Aveva ist mehr als nur 3D
Aveva bietet intelligente Engineering-Lösungen für den Anlagenbau. Interview mit Helmut Schuller
Mit dem Einsatz von Engineering-Software können Kunden die Planungszeit reduzieren und Projektkosten einsparen. Bei Großprojekten kann der Einsatz solcher Technologien in der Anlagenplanung Einsparungen in Millionenhöhe bedeuten. Und auch in der Instandhaltung und Modernisierung von bestehenden Anlagen in der Petrochemie-/Chemieindustrie lassen sich mit modernen Visualisierungstools signifikant Kosten einsparen. Aveva ist einer der führenden Anbieter von Engineering IT-Lösungen für den Anlagen- und Schiffbau. Dr. Michael Reubold sprach mit Helmut Schuller, dem Geschäftsführer von Aveva in der DACH-Region, über die aktuelle Situation und die Trends im Markt für Anlagenplanungssoftware.
CHEManager: Herr Schuller, die Chemieindustrie hat die Wirtschaftskrise hinter sich gelassen und vermeldet für das abgelaufene Geschäftsjahr Rekordumsätze. Wie hat sich die Krise bei Aveva ausgewirkt?
Helmut Schuller: Für Aveva ist die Krise im Anlagenbaugeschäft nicht so extrem gewesen, da wir hier Projektlaufzeiten haben, mit denen man eine Krise wie die letzte durchaus überstehen kann. Wenn ein Projekt ein gewisses Stadium erreicht hat, dann macht es keinen Sinn, die Planung zu stoppen. Wir sind im Engineering-Prozess von Projekten involviert. Trotz Krise ist das Engineering, das ungefähr 10 % der gesamten Investitionskosten einer Anlage ausmacht, bei den meisten Aufträgen zu Ende gebracht worden, das Projekt danach aber eventuell gestoppt worden, d.h. die Anlage wurde nicht sofort gebaut. Nach dem Ende der Krise kann man nun auf einen fertigen Planungsstand zurückgreifen, um mit dem Bau zu beginnen.
Spüren Sie eine Marktbelebung mit neuen Investitionsprojekten?
Helmut Schuller: Ja, wenngleich auch die Krise für uns nicht so spürbar gewesen ist, so sehen wir, dass das Geschäft in allen Bereichen nun wieder stärker anzieht. Die Papierindustrie hat früher begonnen als andere Branchen. Die Chemie kommt traditionell erst später, aber hier spüren wir den Aufschwung seit Anfang dieses Jahres.
Haben Ihre Kunden ihr Investitionsverhalten aufgrund der beiden letzten Jahre geändert?
Helmut Schuller: Ja, das Investitionsverhalten hat sich verändert. Im Lizenzgeschäft haben wir zwar kontinuierlich Zuwächse gehabt, jedoch haben aufgrund der unsicheren künftigen Projektauslastung während der Krise viele, insbesondere kleinere Ingenieurbüros die Lizenzen für unsere Engineering-Software nicht mehr gekauft, sondern gemietet. Das hängt mit der Auftragssicherheit und Auftragsauslastung zusammen und wird sich jetzt vermutlich wieder ändern, weil praktisch alle Betreiber ihre Anlagen ausgelastet haben und wieder investieren. Deshalb wird sich auch das Investitionsverhalten der Ingenieurbüros wieder dahingehend ändern, dass die Lizenzen eher gekauft als gemietet werden.
Verhalten sich große Unternehmen anders?
Helmut Schuller: Große Firmen wie eine BASF investieren langfristiger. Dort gibt es auch eine recht große Bandbreite von Anwendungen, nicht nur eine einzige Lösung, sondern die verschiedensten Lösungen an den unterschiedlichen Standorten. Hier ist der Trend zu erkennen, die Anzahl der Lieferanten zu reduzieren. Wir bewegen uns hier in einem Verdrängungswettbewerb. Was die 3D-Planung betrifft, hat man sich bei BASF praktisch auf Aveva festgelegt. Damit steigen natürlich auch bei uns die Lizenzzahlen.
Ihre Kunden sind Großkonzerne ebenso wie kleinere Ingenieurbüros?
Helmut Schuller: Speziell in Deutschland ist es recht typisch, dass die Betreiber der Anlagen eigene Engineering-Abteilungen haben. Im Ausland ist das eher untypisch. Dort lassen die Betreiber ihre Anlagen von externen Dienstleistern planen, von großen internationalen Kontraktoren bis zu kleinen lokalen Ingenieurbüros. Und diese verschiedenen Kunden vom 1-Mann-Büro bis zum Megakonzern findet man praktisch alle in unserer Kundenliste.
