Anlagenbau & Prozesstechnik

Bio-Einkaufstüten mit Zukunft: Studie über die globale Marktsituation der Biokunststoffe

05.11.2013 -

Bio-Einkaufstüten mit Zukunft: Studie über die globale Marktsituation der Biokunststoffe – „Raus aus der Nische - rein in den Massenmarkt". Mit solchen Schlagworten wirbt die Biokunststoff-Branche in diversen Fachzeitschriften und auf Kongressen.

Dies sollte Grund genug für Unternehmen aus der Kunststoffbranche sein, sich mit diesem Thema näher zu beschäftigen. Die Reifenhäuser Maschinenfabrik in Troisdorf ist eines der ersten deutschen Maschinenbau-Unternehmen, das sich mit der tatsächlichen globalen Marktsituation der Bio kunststoffe verstärkt auseinandersetzt:

Im Jahr 2007 wurde das Nova-Institut in Hürth, das seit über fünfzehn Jahren Marktforschung im Bereich Biowerkstoffe betreibt, mit einer umfangreichen Studie beauftragt.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen Biokunststoffe zumeist als einfache Einkaufstüten, die besonders von Verbraucher- und Umweltverbänden im europäischen Ausland, aber auch in Nordamerika und Asien, überall dort gefordert werden, wo noch kostenlose Beutel in großer Zahl über die Ladentheke gehen und zu einem Müllproblem werden. Aber den Biokunststoffen steht heute neben klassischen Anwendungen im medizinischen Bereich die Implantate und das Operationsmaterial, ein viel breiteres, hochwertigeres Anwendungsspektrum offen.

Dieser sehr anspruchsvolle Markt setzt sich jedoch nur aus wenigen etablierten Produkten und Akteuren zusammen. Recht erfolgreich konnten sich Biokunststoffe im Verpackungsund Hygienesektor positionieren.

Vor allem kompostierbare Bioabfallbeutel sind in Deutschland weit verbreitet und stellen im Einzelhandel bereits eine Alternative zu den herkömmlichen Beuteln dar. Große Potentiale werden auch bei Tragetaschen und Lebensmittelverpackungen gesehen, obwohl hier der Wettbewerb durch etablierte Biowerkstoffe wie Pappe und Baumwolle groß ist.

Nicht nur die aufstrebenden Bio-Supermärkte bieten alternativ und preisneutral Einkaufstüten aus Biokunststoffen an, sondern bereits auch Mode und Outdoor-Geschäfte.

Im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus können Biokunststoffe durch ihren technischen Mehrwert, vor allem ihrer Kompostierbarkeit, punkten.

Neue Einsatzgebiete mit großem Potential sieht das Institut in dauerhaften Anwendungen im Bereich der Konsumgüter-, Möbel-, Elektround Elektronikindustrie sowie im Automobilbereich. Beispiele hierfür sind Bio-Duroplaste, naturfaserverstärkte Bio-Thermoplaste, Schäume und Textilfasern.

Diese Materialien sind teilweise schon als Produkte am Markt verfügbar, werden vom Kunden aber oft nicht als solche wahrgenommen.

 


Aktuelle Mengen und Akteure - Westeuropa führend.

Die wichtigsten Märkte für Biokunststoffe liegen heute in Westeuropa. Nach der Erhebung des Nova-Instituts lag der Verbrauch an biologisch abbaubaren Biokunststoffen in Westeuropa im Jahr 2007 bei ca. 60.000 - 70.000 Tonnen, was einem Marktanteil von unter 1 % entspricht.

Die Wachstumsraten sind zweistellig und erreichen in einigen Bereichen bis zu 50 % pro Jahr. Wichtigste Biokunststoffe sind dabei Thermoplastische Stärken (TPS) bzw. Stärkeblends, extrudierte Stärke, Cellulose- Acetate und Polymilchsäure-Polymere (PLA), für die Experten die größten Wachstumschancen sehen. Alle weiteren Biokunststoffe wie Polyhydroxyalkanoate (PHA) machen zusammen weniger als 5 % aus.

Weiter wurden auch die weltweiten Produktionskapazitäten für biologisch abbaubare Biokunststoffe ermittelt. Diese lagen im Jahr 2007 bei ca. 265.000 t weltweit.

Die Marktanalyse zeigte, dass Europa mit 140.000 t Produktionskapazität vorne liegt, gefolgt von Nordamerika mit 80.000 t. In Westeuropa sind derzeit die größten realen Produktionsmengen vorhanden und die wichtigsten Hersteller ansässig.

Die weltweit verfügbare Produktionskapazität für biologisch abbaubare Biokunststoffe teilt sich auf über 100 Unternehmen auf, von denen bislang nur wenige eine relevante Menge erreicht haben. Die vier größten sind Nature Works (USA), Novamont (I) und Biotec (D) mit Sphere (F). Diese Produktionskapazität von 265.000 t genügt aber nicht, um die wachsende Nachfrage zu befriedigen.

