Anlagenbau & Prozesstechnik

Batteriezellenhersteller CustomCells setzt auf interdisziplinäre Entwicklung

Mut zur Innovation in der Batterieproduktion

29.05.2024 - Das in Itzehoe, Tübingen und Detroit ansässige Unternehmen CustomCells setzt auf eine konsequente Innovationskultur, um im globalen Wettbewerb der Batteriezellhersteller zu bestehen. Aber wie gestaltet sich diese Kultur und welche Perspektiven sind dabei am wichtigsten? Jan Diekmann, Vice President im Bereich Innovation bei CustomCells, erläutert die Strategie des Zellherstellers im Interview.

CITplus: Herr Diekmann, warum ist Innovation der Schlüssel für die Batterieindustrie?

Jan Diekmann: Vor 10 Jahren waren die nun erreichbaren Energiedichten bei gleichzeitiger Schnelllade- und Entladefähigkeit noch gar nicht denkbar. Die Technologie wird sich in den nächsten Jahren, wie auch schon zuvor, rasant weiterentwickeln. Das sieht man beispielsweise durch die Anzahl der Patentanmeldungen – allein in Deutschland waren das im Jahr 2022 über 4.600, während es von 2013 bis 2017 jährlich etwa 2.000 Anmeldungen gab. Zum anderen ist die Klimakrise ein treibender Faktor: Die Technologien sind zwar vorhanden, aber wir müssen sie aktiv nutzen, um die Energiewende voranzutreiben. Zudem gibt es einen stetig wachsenden Marktbedarf für Batterietechnologie, etwa im Bereich Automotive, der durch Innovationen weiter angekurbelt werden kann – und so die Wirtschaft stärkt. Um die Veränderungsgeschwindigkeit nutzen zu können, braucht es Innovationen in Zell- und Prozesstechnologie.

Wie groß ist denn der Bedarf der Wirtschaft derzeit?

J. Diekmann: Der Bedarf wächst. Weltweit wurden über 6.000 Pläne für Produktionsstätten angekündigt. Etwa 3.200 Fabriken befinden sich gerade im Bau und wiederum knapp 2.200 sind schon in Betrieb. Und die sind auch notwendig: Allein in Europa könnten bis Ende des Jahrzehnts die Produktionskapazitäten auf bis zu 1,5 TWh ansteigen, wobei mit knapp 400 GWh der größte Anteil aus neuen Stätten in Deutschland stammen könnte.

Die Anzahl der Patentanmeldungen wächst aber nicht nur in Deutschland. Wie positionieren sich europäische Unternehmen im Wettbewerb?

J. Diekmann: Genau, neben Deutschland sind vor allem Länder wie China, Südkorea und Japan sehr aktiv. Das unterstreicht ebenfalls das Interesse und die Bereitschaft der Branche, in neue Technologien zu investieren. Derzeit ziehen viele bereits etablierte asiatische Zellhersteller nach Europa, zudem werden auch komplette Konzepte zur Herstellung von Batterien aus dem nicht-europäischen Raum eingekauft und umgesetzt. Das ist allerdings nicht die Art von Innovation, die es braucht, um den eigenen Footprint zu stärken und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Hiesige Unternehmen sollten nicht nur auf Bestehendes zurückgreifen, sondern ebenso neue und eigene Innovationen vorantreiben.

Wie gestaltet sich das bei CustomCells?

J. Diekmann: Wir setzen auf eine starke Innovationskultur und agieren bewusst in einem spezialisierten Marktsegment, wo wir die Lücke zwischen Forschung, Entwicklung und der Serienfertigung von High-Performance Batterietechnologie füllen. In diesem Bereich waren wir schon immer tätig, und wir wollen unsere Fähigkeiten weiter stärken. Hierbei hilft natürlich unser starkes Grundlagenwissen – CustomCells ist eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts und beschäftigt mehr als 200 Fachkräfte. Allerdings reicht es nicht, lediglich kluge Köpfe zusammenzustecken.

 

Was braucht es noch?

J. Diekmann: Der Fokus liegt darauf, Kreativität und Produktentwicklung mit Prozessen zu unterstützen. Demnach können alle Mitarbeitenden ihre Ideen jederzeit einbringen, und werden im gesamten Prozess der Ideenentwicklung und -umsetzung einbezogen. Das soll zu einer größtmöglichen Transparenz führen. Hier zählt eine sogenannte „Bottom up“-Haltung: Dabei erkennen wir die wertvolle Bedeutung von Ideen aus der Belegschaft und setzen darauf, dass Innovation aus allen Bereichen eines Unternehmens kommt.

