Betriebsingenieure: Das Salz in der Suppe
Sebastian Zeck zum neuen Zertifikats-Lehrgang „Betriebsingenieur VDI“
Seit Anfang des Jahres 2016 gibt es den Zertifikats-Lehrgang „Betriebsingenieur VDI“. Über dessen Ziele äußert sich Sebastian Zeck, einer der „Gründungsväter“.
Herr Dr. Zeck, was hat Sie veranlasst, den VDI-Lehrgang für die Betriebsingenieure zu unterstützen?
Sebastian Zeck: Bei allen meinen beruflichen Stationen waren stets die Themen rund um die Planung und den Betrieb von großtechnischen Anlagen das Salz in der Suppe. Für mich ist es immer wieder faszinierend wie aus einer Fülle von Eingangsinformationen und Randbedingungen, mit Hilfe von erlerntem Fachwissen und einer Menge Betriebserfahrungen, eine funktionstüchtige Großanlage entsteht und betrieben wird. In großen Verbundstandorten wie Ludwigshafen laufen mehr als 300 Anlagen, die miteinander stofflich, energetisch und informationstechnisch gekoppelt sind. Einen ganz erheblichen Anteil daran, dass dieses beeindruckende Räderwerk reibungslos funktioniert, haben die Betriebsingenieure. Da ich aus eigener Erfahrung deren Aufgabengebiet sehr gut kenne und im Laufe meiner Berufsjahre immer mehr schätzen gelernt habe, war ich sehr gern bereit, als mich der VDI anfragte, ob ich beim Aufbau und bei der Betreuung eines Zertifikatlehrgangs mitwirken möchte.
Wie sehen Sie die aktuelle Stellung des Berufsbildes der Betriebsingenieure im industriellen Markt?
Sebastian Zeck: Viele Absolventen von Fachhochschulen und Universitäten, auch aus den Disziplinen der Prozesstechnik, kennen das Berufsbild eines Betriebsingenieurs entweder überhaupt nicht oder nur unzureichend. Dabei ist der Beruf extrem vielfältig, abwechslungsreich und herausfordernd. Nahezu alle Betriebsingenieure, die ich bisher getroffen habe, sind begeistert von ihren Aufgaben und Herausforderungen und oft klingt eine Menge Stolz über das mit, was sie alles leisten und bewegen. Dies war der Hauptgrund warum vor mehr als 10 Jahren die VDI-Initiative „Plattform für Ingenieure in der Produktion“ gegründet wurde. Hier bieten wir die Möglichkeit sich miteinander auszutauschen und für das Berufsbild zu werben. Insbesondere durch die demographische Entwicklung wird der Bedarf an qualifizierten Betriebsingenieuren in den nächsten Jahren enorm wachsen.
Was kann Ihrer Meinung nach getan werden, um qualifizierte Fachkräfte in die Unternehmen zu bringen?
Sebastian Zeck: Der klassische Weg junge Absolventen über viele Jahre als Assistenten bei einem erfahrenen Betriebsingenieurskollegen „mitlaufen“ zu lassen funktioniert aus den demographischen Gegebenheiten bereits heute nicht mehr. Entweder man wirft die Kollegen direkt „ins kalte Wasser“ oder sie erhalten beim Start bzw. berufsbegleitend die Möglichkeit notwendiges Erfahrungswissen in kompakter Form aufzunehmen und so schnell einen hohen Effektivitäts- und Effizienzlevel zu erreichen. Letzteres wird in idealer Form durch den Zertifikatlehrgang „Betriebsingenieur VDI“ erreicht. Damit sparen die Unternehmen eine Menge an eigenen Aufwendungen, die sich mittelständische und Kleinunternehmen überhaupt nicht leisten können – eine perfekte Win-win-Situation für Teilnehmer und Unternehmen.
Wie setzt sich der Lehrgang zusammen?