Welches sind die Hauptanforderungen Ihrer Kunden im Bereich Engineering, welche Technologien oder Weiterentwicklungen erwarten sie von Ihnen?
Helmut Schuller: Es gibt in unserem Geschäft grundsätzlich zwei unterschiedliche Lösungsansätze für das Engineering und damit zwei Arten von Kunden: Es gibt Firmen, die möchten eine homogene IT-Landschaft haben und bevorzugen es, alle Produkte aus einer Hand, also von einem Lieferanten zu erhalten. Viele Firmen haben aber einen anderen Ansatz. Sie möchten die bestmöglichen Produkte einsetzen und akzeptieren daher eine heterogene IT-Landschaft. Es ist deshalb unumgänglich, dass wir mit den Marktbegleitern zusammenarbeiten und Lösungen für den Datenaustausch oder die Integration erarbeiten, sodass die Systeme in einer heterogenen IT-Landschaft kompatibel sind. Insbesondere Kunden im Mittelstand erwarten, dass man sie in so eine heterogene Landschaft einbetten kann. Wenn z.B. Firmen, die eine Anlage planen, auch einzelne Anlagenteile selbst produzieren, muss der Datenaustausch mit deren Maschinenbausystemen funktionieren. Dafür bieten wir mit der STEP-Schnittstelle einen Datenaustausch mit Maschinenbausystemen in beide Richtungen an.
Welche anderen Anforderungen stellenIhre Kunden?
Helmut Schuller: Auch bei sogenannten As-Built-Aufnahmen hat sich das Anspruchsverhalten der Kunden verändert. Dabei geht es darum, Anlagenumbauten oder -erweiterungen möglichst effizient zu gestalten. Dafür erzeugt man mit Laserscanning eine Punktewolke, in der man sich bewegen und die man für Kollisionsprüfungen verwenden kann. In der Zwischenzeit gibt es Technologien, diese Punktewolken intelligent auszuwerten, so dass man z.B. einen Rohrverlauf intelligent nachbilden kann.
Und ein anderer wichtiger Punkt ist die einfache Bedienbarkeit der Planungs-Tools und die uneingeschränkte Zugänglichkeit zu den Planungsdaten. Der ganze Engineering-Prozess ist eigentlich nur denjenigen zugänglich, die über die Software-Tools verfügen und entsprechendes Know-how haben. Mit Aveva Net haben wir nun eine Technologie entwickelt, die es z.B. auch einem Projektmanager erlaubt, über Portaltechnik weltweit ein Rohrleitungs- und Instrumentierungsdiagramm - P&ID - abzurufen, Daten auszulesen und auszuwerten oder sich in einem 3D-Modell zu bewegen, ohne Gefahr zu laufen, Daten zu löschen. So kann man sich von jedem Ort der Welt einen Einblick über den Planungsstand verschaffen und zu Entscheidungsgrundlagen kommen. Damit lassen sich z.B. auch Vollständigkeitsüberprüfungen machen. So kann man einzelne Elemente im P&ID mit der 3D-Darstellung der Anlage und einem SAP-System abgleichen. Auch das ist eine Kundenforderung: Die stärkere Integration zwischen Engineering-Tools und den kaufmännischen Systemen eines Unternehmens.
Sie erwähnten Laserscanning und As-Built-Modelle. Damit kann man eine bestehende Anlage im Nachhinein digitalisieren und erhält 3D-Daten für Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen. Da hat die Technologie offenbar einen riesigen Schritt gemacht.
Helmut Schuller: Richtig! Mit unserer Laser Modeller-Software können Sie die durch Scannen einer bestehenden Anlage erzeugte Punktewolke zu einem intelligenten Modell weiterentwickeln, von dem man Isometrien ableiten kann, usw. Laserscanning wird sich ähnlich dynamisch entwickeln wie die digitale Fotografie. Die ersten Digitalkameras hatten eine sehr schlechte Auflösung und einen hohen Preis. Heute finden Sie kaum noch konventionelle Kameras. Fast jedes Engineering-Unternehmen wird einen solchen Scanner anschaffen. Aber damit die Technologie auch wirklich diese Wertschöpfung liefern kann, müssen wir in der Handhabung noch einfacher und in der Aufnahme und der Verarbeitung der Daten noch intelligenter werden. Daran arbeiten wir.
Welche konkreten Anwendungen sehen Sie dafür aktuell?
Helmut Schuller: Diese Technologie ist z.B. in Schwellenländern interessant, wo Sie meistens sehr schlecht dokumentierte Anlagen haben. Von daher ist dieses Re-Engineering oder Reverese Engineering, sprich eine Anlage zu scannen und dann darüber ein aktuelles Modell zu gewinnen, eine extrem interessante Sache.
