Arbeitssicherheit muss in die Köpfe hinein
Ganzheitliches Schutzkonzept bei Röhm vermindert Unfälle drastisch
Die Maßnahmen gehen dabei über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Das Sicherheitskonzept ist erfolgreich - so ist in den letzten drei Jahren die Zahl der meldepflichtigen Unfälle um etwa 75 % gesunken. Ziel der Betriebsleitung ist „Null Unfälle" - und das scheint realisierbar zu sein. Eine der zahlreichen Maßnahmen war die Ausrüstung der Mitarbeiter mit einer neuen Schutzkleidung. Diese Schutzausrüstung aus einem Gewebe der beiden Aramidfasern Nomex und Kevlar sowie einer Antistatikfaser gewährleistet einem extrem hohen Flamm- und Hitzeschutz sowie permanente Antistatik-Eigenschaften, weil die Röhm-Mitarbeiter vielfach im Ex-Schutzbereich arbeiten.
Röhm ist mit rund 1.000 Mitarbeitern einer der größten industriellen Arbeitgeber im Raum Worms. Das Unternehmen der Degussa produziert auf einer Fläche von 500.000 m2 Vorprodukte, aus denen Plexiglas sowie zahlreiche Roh- und Hilfsstoffe auf Basis von Methacrylaten für zahlreiche Kunststoffanwendungen hergestellt werden.
Zu den verarbeiteten Chemikalien zählen Stoffe wie Aceton, Cyanwasserstoff, Ammoniak, Acetoncyanhydrin, Peroxide oder Schwefeltrioxid, die nach dem Gefahrgut- und Gefahrstoffrecht gekennzeichnet sind. Entsprechend hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen für den Betrieb der Anlagen und den Schutz der Mitarbeiter.
Sicherheit ein zentraler Punkt der Unternehmenspolitik
„Arbeitssicherheit wird bei Röhm sehr weit gefasst", betont Andreas Strässner, einer der hauptamtlich tätigen Sicherheitsfachkräfte im Werk in Worms. Ein weitgehend automatisierter und computergestützter Produktionsablauf sorgt für eine auf höchste Sicherheit und Produkteffizienz bedachte Verfahrenssteuerung. Spezielle Überwachungssysteme erfassen auch kleinste Abweichungen vom bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage, um bei Bedarf zuvor definierte Gegenmaßnahmen frühzeitig einleiten zu können. Zusätzlich zur modernen Anlagentechnik wird viel in den persönlichen Arbeitsschutz und Schulungsmaßnahmen investiert.
Jeder 10. Mitarbeiter ist Sicherheitsbeauftragter
Um eine höchstmögliche Sensibilisierung der Mitarbeiter zu erreichen, setzt Röhm auf von der BG Chemie geschulte Sicherheitsbeauftragte aus dem eigenen Haus. 100 Mitarbeiter sind es in Worms, das heißt jeder zehnte Mitarbeiter verfügt über eine sicherheitstechnische Qualifikation. Die Quote liegt damit zehnmal höher als gesetzlich gefordert. So gewährleistet das Chemieunternehmen, dass in allen 13 Betrieben in jeder der vier Schichten mindestens ein Sicherheitsbeauftragter vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung steht.
Die sicherheitsrelevante Überwachungs- und Kontrollfunktion im Werk ist damit auf viele Schultern verteilt. Außerdem werden die Vollzeit-Sicherheitsfachleute von den Sicherheitsbeauftragten bei der Aufklärungsarbeit und Schulung der Mitarbeiter unterstützt. Sicherheitsdenken auf Schritt und Tritt Alle ein bis zwei Monate erfolgt auf Betriebsebene eine Abstimmung zwischen der Leitung und den jeweiligen Sicherheitsbeauftragten.
Zudem trifft sich einmal im Quartal der Standortleiter mit den Betriebsleitern, Sicherheitsfachkräften und -beauftragten, um Erfahrungen auszutauschen und Verbesserungen auszuarbeiten. Zielsetzung dieser breiten Informations- und Organisationsstruktur ist es, das Thema Arbeitssicherheit in den Köpfen aller Mitarbeiter fest zu verankern. „Indem jeder zehnte Mitarbeiter über eine fundierte Sicherheitsausbildung verfügt, ergibt sich ein Arbeitsklima, bei dem der Sicherheitsgedanke mit jedem Schritt und jeder Tätigkeit auf dem Werksgelände einhergeht", betont Strässner.
Selbst kleinste Fehler können schmerzhaft sein
„Trotz aller anlagentechnischen Sicherheitsvorkehrungen müssen wir uns bewusst sein, dass hier am Standort viele der verarbeiteten Stoffe hochentzündlich, brandfördernd, giftig, oder ätzend sind. Jeder kleine Fehler beim Befüllen eines Tanks, dem Anschließen oder Abkoppeln einer Zuführungsleitung kann schwerwiegende Folgen haben", sagt Strässner.
Auch Routinearbeiten, wie die Wartung von Rohr- und Flanschverbindungen, bergen ein Unfallpotential. Obwohl diese Leitungen zuvor vom laufenden Produktionsbetrieb abgetrennt worden sind, besteht über einen längeren Zeitraum die Gefahr von Verbrennungen oder Verbrühungen. Bis 2003 ereigneten sich pro Jahr 20 bis 25 derartiger Unfälle bei Röhm in Worms.
