Personal & Karriere

Fachkräfte für die Chemieindustrie

Strategien im Personal- und Wissensmanagement

04.06.2024 - Der demografische Wandel verändert auch die Altersstruktur in Unternehmen der Chemieindustrie. Es gilt, nicht nur junge Fachkräfte zu gewinnen, sondern auch Wissen und Erfahrung auf die nachfolgende Generation zu transferieren. CITplus fragt bei Jens Becker, CFO, und Magdalena Langel, Talent Acquisition Manager bei Levaco nach, wie sie diesen Herausforderungen begegnen und welche Lösungen sie zum Wissensmanagement gefunden haben

CITplus: Wie ist ihre Personalsituation derzeit mit Blick auf die verschiedenen Abteilungen und Aufgabenbereiche des Unternehmens?

Jens Becker: Wir konnten in den letzten Jahren unseren Umsatz deutlich steigern und viele qualifizierte Mitarbeiter für uns gewinnen – und das bei niedriger Fluktuation. Zurzeit haben wir keine offenen Stellen, rechnen aber in den folgenden Jahren mit weiterem Wachstum. Heute bekommen wir verhältnismäßig viele Bewerbungen bedingt durch die konjunkturelle Lage – viele Unternehmen stellen weniger Mitarbeiter ein, haben einen Einstellungsstopp oder bauen sogar teilweise massiv Mitarbeiter ab. Dies kann sich aber schnell wieder ändern, denn wir sind von einer weiteren positiven Entwicklung überzeugt. Und natürlich freut es uns zu sehen, dass wir für Bewerber attraktiv sind.

Sind bestimmte Aufgabenbereiche vom Personalmangel betroffen? Beeinträchtigt ein Personalmangel die wirtschaftlichen Entwicklungschancen des Unternehmens?

J. Becker: Wir spüren einen Personalmangel insbesondere in technischen Bereichen. Dabei gilt: Je spezieller der Bereich, desto ausgeprägter der Mangel. Wenn eine Stelle längerfristig unbesetzt bleibt, hat dies grundsätzlich diverse negative Auswirkungen auf die Entwicklungschancen, unter anderem dauern die Arbeitsprozesse länger aufgrund fehlender Workforce, Innovationsprojekte müssen verschoben werden und die Belastung für die bestehende Belegschaft ist hoch. Im Worst Case kann dies zu psychischen Erkrankungen führen oder betroffene Personen bewerben sich weg, was den Fachkräftemangel noch weiter verstärkt. Unser Vorteil ist, dass wir trotz des Personalaufbaus in den letzten Jahren einen schlanken „Overhead“ haben und die Prozesse nicht unnötig bürokratisiert sind. Wir haben schlanke Kommunikationswege, die uns helfen, Engpässe schnell zu erkennen und zu beheben.

 

J. Becker © Levaco   Jens Becker, CFO bei Levaco

„In der Produktion haben wir in den letzten Jahren viele Prozesse automatisieren können und auch in allen anderen Bereichen entwickelt sich KI rasant weiter und entlastet unser Personal. Dies gibt uns die Möglichkeit, diese freien Ressourcen für andere und höherwertige Aufgaben zu nutzen und unser Wachstum zu begleiten.“

 

Welche Maßnahmen ergreifen Sie aktuell und planen Sie in ihrem Unternehmen, um einem Fachkräftemängel entgegenzuwirken?

Magdalena Langel: Wir binden Mitarbeiter und ihr betriebsspezifisches Know-how an die Levaco, um Fluktuation zu vermeiden. Uns liegen hier unter anderem eine positive Arbeitsatmosphäre, attraktive Benefit-Strukturen sowie Personalentwicklungsmaßnahmen sehr am Herzen. Der Personalbeschaffung bemessen wir einen hohen Stellenwert bei, setzen auf Inhouse-Recruiting und entwickeln für jede offene Stelle eine passgenaue Recruiting-Strategie. Dies beinhaltet auch bei Bedarf das notwendige Geld für entsprechende Recruiting-Kanäle zu investieren – unter anderem Active-Sourcing, Anzeigen auf Jobportalen, soziale Medien etc –. Insbesondere über soziale Medien und Radioformate wollen wir noch mehr auf uns aufmerksam machen. Ein professioneller Medienauftritt hilft uns, nicht nur neue Kunden zu gewinnen, sondern auch neue Mitarbeiter. Wir führen hierzu Interviews, sind auf Messen mit Vorträgen präsent und gestalten Podcasts.