Auch in Osteuropa gibt es jede Menge schlecht dokumentierter Anlagen, z.B. im Raffineriesektor. Der gegenwärtig hohe Ölpreis macht es attraktiv, die bestehenden Anlagen wieder stärker auszunutzen. Das Hauptthema ist dabei, möglichst rasch zu einer vernünftigen Dokumentation und zu einem Planungsmodell zu kommen, anhand dessen man Erweiterungs- oder Sanierungsmaßnahmen effizient durchführen kann.
Wie bringen Sie Ihren Kunden die Möglichkeiten von Aveva-Lösungen nahe?
Helmut Schuller: Im Rahmen von Aveva Net haben wir einfache 3D-Viewer, die „managementtauglich" sind - das ist für mich das Zauberwort. Managementtauglich heißt, man hat eine kleine Palette an Möglichkeiten, die man mit geringem Aufwand und ohne langwierige Schulung nutzen kann. Das war der Grundgedanke dabei. Daneben bieten wir aber auch Spezialistensysteme. Wir bewegen uns nicht im Massenmarkt, sondern es ist ein recht kleiner Markt, den wir mit ca. 60 Leuten in unserer regionalen Organisation betreuen. Und da haben wir jede Menge erfahrene Techniker und Vertriebsleute, die sich lokal um die Kunden kümmern, so dass wir wirklich möglichst nahe am Kunden dran sind.
Dazu benötigen Sie qualifizierte Mitarbeiter. Wie schwer ist es, diese zu finden?
Helmut Schuller: Da sprechen Sie ein wichtiges Thema an. Viele Unternehmen haben wesentliche Teile ihrer Produktion Richtung Asien verlagert, und mit den Produktionsstandorten ging auch das Engineering nach Asien. Das führte dazu, dass in Deutschland über ein Jahrzehnt weniger Ingenieure benötigt worden sind und nun ein gewisser Ingenieurmangel herrscht. Erfahrene Leute sind in Rente geschickt worden und weniger junge Menschen haben ein Ingenieurstudium begonnen. Interessanterweise haben wir in der Zwischenzeit die Situation, dass Firmen das Engineering wieder zurück nach Deutschland holen. Das ist natürlich für uns als Anbieter von Engineering-Softwarelösungen gut, wenn der Markt wieder gestärkt wird. Aber nun gibt es einen Wettbewerb um erfahrene und qualifizierte Mitarbeiter. Die Tools, also unsere Softwarelösungen können alle lernen. Aber das Engineering-Know-how, das die älteren Mitarbeiter über Jahre erworben haben, ist bei jungen Ingenieuren nicht vorhanden und das können Sie auch nicht von heute auf morgen erwerben.
Sie organisieren jedes Jahr ein Anwendertreffen, das nächste findet vom 16. bis 18. Juni in München statt. Welche Idee steckt dahinter?
Helmut Schuller: Der Grundgedanke ist, ein Treffen von Anwendern für Anwender zu haben. Wir sind wenn man so will, dabei nur Gast. Uns geht es darum, wirklich offen und ehrlich von Kunden zu erfahren, wie es ihnen mit unseren Produkten geht und wo sie Verbesserungspotential sehen. Das Programm wird von den Kunden gestaltet. Für uns ist das Treffen eine Plattform, um zuzuhören und zu erfahren, was unsere Kunden von uns brauchen. In diesem Jahr werden schätzungsweise 300 Teilnehmer dabei sein. Das ergibt dann schon ein ungefärbtes, authentisches Stimmungsbild. Und wie gesagt, wir wollen unseren Kunden eine Plattform geben, ihre Sicht der Dinge vorzutragen, sich mit anderen auszutauschen und uns dann ein unmittelbares Feedback zu geben.
Und das Themenspektrum wird immer breiter.
Helmut Schuller: Ja, denn Aveva hat sich sehr verändert. Wir sind ja bekannt für unsere 3D-Lösungen, aber in den letzten Jahren kommunizieren wir dem Markt, dass wir mehr sind als nur 3D. Das bekannteste Produkt von uns ist unsere Plant Design Management System-Software, kurz PDMS. Das ist eine 3D-Design-Software für das Basic- und Detail-Engineering von Anlagen. In der Zwischenzeit bietet Aveva viel mehr als PDMS. Da sind z.B. die erwähnten Themen wie Aveva Net, Laserscanning oder P&ID dazugekommen. Und diese Entwicklung von Aveva aus der 3D-Nische hin zu einem viel breiteren Spektrum zeigt schon Erfolge. Während uns viele der langjährigen Kunden noch mit PDMS verbinden, gibt es mittlerweile Neukunden, die sich von Anfang an für die Gesamtlösung von Aveva entscheiden.