Dafür verwenden Sie einen sogenannten Innovation Funnel – könnten Sie dieses Konzept bitte erläutern?

J. Diekmann: Ein Innovation Funnel ist das gängige Modell zum Vorgehen. Die genaue Ausgestaltung unterscheidet sich natürlich bei einzelnen Unternehmen. Der Grundgedanke ist, dass alle Ideen aus allen Quellen in verschiedenen Stufen bewertet werden, während der Reifegrad erhöht wird. Die Bewertung erfolgen dann anhand der Unternehmensstrategie, der technologischen Machbarkeit und dem kommerziellen Nutzen. Der Reifegrad entwickelt sich von ersten Konzepten entlang unseres Produktentstehungsprozesses bis zur tatsächlichen Großfertigung.
Wichtig dabei ist, dass es immer eine Leistung von Mehreren ist. So sind unsere Prozesse natürlich von einzelnen Teammitgliedern vorangetrieben worden, entwickelt wurden sie aber vom gesamten Team. Im Fussball sind die Mannschaften mit einem Teamverständnis und eingeübten Abläufen erfolgreich, so ist es auch hier.

Wie sieht dann die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens konkret aus?

J. Diekmann: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein wichtiger Schlüssel zur Förderung einer guten Innovationskultur und absolut notwendig bei Lithium-Ionen-Batterien. Wir arbeiten beispielsweise mit Experten aus verschiedenen Fachgebieten wie Elektrochemie, Materialwissenschaften, Prozesstechnik und Produktion eng zusammen: Durch den regelmäßigen Austausch von Kenntnissen und Perspektiven können Probleme und Lösungen schneller identifiziert und in Angriff genommen werden. Zu dieser Zusammenarbeit zählt auch das richtige Mindset, also eine bestimmte Haltung und Denkweise. Dazu gehört etwa eine Lernkultur, in der Mitarbeitende bereit sind, Neues auszuprobieren und dabei auch Fehler zu machen, ohne Angst vor ihnen zu haben. Aus den Ergebnissen zu lernen ist wichtig – das macht resilient und führt zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Es ist genauso wichtig, dass sich die unterschiedlichen Einheiten bei Innovationen abstimmen und diese auch gemeinsam begleiten. So müssen zukünftige Entwicklungen zum Beispiel auch mit der Kommerzialisierung und der Produktion abgestimmt sein. Damit stellen wir sicher, dass wir unsere Ressourcen möglichst zielgerichtet einsetzen.

Welche Rolle spielt dabei der neue Standort in den Vereinigten Staaten?

J. Diekmann: Michigan ist das globale Epizentrum der Mobilitätsindustrie und bekannt dafür, offen für neue Ideen zu sein. Auch in den Vereinigten Staaten wird es ein Entwicklungs- und Innovationscenter geben. Für uns spielt dabei die Nähe zu innovativen Partnern, aber auch zu unseren Kunden eine wichtige Rolle.

Hierbei kommt durch unseren ersten internationalen Standort eine weitere Perspektive auf Innovation und den Umgang damit dazu. Das alles wird spannend, und es ist wichtig, diese Perspektiven zusammenzuführen und Stärken und Schwächen zu nutzen. So birgt dieser neue Standort jedenfalls eine wichtige Perspektive und große Chance.

Wie sieht die Zukunft für die Innovationskultur bei CustomCells aus?

J. Diekmann: Innovation kommt nicht nur von innen, schließlich orientiert sie sich an den Veränderungen der Welt und des Marktes. Für uns steht fest, dass einige Bereiche in der nahen Zukunft besonders wichtig werden – hier ist nationale und internationale Zusammenarbeit mit anderen innovativen Unternehmen gefragt. Für die Batterieindustrie geht es kurzfristig unter anderem um die Realisierung der Nutzung fortschrittlicher Materialien für siliziumbasierte Anoden und deren bestmöglicher Einsatz. Aber auch um neue Prozesstechnologie, für eine effiziente Produktion. Langfristig spielen natürlich neue Zelltechnologien wie Festkörperbatterien eine Rolle. Dabei müssen sich Unternehmen auch etwas trauen, unter anderem durch die mangelnde Förderung und regulatorische Hürden. Denn in all diesen Technologien liegen enorme Chancen, die neue Wege für die Mobilität eröffnen. Innovation ist die einzige Chance, in einen etablierten und von anderen dominierten Markt erfolgreich einzudringen und sich zu behaupten. Die europäische Position darf sich nicht alleine über Produktionsmenge begründen, sondern muss ohne Angst durch innovative Stärke entstehen.

 E. Gandert © privat  Das Interview führte Dr. Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus.

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