Welchen Stellenwert hat Bildung, Ausbildung, Weiterbildung in Ihrem Unternehmen?

M. Langel: Dies ist Teil unserer Unternehmensstrategie – wir bilden jedes Jahr aus, darunter Industriekaufleute, Industriemechaniker, Chemikanten, Chemielaboranten. Wir fördern unsere Mitarbeiter durch arbeitgeberfinanzierte Umschulungen und Weiterbildungen. So haben wir in unserer Produktion einige Quereinsteiger, die wir zu Chemikanten ausbilden. Auch andere Weiterbildungsmaßnahmen – zum Beispiel Techniker- oder Meisterausbildung sowie hochspezialisierte Fortbildungen – fördern wir, um Potenzialträgern Entwicklungschancen zu bieten. Das gilt natürlich nicht nur für den technischen Bereich, sondern für alle gleichermaßen. Junge, talentierte Industriekaufleute ermöglichen wir beispielsweise schon während der Ausbildung, an der Berufsfachschule ihren Betriebswirt zu machen. Dies erfordert eine breite regionale Vernetzung und die Zusammenarbeit mit qualitativ hochwertigen Bildungseinrichtungen.

 

M. Langel, © Levaco   Magdalena Langel, Talent Acquisition Manager bei Levaco

„Wir binden Mitarbeiter und ihr betriebsspezifisches Knowhow an die Levaco, um Fluktuation zu vermeiden.“

 

Welche Lösungen nutzen Sie, um Wissen und Erfahrungen sowie Änderungen zu kommunizieren, zu vermitteln und zu konservieren?

M. Langel: Wir bieten regelmäßig interne Schulungen an, in Präsenz und über ein Softwaresystem, unser Lernmanagementsystem – so geben erfahrene Mitarbeiter ihr Wissen weiter. Darüber hinaus haben wir eine Wissensplattform „Q-Wiki“, das ist ein Intranet auf Basis eines Qualitätsmanagementsystems, auf die jeder Mitarbeiter zugreifen kann und worüber wir aktuelle Informationen mitteilen. Aktuell arbeiten wir auch an einem Jubilarsclub, um das Wissen langjähriger Mitarbeiter, die das Unternehmen bereits verlassen haben, nicht gänzlich zu verlieren und generationsübergreifende Synergien zu schaffen. Die Pflege sehr guter Beziehungen auch über den Renteneintritt hinweg ist uns enorm wichtig.

Welchen Beitrag kann die Digitalisierung gegen den Fachkräftemangel leisten und welche Maßnahmen zur Digitalisierung unterstützen ihr Personal in der Bewältigung seiner Aufgaben?

J. Becker: Gewisse Arbeitsbereiche fallen durch Digitalisierung weg, da diese Tätigkeiten von Programmen und Maschinen übernommen werden. In der Produktion haben wir in den letzten Jahren viele Prozesse automatisieren können und auch in allen anderen Bereichen entwickelt sich KI rasant weiter und entlastet unser Personal. Dies gibt uns die Möglichkeit, diese freien Ressourcen für andere und höherwertige Aufgaben zu nutzen und unser Wachstum zu begleiten. Gleichzeitig entstehen aber auch neue Aufgabenbereiche, für die digitale Kompetenzen notwendig sind. Wir versuchen deswegen, die digitalen Kompetenzen unserer Mitarbeiter bestmöglich zu fördern, damit sie den neuen Anforderungen gerecht werden können.

Stellen Sie repräsentative Unterschiede in den Erwartungen und in den Ausgangs­voraussetzungen ihrer Bewerber und Arbeitnehmer verschiedener Generationen fest?

M. Langel: Natürlich hat jede Generation verschiedene Ansprüche an uns als Arbeitgeber. So ist gerade die Digitalisierungen ein großes Thema für die neue Generation, ebenso wie inhaltliche Vielfalt am Arbeitsplatz, Nachhaltigkeit, Weiterbildung und eine agile Arbeitsumgebung. Die älteren Generationen legen größeren Wert auf Absicherung – auch finanziell – und sind dabei oft hoch spezialisiert in ihrem Bereich. Tatsächlich merken wir aber immer wieder, welch hohen Stellenwert eine positive Arbeitsatmosphäre bei allen Bewerbern hat. Dies wird uns generations- und jobübergreifend oft als Hauptwechselgrund genannt.

Das Interview führte Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus.

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