Engpässe gibt es nicht nur bei den Biokunststoff-Produzenten sondern auch bei notwendigen Additiven aus der Chemischen Industrie. Dementsprechend schlecht ist die Verfügbarkeit von Biokunststoffen, selbst die Bemusterung kann schon zum Problem werden.

Das weitere Wachstum wird maßgeblich vom Aufbau weiterer Kapazitäten bestimmt. In den USA, Europa und Asien ist der Bau neuer Kapazitäten angekündigt und auch in Deutschland gibt es konkrete Pläne für eine PLA-Produktion.

 


Zukünftige Marktentwicklung - alle Indikatoren zeigen nach oben

Die weltweit erfolgreiche Markteinführung von Biokunststoffen konnte die Branche bis heute mit nur geringer staatliche Förderung realisieren - ganz im Gegensatz zu den Biokraftstoffen.

Geeignete Rahmenbedingungen wären allerdings hilfreich für eine zügige und großflächige Markteinführung. Die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland verändern sich jedoch nur langsam zugunsten von Biowerkstoffen.

Ein erfreuliches Beispiel ist, dass laut neuer Verpackungsverordnung Flaschen aus Biokunststoffen bis 2010 von der Pfandpflicht befreit werden sollen. In vielen Ländern der EU, USA, Australien und Asien wächst das Bewusstsein, dass Biokunststoffe vor allem im Verpackungsbereich eine sinnvolle Alternative darstellen.

Erste Maßnahmen, wie das Verbot von nicht abbaubaren Plastiktüten, wurden bereits in Frankreich bzw. Italien (ab 2010), Indien und San Francisco (ab 2008) eingeführt.

Auch Australien und China wollen den Gebrauch solcher Tüten untersagen. Biokunststoffe haben in der Öffentlichkeit und Politik ein sehr positives Image und werden besonders von der in westlichen Ländern wachsenden Gruppe der Lohas („Lifestyle of Health and Sustainability"), also Menschen, die ihre Lebensweise und ihren Konsum auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausrichten, akzeptiert und geschätzt. Erste Ökobilanzen zeigen Vorteile gegenüber Erdöl-basierten Standardkunststoffen.

Neue Studien zeigen zudem die erheblichen ökologischen Folgen von Kunststoffabfällen im Meer, die nur durch abbaubare Werkstoffe überwunden werden können.

Der Biokunststoffgesamtmarkt wird nach Expertenmeinung auch in den nächsten Jahren zweistellig wachsen und die Produktionskapazitäten werden sich bis 2011 voraussichtlich vervierfachen. Biokunststoffe werden sich aber nach heutigem Stand der Technik in absehbarer Zeit zu keiner echten Konkurrenz gegenüber Massenkunststoffen wie PE, PP oder PVC entwickeln - wohl aber zu einer ernsthaften Alternative und Ergänzung in technischen Nischen, bei kurzlebigen Artikeln und für verbrauchernahe Produkte.

Für die Reifenhäuser bedeutete das Ergebnis der Studie, dass in den nächsten Jahren das Interesse an Maschinen steigen wird, die Biokunststoffe verarbeiten können.

 


Infobox - Biokunststoffe

Bei Biounststoffen handelt es sich nicht um eine einheitliche Polymerklasse, sondern um eine große Familie unterschiedlichster Kunststoffarten.

Dabei wird der Begriff unterschiedlich verstanden: Zum einen werden unter Biokunststoffe biologisch abbaubare Kunststoffe verstanden, zum anderen Kunststoffe, die primär auf Basis von Agrarrohstoffen hergestellt werden. In den meisten Fällen überschneiden sich beide Definitionen.

Im Fokus der Betrachtung liegen meist biologisch abbaubare Kunststoffe, wobei deren Abbau je nach Rezeptur von vollständig bis schwer abbaubar reicht.

Die Rohstoffbasis besteht hauptsächlich aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stärke, Zucker und Cellulose. Bei dauerhaften Biokunststoffen kommen oft Pflanzenöle als Rohstoff zum Einsatz.

In jüngerer Zeit verfolgen einige Unternehmen die Strategie, die fossile Rohstoffbasis etablierter Standardthermoplaste durch eine erneuerbare Rohstoffbasis zu ersetzen; Beispiele hierfür sind Bio-PE und Bio-PP auf Basis von Zuckerrohr in Brasilien

 


Kontakt:
Christian Gahle

Nova Institut, Chemiepark Knapsack Hürth
Tel.: 02233/4814-48
Fax: 02233/4814-50
christian.gahle@nova-institut.de