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Arzneibehörde greift in Debatte über Bayer-Mittel ein

10.09.2013 -

Die deutsche Arzneimittelbehörde sieht bei dem wegen schwerer Nebenwirkungen in die Kritik geratenen Schlaganfallmittel von Bayer keine neuen Gefahren. "Aus Sicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) besteht bei Xarelto derzeit keine neue Risikolage" erklärte ein Sprecher der Bonner Behörde am Montag. Gleichwohl würden alle zugelassenen Arzneimittel in der EU ständig auf mögliche Risiken hin beobachtet. Ein Bayer-Sprecher bekräftigte, für Patienten sei der Nutzen des Medikaments weiterhin größer als die Risiken. Auslöser der Debatte um den Gerinnungshemmer des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns war ein Bericht des Magazins "Spiegel" am Wochenende, die unerwünschten und gefährlichen Effekte von Xarelto nähmen stark zu. Bei einigen Patienten seien Blutungen nach der Einnahme der Tablette nur schwer zu stoppen gewesen.

Die Arznei, die vor gefährlichen Blutgerinnseln schützen soll und auch gegen Thrombosen bei schweren Hüft- und Kniegelenksoperationen eingesetzt wird, ist das wichtigste neue Präparat der Leverkusener. Bayer traut Xarelto - alle Therapiegebiete zusammen genommen - jährliche Spitzenumsätze von mehr als 2 Mrd. € zu. Allein im zweiten Quartal erlöste Bayer 219 Mio. € mit dem Gerinnungshemmer - mehr als dreimal so viel wie noch vor einem Jahr.

An der Börse büßte die Bayer-Aktie zu Wochenbeginn 1,5% ein und war drittgrößter Verlierer im Leitindex Dax. "Xarelto ist ein Hoffnungsträger von Bayer und wenn darauf jetzt ein Schatten fällt, ist das nicht gut", kommentierte Analyst Thorsten Strauß von der NordLB. Bayer habe in der Vergangenheit schon negative Erfahrungen gemacht. In den ersten acht Monaten 2013 waren 968 Fälle unerwünschter Wirkungen mit 72 Todesfällen beim BfArM registriert worden. 2012 waren nur 750 Verdachtsberichte unerwünschter Wirkungen - darunter 58 Todesfälle - erfasst worden, wie der "Spiegel" am Wochenende berichtete. Allerdings wurde Xarelto erst im Dezember 2011 in der EU in der bislang größten Indikation - Schlaganfall-Vorbeugung - zugelassen. Seitdem schossen die Verschreibungszahlen in die Höhe.

Bayer erklärte am Montag, das Sicherheitsprofil von Xarelto im klinischen Alltag entspreche den Daten aus den Medikamententests. Bayer und die Tochter Janssen des US-Pharmariesen Johnson & Johnson überwachten laufend das Sicherheitsprofil der Arznei. "Da die Anzahl der mit Xarelto behandelten Patienten in den letzten sechs Monaten zugenommen hat, ist im Vergleich zum letzten Jahr auch die absolute Anzahl der spontan berichteten Nebenwirkungen angestiegen", erklärte Bayer. Der Leverkusener Konzern kooperiert bei dem Medikament mit Johnson & Johnson.

Blutungen schwer zu stoppen
Wie bei den anderen neuen Gerinnungshemmern Pradaxa von Boehringer Ingelheim und Eliquis von Pfizer und Bristol-Myers Squibb besteht auch bei Xarelto ein Blutungsrisiko. Pradaxa war bereits wegen Todesfällen in die Schlagzeilen geraten. Für die neuen Tabletten gibt es noch kein Gegenmittel, das im Notfall lebensbedrohliche Blutungen schnell stoppen kann. Schon 2011 hatte das einflussreiche "New England Journal of Medicine" in einem Leitartikel darauf hingewiesen. Inzwischen arbeiten die Unternehmen daran - auch Bayer. Bei dem seit Jahrzehnten als Standardmedikament verwendeten Warfarin kann als Gegenmittel Vitamin K gegeben werden. Allerdings gilt das inzwischen patentfreie Warfarin als schwer dosierbar. Zudem müssen strikte Diätvorschriften eingehalten werden und regelmäßige Bluttests sind notwendig.

Nach Aussage des Sprechers der Arzneibehörde BfArM muss der Anstieg der Verdachtsmeldungen immer im Zusammenhang mit anderen Faktoren bewertet werden, wie etwa der Zunahme der Verordnungszahlen und auch dem tatsächlichen Meldeverhalten der Ärzte. "Erfahrungsgemäß werden Verdachtsfälle bei neuen Arzneimitteln wie Pradaxa oder Xarelto häufiger gemeldet als bei bereits lang eingeführten", erklärte der Sprecher.

In der vergangenen Woche hatte das BfArM bemängelt, "dass nicht alle Ärzte die Fachinformation zum Management von Blutungsrisiken gut genug kennen." Es bestehe nicht nur bei älteren, sondern auch bei den neuen Gerinnungshemmern "ein signifikantes Risiko" von schweren Blutungen, auch mit Todesfolge. Verschreibende Ärzte sollten diese Gefahr einzeln prüfen und Angaben zu Dosierung, Gegenanzeigen und Warnhinweise beachten. Herzkreislauf-Spezialist Christoph Bode, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie I der Universität Freiburg, hält Xarelto weiter für ein sicheres Präparat. "Was wir sehen ist, dass die Zahl der gemeldeten Nebenwirkungen nur einen Bruchteil so hoch ist, wie das, was wir aus den Studien erwartet hätten", sagte Bode, der einer der Studienleiter im Bayer-Entwicklungsprogramm für das Medikament war. Die Größenordnung der Nebenwirkungen sei den Behörden bekannt und nicht überraschend.