Sebastian Zeck: Der Lehrgang besteht aus vier Pflicht- und drei Wahlmodulen. Diese zwei- bis viertägigen Seminare werden mehrmals jährlich angeboten und bieten daher eine hohe Flexibilität. Die Teilnehmer können jederzeit einsteigen und den Besuch der Seminarmodule Ihrem Arbeitsprozess anpassen. Die Pflichtmodule beinhalten Themen zu den Grundlagen des Betriebsingenieurs, dem Asset- und Instandhaltungsmanagement, sowie dem Planungs- und Projektmanagement. Mit der Auswahl aus neun Wahlpflichtmodulen legen Sie Ihren individuellen und persönlichen Schwerpunkt, z. B. in den Bereichen Verfahrenstechnik, Rohrleitungen, Projektmanagement oder Instandhaltung. Mit Abschluss aller Module nehmen die Teilnehmer optional an einem Prüfungsvorbereitungskurs teil, um anschließend die Zertifikats-Prüfung in einem mündlichen und einem schriftlichen Teil zu durchlaufen.
An wen richtet sich der Lehrgang und welche beruflichen Vorteile haben die Absolventen?
Sebastian Zeck: Der Lehrgang richtet sich an Unternehmen aus der chemischen und verfahrenstechnischen Industrie. Teilnehmer sind unter anderem Chemie-, Maschinenbau- und Elektrotechnikingenieure sowie Verfahrenstechniker aus den Bereichen Produktion, Instandhaltung, Betrieb, Projektierung, und technischer Service. Ansprechen möchten wir technische Fach- und Führungskräfte sowie Projektleiter, die bereits Berufserfahrung im Betrieb erworben haben oder in den Betrieb von Anlagen einsteigen möchten. Zulassen zum Lehrgang können wir jeden, der einen ingenieurwissenschaftlichen Hochschulabschluss hat und über mindestens drei Jahre Berufserfahrung verfügt. Diese muss jedoch erst zum Zeitpunkt der Zertifikatsprüfung nachgewiesen werden. Nach erfolgreichem Bestehen erhält der Teilnehmer den Titel „Betriebsingenieur VDI“. Auch für Nicht-Ingenieure bieten wir die Möglichkeit unseren Zertifikatslehrgang zu absolvieren. Die einzige Voraussetzung sind dann die drei Jahre Berufserfahrung. Nicht-Ingenieure erlangen den Titel „Fachexperte Anlagenbetrieb VDI“.
Durch die Expertise und jahrelange betriebliche Tätigkeit der Referenten erhalten die Teilnehmer in kompakter Form Zugang zu eigens zugeschnittenem Erfahrungswissen, das sie nirgends an einer Hochschule bzw. Universität so vermittelt bekommen. Die intensive Vernetzung und der Austausch mit den anderen Lehrgangsteilnehmern ermöglichen auch über den Abschluss des Zertifikatlehrgangs hinaus einen perfekten Zusatznutzen. Wir haben bei der Auswahl der Referenten und Themen sowie den Inhalten Wert auf Qualität gelegt. Die erfolgreiche Absolvierung der Zertifikatprüfung stellt zudem eine hohe Hürde für die Teilnehmer dar. Soweit ich den Ausbildungsmarkt überblicke, bilden alle diese Faktoren für die Teilnehmer eine einmalige Konstellation und Gelegenheit, sich auf ein exzellentes Niveau hin zu entwickeln.
Wie lange dauert es, den Lehrgang zu absolvieren?
Sebastian Zeck: Durch die flexible Gestaltung der Seminarbesuche liegt es an jedem selbst, in welchem Zeitraum er den Lehrgang absolvieren möchte oder kann. Lässt es die Arbeit oder das Privatleben gerade nicht zu, kann der Teilnehmer ruhig ein paar Monate pausieren und die noch fehlenden Module dann absolvieren. Die Zertifikatsprüfung sollte jedoch spätestens zwei Jahre nach der Anmeldung abgelegt werden.
Praxisorientierter Erfahrungsaustausch – 7. Jahrestreffen der Betriebsingenieure
Am 25. November 2016 findet das 7. Jahrestreffen der Betriebsingenieure in Frankfurt/Main statt. Dort präsentieren sich die VDI-Regionalgruppen und diskutieren unter dem Motto „Mensch und Technik“ aktuelle Herausforderungen und typische Aufgabenstellungen mit diesen Programmpunkten:
• Management von Betreiberpflichten
• Der Mensch in der Instandhaltung
• Trends in der Automatisierung
• Betriebssicherheitsverordnung
• Kältemittel – Überblick und aktuelle Herausforderungen
• Praxislösungen für den betrieblichen Anwender
Anmeldung:
http://vdi.de/betriebsingenieure2016