Am meisten betroffen waren Arme und Oberkörper, die in Kontakt mit heißen Verbindungsteilen gekommen oder unvorhergesehen heißem Dampf ausgesetzt waren. Einige Unfälle waren als schwerwiegend einzustufen, was neben dem Leid der Betroffenen auch Folgekosten für Rehabilitationsmaßnahmen verursachte. Um die Zahl der Unfälle größtmöglich zu minimieren, wurde im Rahmen des Unternehmensziels „Null Unfälle" im Jahr 2003 eine neue Schutzkleidung angeschafft, mit der die Mitarbeiter noch besser gegen diese Gefahren geschützt sind.
Anzug mit Hitzeschutz und Antistatik
Röhm forderte eine Schutzausrüstung, die über spezielle Eigenschaften verfügen sollte. Neben einem extrem hohen Flamm- und Hitzeschutz musste die Kleidung wegen des Einsatzes im Ex-Schutzbereich auch eine permanente Antistatik gewährleisten. Außerdem sollte die Ausrüstung leicht und komfortabel zu tragen sein und eine große Bewegungsfreiheit ermöglichen. Dabei wurde ein Gewebe auf Basis von Nomex-Comfort in Betracht gezogen, weil dieses Material dank der Zusammensetzung von 93 % Nomex, 5 % Kevlar und 2 % Antistatikfaser die geforderten Leistungsmerkmale erfüllt, ohne dass dafür eine chemische Ausrüstung erforderlich ist.
Auch bei sehr hoher Temperatur schmilzt und tropft die Nomex-Faser nicht. Durch die Zugabe von Kevlar in der Fasermischung ist der Aufbrechwiderstand deutlich erhöht, wodurch das Gewebe selbst unter Einwirkung von starker Hitze oder Feuer länger intakt bleibt und eine hohe Schutzleistung bietet. Die Antistatikfaser (Carbonfaser kernummantelt mit Polyamid) sorgt wiederum dafür, dass sich die Kleidung nicht statisch aufladen kann.
Die Schutzausrüstung besteht aus einer Jacke, die mit einer Latz- beziehungsweise Bundhose kombiniert werden kann. Dank des niedrigen Flächengewichts von 265 g/m2 ist die Kleidung angenehm leicht zu tragen, wobei der Tragekomfort nahezu dem von normaler Arbeitskleidung entspricht. Neben ihrer aus der Molekülstruktur der Nomex-Faser resultierenden Flammwidrigkeit und der permanenten antistatischen Eigenschaft bietet die Kleidung zudem einen sehr guten Hitzeisolationswert. Durch Aufbringen einer Fluor-Carbon-Ausrüstung erreicht man zusätzlich einen begrenzten Spritzschutz gegen Säuren und Laugen nach EN 13034 Typ 6.
Video mit Beflammungstests zur Mitarbeiteraufklärung
Die Einführung der Schutzanzüge wurde von einer neuen Sicherheits-Informationskampagne im Werk in Worms begleitet. Zur Bewusstmachung des Gefahrenpotentials und Aufklärung über den verbesserten Mitarbeiterschutz wurde ein Video mit Beflammungstests am so genannten „Thermo-Man" gezeigt. Dabei wurde unter anderem die Leistungsfähigkeit der neuen Schutzanzüge im Vergleich zur alten Bekleidung aus Baumwolle präsentiert. Der Beflammungstest ergab für den Anzug aus Nomex 23 % Verbrennungen (11 % 2. Grades und 12 % 3. Grades), während für die neuwertige Bekleidung aus Baumwolle insgesamt 81 % Verbrennungen (15 % 2. Grades und 66 % 3. Grades) ermittelt wurden.
Die Beflammungsdauer betrug jeweils vier Sekunden. „Das Video zeigte eindrucksvoll, dass die neue Kleidung einen deutlich besseren Schutz bietet", fasst Strässner die Aktion zusammen. Dementsprechend groß und nachhaltig war die Wirkung bei den Mitarbeitern, die sich ihr eigenes Bild von der Leistungsfähigkeit ihrer neuen Schutzausrüstung machen konnten.
Sicherheitstrainings zur Mitarbeitermotivation
Als weitere Motivationsmaßnahme erfolgten im Jahr 2006 bei Röhm 80 interne Sicherheitstrainings zu „verändertem Verhalten". Zusätzlich wurden 40 Moderatoren ausgebildet, die auf Arbeitsschutz-Sicherheitstagen ihr Fachwissen weiter vertiefen konnten, um ihr Wissen an ihre Kollegen weiter zu geben.
Erheblich reduzierte Unfallrate
Das neue Sicherheitskonzept bei Röhm trägt erste Früchte. So ist in den letzten drei Jahren die Zahl der meldepflichtigen Unfälle um etwa 75 % gesunken.
Einer internen Auswertung zufolge sind die Unfälle seit 2005 „nur noch" auf Verbrühungen zurückzuführen bzw. auf Einzelfälle, in denen die Schutzkleidung nachweislich nicht ordnungsgemäß getragen wurde. Die Verbesserungen sieht man seitens der Betriebsleitung als Beleg dafür, dass „Null Unfälle" ein realisierbares Unternehmensziel ist.
„Das Ergebnis zeigt, dass eine Sicherheitsstrategie und der Einsatz von moderner Schutzausrüstung um so besser wirken, wie es gelingt, die Mitarbeiter mit einer umfassenden Information ins Boot zu holen", so Strässner. Eine der Zielsetzungen ist es, künftig auch die Zahl der Bagatellunfälle und leichten Verletzungen erheblich zu reduzieren.
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Helmut Scheckenbach
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