unternehmen, oft im Familienbesitz, bestimmt. Sie sind standorttreu – aber auch ihre Schmerzgrenze ist irgendwann erreicht“, machte Müller die Erwartungshaltung der Unternehmen an die Politik deutlich.
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